29.11.2024

Vermutung aus der Stringtheorie bewiesen

Mathematisches Problem im Zusammanhang mit der Vier-Gravitonen-Streuung gelöst.

Die Stringtheorie versucht, alle Grundkräfte und Teilchen des Universums zu erklären. Sie konnte experi­mentell noch nicht bewiesen werden, aber die Arbeit an ihr hat bereits zu bedeutenden Fortschritten in der Mathematik und theoretischen Physik geführt. Ksenia Fedosova, Wissen­schaftlerin am Exzellenz­cluster Mathematik Münster der Universität Münster, hat jetzt ein weiteres Puzzlestück hinzugefügt: Mit einem inter­nationalen Forschungsteam hat sie eine Vermutung aus dem Bereich der Vier-Gravitonen-Streuung bewiesen, die Physiker bezüglich bestimmter Gleichungen aufgestellt hatten.

Abb.: Ksenia Fedosova präsentiert eine der Gleichungen, mit der sich die...
Abb.: Ksenia Fedosova präsentiert eine der Gleichungen, mit der sich die Stringtheorie besser mathematisch greifen lässt.
Quelle: V. Liesche, U. Münster

Gravitonen sind hypothetische Teilchen, die für die Schwerkraft verantwortlich sind. „Die Vier-Gravitonen-Streuung kann man sich als zwei Gravitonen vorstellen, die sich frei durch den Raum bewegen, bis sie in einer Blackbox interagieren und anschließend zwei Gravitonen herauskommen. Ziel ist es, die Wahrscheinlich­keiten dafür zu bestimmen, was in dieser Blackbox passiert“, erläutert Ksenia Fedosova den physika­lischen Hintergrund ihrer Arbeit. Diese Streuung, also diese Wahrscheinlichkeiten, werden mit einer Funktion beschrieben, die von den Informationen über alle vier beteiligten Gravitonen abhängt. „Die genaue Form dieser Funktion ist zwar nicht bekannt, aber für bestimmte Arten von Wechsel­wirkungen innerhalb der Blackbox kann man sich dieser Streuungsamplitude annähern, wenn die an dem Prozess beteiligten Energien relativ niedrig sind.“

Um diese Näherung zu berechnen, muss man auch die Abhängigkeit von einer weiteren Variablen berücksichtigen, nämlich der String-Kopplungskonstante, die die Stärke der Wechsel­wirkungen zwischen Strings beschreibt. „In unserem Forschungs­modell verbindet deren Definitions­bereich die Stringtheorie und die Zahlentheorie“, so Ksenia Fedosova. Die String-Kopplungskonstante wird durch einen Torus beschrieben, eine geometrische Form, die wie ein Donut aussieht und die in diesem Fall zur Verdichtung unsichtbarer Dimensionen verwendet wird. Für Zahlentheoretiker stellt die String-Kopplungs­konstante, also der Torus, einen Punkt auf einer bereits bekannten modularen Fläche dar. Letztere ist eine gekrümmte zweidimensionale Fläche mit Singu­laritäten, also mit Stellen, an denen die Fläche sich „seltsam verhält“ und sich ihre Eigenschaften plötzlich ändern. Sie werden in der Mathematik und Physik genutzt, um spezielle Zahlenmuster und geometrische Strukturen zu analysieren.

So entstehen Funktionen, die im Kontext der Stringtheorie auf einer modularen Fläche definiert sind. Diese Funktionen, die bestimmte partielle Differentialgleichungen erfüllen müssen, haben Ksenia Fedosova, Kim Klinger-Logan und  Danylo Radchenko untersucht und herausgefunden, was der korrekte homogene Teil einiger Funktionen ist, die in der Vier-Gravitonen-Streuung auftreten. Der homogene Teil wird in der Mathematik häufig heran­gezogen, um die grundlegende Struktur oder das Verhalten einer Funktion zu verstehen. 

„Zur Vereinfachung des Prozesses haben wir die partiellen Differential­gleichungen auf einer entfalteten Version der modularen Oberfläche gelöst und anschließend untersucht, ob es möglich ist, die Lösung zurückzufalten“, beschreibt die Mathematikerin die Arbeitsweise. Dafür mussten die Forschenden unendliche Summen auswerten, die die Teilerfunktionen beinhalten. Das erste Beispiel dieser Summen wurde von Physikern gefunden, und auf der Grundlage numerischer Auswertungen wurde vermutet, dass sie verschwinden. Das Forschungsteam fand weitere Beispiele für solche Summen. „Interessanter­weise verschwanden jedoch andere Summen nicht notwendigerweise wie von Physikern erwartet. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass es eine bessere Wahl für eine partielle Ausgangsdifferential­gleichung geben sollte als die, die Physiker derzeit in Betracht ziehen.“

U. Münster / JOL

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