Cosmic Kiss
Matthias Maurer mit Sarah Konrad: Cosmic Kiss. Sechs Monate auf der ISS. Eine Liebeserklärung an den Weltraum, Droemer, München 2023, gebunden, 432 S., 24 Euro, ISBN 9783426446522
Matthias Maurer mit Sarah Konrad
Als Kind träumte Matthias Maurer davon, den Himmel im Flugzeug zu erobern. Der Gedanke, als Dorfkind aus dem Saarland in den großen Weltraum aufzubrechen, erschien ihm zu abwegig. Dies gibt der deutsche Astronaut im ersten Kapitel unumwunden zu. Auf den folgenden 400 Seiten schildert er in sehr vielen Details seinen langen, nicht immer geradlinigen Weg vom promovierten Materialwissenschaftler zum ESA-Astronauten.
Inzwischen scheint es eine schöne Tradition zu sein, dass diejenigen Astronauten, die ein halbes Jahr auf der ISS gelebt und gearbeitet haben, im Anschluss an ihre Mission in einem Buch darüber berichten – entweder in einem großformatigen Bildband wie Alexander Gerst und Thomas Pesquet oder aber in einem handlichen Sachbuch wie Tim Peake und Samantha Cristoforetti.
Das umfangreiche Hardcover-Buch von Matthias Maurer mit nur zwei Bildstrecken ist eine Liebeserklärung an den Weltraum, so verspricht es der Untertitel. Vor allem aber ist es eine detaillierte Dokumentation über die Arbeit eines Astronauten – angefangen mit den umfangreichen Tests bei der Astronautenauswahl über die intensiven Vorbereitungen einer Mission, die Matthias Maurer unter anderem in die Sa-Grutta-Höhle nach Sardinien oder auf den Meeresboden vor der Küste Floridas geführt haben – bis hin zu den vielfältigen Arbeiten auf der Internationalen Raumstation. Unterstützt von Sarah Konrad, Redakteurin bei der Saarbrücker Zeitung, erzählt Matthias Maurer offen von seinem Werdegang. 2009 war er in der gleichen Astronautenauswahl wie Alexander Gerst und schaffte es in den Kreis der letzten 10, nur um dann doch noch „aussortiert“ zu werden. Erst 2015 bekam er eine zweite Chance, um im Herbst 2021 zu seiner ersten Mission auf die ISS zu starten.
Das Buch ist nicht nur unglaublich interessant, sondern auch trotz der großen Textmenge sehr kurzweilig. Mit einem Augenzwinkern berichtet Maurer etwa von der Begegnung mit einigen Kindern, die zunächst ganz fasziniert von ihm als Astronaut sind. Als er aber zugeben muss, noch gar nicht im Weltraum gewesen zu sein, wenden sie sich direkt ab, schließlich sei er dann kein richtiger Astronaut.
Auch wenn inzwischen schon viele andere Bücher vom Leben auf der ISS berichtet haben, fand ich Maurers Schilderungen besonders interessant: So erlebt er während seiner Mission den Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine und kann aus erster Hand erzählen, wie die ESA und auch die Astronauten auf der ISS mit diesem Konflikt umgehen. Zudem berichtet er vom großen Chaos, das eine Gruppe von Weltraumtouristen auf der ISS verbreitet. Mit der Zeit jedoch differenziert sich Maurers Urteil und er sieht auch positive Seiten des Weltraumtourismus.
Die Mischung aus wissenschaftlichen Erläuterungen, technischen Details und persönlichen Einblicken ist hervorragend gelungen; sie macht das Buch zu einer ausgesprochen interessanten Lektüre. Wer wissen möchte, wie man auf der ISS Joghurt herstellt, Geburtstag feiert oder welche Bedeutung Essenstausch und Bettenhopping haben, welche Vorbereitungen ein „Weltraumspaziergang“ erfordet oder welche Besonderheiten die Reise mit einer SpaceX-Dragon gegenüber der Sojuskapsel mit sich bringt, der ist hier genau richtig.
Maike Pfalz