Quantentechnologie aus Kohlenstoff
Forscher versehen erstmals einzelne atomar genaue Nanobänder mit Elektroden.
Für eine erfolgreiche Entwicklung und Anwendung der Quantentechnologie sind spezielle Materialien nötig. Diese Quantenmaterialien zeigen ausgeprägte quantenphysikalische Effekte. Eines davon ist Graphen. Die zweidimensionale Strukturform des Kohlenstoffs verfügt über ungewöhnliche physikalische Eigenschaften, etwa eine außerordentlich hohe Zugfestigkeit, Wärme- und Stromleitfähigkeit. Schränkt man das ohnehin zweidimensionale Material räumlich noch mehr ein, etwa zu einem schmalen Band, entstehen kontrollierbare Quanteneffekte.
Genau das macht sich das Team von Mickael Perrin an der ETH Zürich und an der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt EMPA zunutze. „Nanobänder aus Graphen sind noch faszinierender als Graphen selbst“, so der Forscher. „Indem man ihre Länge und Breite sowie die Form ihrer Ränder variiert und sie mit anderen Atomen versetzt, kann man ihnen alle erdenklichen elektrischen, magnetischen und optischen Eigenschaften verleihen.“ Die Forschung an den vielversprechenden Bändchen gestaltet sich nicht immer einfach. Je schmaler das Band, desto deutlicher sind seine Quanteneigenschaften – aber desto schwieriger wird es auch, ein einzelnes Band anzusteuern. Genau das ist aber unabdingbar, um die Besonderheiten und möglichen Anwendungen dieses Quantenmaterials im Detail zu verstehen.
In einer neuen Studie ist es Perrin und seinem Team erstmals gelungen, einzelne lange, atomar genaue Graphen-Nanobänder elektrisch leitend zu kontaktieren. Keine triviale Aufgabe: Ein Graphen-Nanoband, das nur neun Kohlenstoffatome breit ist, misst gerade einmal ein Nanometer in der Breite. Um einzelne Bänder zu kontaktieren, verwendeten die Forscher ebenso kleine Elektroden: Kohlenstoff-Nanoröhrchen mit einem Durchmesser von ebenfalls nur einem Nanometer.
Die Präzision, die für einen solchen Versuch unabdingbar ist, beginnt bereits bei den Ausgangsmaterialien. Die Graphen-Nanobänder bezogen die Forscher von einem spezialisierten Labor der EMPA. Die Kohlenstoff-Nanoröhrchen stellte eine Forschungsgruppe an der Universität Peking her, und für die Interpretation der Ergebnisse arbeiteten EMPA-Wissenschaftler mit Forschern der University of Warwick in Großbritannien zusammen.
Einzelne Bänder mit den Nanoröhrchen zu kontaktieren war eine Herausforderung für die Forscher. Die Kohlenstoff-Nanoröhrchen und die Graphen-Nanobänder werden auf separaten Substraten gezüchtet. Zuerst müssen die Röhrchen auf das Experimentsubstrat übertragen und mit Metallelektroden kontaktiert werden. Dann schneiden die Forscher sie mittels hochauflösender Elektronenstrahllithografie, um sie in je zwei Elektroden zu trennen. Schließlich werden die Bänder auf dasselbe Substrat übertragen. Präzision ist dabei unabdingbar: Schon die kleinste Drehung der Substrate kann einen erfolgreichen Kontakt verhindern.
Den Erfolg bestätigten die Wissenschaftler durch Messungen von Ladungstransport. „Quanteneffekte sind bei tiefen Temperaturen in der Regel deutlicher, deshalb haben wir die Messungen bei Temperaturen nahe am absoluten Nullpunkt im Hochvakuum durchgeführt“, erklärt Perrin und nennt zugleich eine besonders vielversprechende Eigenschaft von Graphen-Nanobändchen: „Dank ihrer extrem kleinen Größe sind ihre Quanteneigenschaften sehr robust. Wir erwarten, dass sie sogar bei Raumtemperatur noch nachweisbar sind.“ Das, so der Forscher, könnte es erlauben, Quantentechnologien zu entwickeln, die ohne aufwändige Kühlinfrastruktur auskommen.
Der Weg dahin ist indes noch weit – noch sind Graphen-Nanobänder nicht bereit für kommerzielle Anwendungen. In Folgestudien will das Team unterschiedliche Quantenzustände auf einem einzelnen Band kontrollieren, sowie zwei Nanobänder in Serie zu einem doppelten Quantenpunkt zusammenschalten. Eine solche Schaltung könnte als Qubit dienen. Außerdem will Perrin die Nutzung von Nanobändern als hocheffiziente Energiewandler erforschen.
EMPA / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
J. Zhang et al.: Contacting individual graphene nanoribbons using carbon nanotube electrodes, Nat. Electron., online 14. August 2023; DOI: 10.1038/s41928-023-00991-3 - Transport at Nanoscale Interfaces Laboratory, EMPA – Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt, Dübendorf, Schweiz