Physik Journal 9 / 2014

Cover

Der IceCube-Detektor am Südpol hat erstmals hochenergetische extraterrestrische Neutrinos nachgewiesen (vgl. S. 41, Bild: IceCube/NSF).

Meinung

Freie Energie!André Thess9/2014Seite 3

Freie Energie!

Die Energiedebatte benötigt mehr Führung durch Wissenschaftler und eine sachliche Diskussionskultur.

Inhaltsverzeichnis

August/September9/2014Seite 1

August/September

Der IceCube-Detektor am Südpol hat erstmals hochenergetische extraterrestrische Neutrinos nachgewiesen (vgl. S. 41, Bild: IceCube/NSF).

Aktuell

Grünes Licht für ESSStefan Jorda9/2014Seite 6

Grünes Licht für ESS

Maike Pfalz9/2014Seite 7

Karriere mit Perspektive

Jubiläum im Saturnorbit9/2014Seite 8

Jubiläum im Saturnorbit

Alexander Pawlak9/2014Seite 8

Ein Denkmal für Lise Meitner

Alexander Pawlak9/2014Seite 10

Napoleons Fernrohr und Neil Armstrongs Kamera

Maike Pfalz9/2014Seite 10

Großes Geld für kleine Chips

Stefan Jorda9/2014Seite 11

Höchstes Lob für Doktoranden?

Stefan Jorda9/2014Seite 12

Gute Aussichten für SOFIA

Matthias Delbrück9/2014Seite 12

Fragwürdige Evaluation in Portugal

Matthias Delbrück9/2014Seite 13

Indisches Forschungsbudget lässt hoffen

Rainer Scharf9/2014Seite 14

USA

Licht ins Dunkel / Kohlendioxidbeobachter im Orbit / Feldversuche für Erdwärme / Trickreiche Antragstellung / Diskussion um ITER

High-Tech

Michael Vogel9/2014Seite 16

Kontrollierte SicherheitGesicherte QualitätBilliger bei MillimeterwellenSortieranlage im Kleinen

Im Brennpunkt

Higgs-Boson koppelt auch an FermionenMichael Rauch und Dieter Zeppenfeld9/2014Seite 18

Higgs-Boson koppelt auch an Fermionen

Die Experimente am Large Hadron Collider weisen erstmals Higgs-Zerfall in Fermionen nach.

Langsamer ElektronenwalzerJohannes Hecker Denschlag9/2014Seite 20

Langsamer Elektronenwalzer

Erstmals gelang es, die magnetische Wechselwirkung zweier Elektronen, die wenige Mikrometer voneinander entfernt sind, zu messen.

Bildung - Beruf

Stabilisierung auf hohem NiveauGeorg Düchs und René Matzdorf9/2014Seite 23

Stabilisierung auf hohem Niveau

Statistiken zum Physikstudium an den Universitäten in Deutschland 2014

Die Konferenz der Fachbereiche Physik (KFP) erhebt jährlich statistische Daten zum Physikstudium an deutschen Universitäten. Auch 2014 haben sich daran alle 58 Mitglieder der KFP beteiligt, so dass der Datensatz zu den Fachstudiengängen bis auf wenige Details bei Studiendauern oder Notendurchschnitten komplett ist. Kleinere Abstriche sind für die Zahlen zum Lehramtsstudium zu machen, die von den Fachbereichen meist nicht selbst erfasst werden und deshalb bisweilen Lücken aufweisen.

Wie im Vorjahr hat die KFP bei den Erstsemestern in den grundständigen Studiengängen unterschieden nach Personen, die sich a) immatrikulieren, b) ihr Studium auch antreten und c) dieses wenigstens ein Semester lang ernsthaft verfolgen – 39 Fachbereiche konnten hierzu Daten beisteuern. Wieder hat sich gezeigt, dass die Gruppen (a) bis (c) keineswegs deckungsgleich sind, sich viele Personen also nur als „Parkstudierende“ in der Physik einschreiben.
Insgesamt fußt die Auswertung auf Daten zu beinahe 400 Studien­gängen, die in 16 Kategorien erfasst werden (Tabelle). Diese Vielfalt täuscht darüber hinweg, dass das Physikstudium deutschlandweit inhaltlich und strukturell weitgehend einheitlich organisiert ist. 78 % aller neu für die Physik gewonnenen Studierenden haben sich in einen Bachelor-Fachstudiengang Physik (Kategorie 1) eingeschrieben. Die Physik-Fachstudiengänge (Kat. 1, 7, 12) sind – dank der „offenen Koordination“ durch die KFP – an allen deutschen Fachbereichen kohärent aufgebaut und fachlich klar profiliert. „Studiengänge mit Schwerpunkt Physik“ (Kat. 2, 8, 13) sind deutlich weniger verbreitet (5 % aller Neueinschreibungen); ihre Bedeutung liegt darin, dass sie sich auf einzelne physikalische Themengebiete konzentrieren oder interdisziplinäre Bezüge herstellen. Die Lehramtsstudiengänge, für die sich 16 % der neuen Erstsemester entschieden, unterscheiden sich stark (Kat. 3 – 6, 9 – 11, 14 – 16), was auf die Vielfalt der Schulformen, aber auch auf unterschiedliche politische Rahmenbedingungen in den Bundesländern zurückzuführen ist. Die Diplomstudiengänge (Kat. 12, 13) laufen fast alle aus und können bis auf eine Ausnahme nicht mehr neu belegt werden (unter 1 % aller Neueinschreibungen). (...)

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Preisträger

Die Dimension macht den UnterschiedGerhard Abstreiter9/2014Seite 29

Die Dimension macht den Unterschied

Niedrigdimensionale Halbleiterstrukturen sind die Basis für viele neue Effekte und wichtige Bauelemente.

Die Entwicklung neuer Methoden zum Abscheiden von Halbleiterschichten ermöglichte es in den vergangenen vierzig Jahren, die elektronischen und optischen Eigenschaften von Halbleiterstrukturen zu variieren und die elektronischen Bandstrukturen und Bandverläufe „maßzuschneidern“. Während zunächst zweidimensionale Schichtsysteme untersucht wurden, rückten bald eindimensionale Drähte und nulldimensionale Quantenpunkte ins Zentrum des Interesses. Im Lauf der Jahre gelang es auf der Grundlage von niedrigdimensionalen Halbleiter­systemen, eine Vielzahl neuer physikalischer Effekte zu entdecken und unterschiedlichste Bauelemente für vielfältige Anwendungen zu entwickeln.

Einen ersten großen Höhepunkt erlebte die Physik niedrigdimensionaler, insbesondere quasi-zweidimensionaler Elektronensysteme in den 1970er-Jahren. Dieser beruhte auf der Entwicklung von Si-MOS-Transistoren und den dafür notwendigen sehr guten Si/SiO2-Grenzflächen. Eine an MOS-Kondensatoren angelegte Gate-Spannung erlaubt es, an der Grenzfläche zwischen dem Halbleiter (Si) und dem Isolator (SiO2) frei bewegliche Elektronen zu induzieren. Dies setzt eine geringe Dichte von Zuständen an der Grenzfläche voraus, welche die Elektronen „einfangen“ können (Trap-Zustände). Die Elektronendichte, und damit einhergehend die Fermi-Energie, lassen sich mit der angelegten Gate-Spannung kontinuierlich variieren. Da sich die Elektronen senkrecht zur Grenzfläche aufgrund der Raumladungszone im Halbleiter sowie der Barriere zum Isolator nur eingeschränkt bewegen können, hat das Elektronensystem einen quasi-zweidimensionalen Charakter. Entlang der Grenzfläche bleiben die Ladungsträger frei beweglich, sodass sich elektrische Subbänder ausbilden, mit quantisierten Niveaus senkrecht zur Grenzfläche (Abb. 1).

Ebenfalls seit den 1970er-Jahren lässt sich die elektronische Subbandstruktur berechnen, basierend auf einer selbstkonsistenten Lösung der Schrödinger- und Poisson-Gleichung in der Näherung effektiver Massen und auch unter Einbeziehung von Vielteilcheneffekten wie Austausch und Korrelation. Die Schrödinger-Gleichung wird dabei für Bewegungen senkrecht und parallel zur Grenzfläche separiert. Die vielen grundlegenden Arbeiten zu den unterschiedlichsten Eigenschaften von solchen quasi-zweidimensionalen Ladungsträgersystemen haben Ando, Fowler und Stern 1982 in einem ausführlichen Übersichtsartikel mit umfangreichen Literaturangaben zusammengefasst [1]. Besonders interessante Ergebnisse ergaben sich mit einem starken Magnetfeld senkrecht zur zweidimensionalen Grenzfläche. Das quasi-zweidimensionale Elektronengas wird dadurch vollständig quantisiert, da das senkrechte Magnetfeld die Elektronen auf Zyklotronbahnen zwingt bzw. in Landau-Niveaus quantisiert. Die elektronische Zustandsdichte wird dadurch diskret. Experimente zu Shubnikov-de-Haas-Oszillationen und zur Zyklotronresonanz [2] lieferten wertvolle Informationen über Eigenschaften der Ladungsträger wie effektive Massen, effektive g-Faktoren, Streumechanismen und vieles mehr. Der Höhepunkt der damaligen Arbeiten war zweifellos die Entdeckung des Quanten-Hall-Effektes in Si-MOS-Transistoren durch Klaus von Klitzing Anfang 1980 [3] (Nobelpreis 1985). Diese fundamentale Entdeckung löste einen enormen Boom aus. In der Folge entstanden unzählige experimentelle und theoretische Arbeiten, ein neues großes Forschungsgebiet war geboren.  (...)

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From heat transport to turbulence (to life)David Ruelle9/2014Seite 37

From heat transport to turbulence (to life)

Life as a problem in nonequilibrium statistical mechanics

We review some problems in nonequilibrium physics from the point of view of statistical physics and differentiable dynamics. Specifically, we discuss the mathematical difficulties which inherently underlie applications to heat transport, to hydrodynamic turbulence, and to the study of life. The microscopic dynamics of transport phenomena (in particular heat transport) is necessarily non hyperbolic, which explains why it is a difficult problem. The 3D turbulent energy cascade can be analyzed formally as a heat flow, and experimental intermittency data indicate that this requires discussing a Hamiltonian system with 104 degrees of freedom. Life is a nonequilibrium statistical physics phenomenon which involves chemical reactions and not just transport. Considering life as a problem in nonequilibrium statistical mechanics at least shows how complex and difficult the study of nonequilibrium can be.

The aim of nonequilibrium statistical mechanics is to understand the properties of matter outside of equilibrium, starting from microscopic dynamics. At this time nonequilibrium statistical mechanics of transport phenomena close to equilibrium is a well-developed physical theory (due to the work of Onsager, Green, Kubo, etc. in the 1950’s, see for instance [1]). Away from this area, the theory of nonequilibrium is a program, or a variety of programs, rather than a theory. Here I shall make a choice, and describe an approach starting with classical Hamiltonian microscopic dynamics. From my point of view this approach has the interest that it uses nontrivial recent results in the theory of smooth dynamical systems, and that it sheds light on interesting physical phenomena: heat transport, hydrodynamic turbulence, and life. (...)

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Neutrinosuche am Ende der WeltAnne Schukraft9/2014Seite 41

Neutrinosuche am Ende der Welt

Die genaue Analyse der Teilchenspuren im IceCube-Detektor erlaubt es, zwischen dem Signal atmosphärischer Neutrinos und dem extraterrestrischer Neutrinos zu unterscheiden.

Mit dem IceCube-Experiment am Südpol gelang es erstmals, extraterrestrische Neutrinos zu beobachten. Nach vielen spannenden Erkenntnissen, welche die Astronomie in immer neuen Beobachtungsfens­tern vom Mikrowellenhintergrund bis zur Gammastrahlung geliefert hat, könnte dies der Beginn der Neutrino­astronomie sein. Diese wird möglicherweise ein neues Bild des hochenergetischen Universums zeichnen.

Im Jahr 1912 entdeckte der Physiker Victor Hess eine ionisierende Strahlung, die er damals Höhen­strahlung nannte. Die Beobachtung, dass die Intensität der Strahlung mit der Höhe zunahm, ließ die Schlussfolgerung zu, dass diese kosmischen Ursprungs ist. Heute ist bekannt, dass die Strahlung überwiegend aus Protonen besteht, gemischt mit Atomkernen. Ihr Ener­giespektrum wurde über viele Größenordnungen gemessen. Der Fluss der kosmischen Strahlung, also die Zahl der Teilchen pro Zeit, Fläche und Raumwinkel, nimmt mit der Energie nach einem Potenzgesetz ab. Im Bereich bis zu TeV-Energien sind die Flüsse vergleichsweise groß (wenige Teilchen pro Tag und Quadratmeter), und die kosmische Strahlung lässt sich mit Ballon- und Satellitenexperimenten nachweisen, wie z. B. dem AMS-Experiment auf der Internationalen Raumstation. Bei höheren Ener­gien beträgt der Fluss nur wenige Teilchen pro Quadratkilometer und Jahrhundert, sodass großflächige, erdgebundene Detektoren nötig sind, um mit akzeptabler Wartezeit Daten zu sammeln. Ein Beispiel dafür ist das Pierre-Auger-Observatorium in Argentinien, dessen Instrumente sich über eine Fläche von etwa 3000 km2 verteilen.

Unbekannt ist bis heute, wie es möglich ist, diese Teilchen auf solch hohe Energien zu beschleunigen, und welche astrophysikalischen Objekte die Quellen der Strahlung sind. Vermutlich ist der ultrahochenergetische Teil extragalaktischen Ursprungs und wird von Aktiven Galaktischen Kernen, den energie­reichsten Objekten im Universum, erzeugt [1]. Sie bestehen aus supermassiven Schwarzen Löchern, die stellare Materie mit hoher Rate aufsaugen und hochenergetische Strahlung, u. a. in hochrelativistischen Plasmajets, emittieren. Im Modell der hadronischen Beschleunigung diffundieren geladene Hadronenkerne durch turbulente Magnetfelder und werden durch den wiederholten Übergang zwischen Medien unterschiedlicher Ausbreitungsgeschwindigkeiten beschleunigt. Wechselwirken diese Hadronenkerne mit Materie oder Strahlung in der Umgebung der Quelle, sollten hochenergetische Neutrinos und Gammastrahlung entstehen. Dieses Modell der Beschreibung ist die Grundlage der „Multi-Messenger“-Astroteilchenphysik, die das Ziel hat, gleichzeitig derartige Quellen mit allen Botenteilchen – Hadronen, Photonen, Neutrinos und auch Gravitationswellen – zu untersuchen. (...)

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Wie kristallisieren Polymere?Gert Strobl9/2014Seite 47

Wie kristallisieren Polymere?

Das Wachstum eines Polymerkristalls lässt sich als mehrstufiger Prozess beschreiben.

Zwar fällt es leicht, sich einen Kristall aus regelmäßig angeordneten gestreckten Polymerketten vorzustellen, ein solcher existiert aber nicht. Dies liegt daran, dass in einer Polymerschmelze die Ketten nicht gestreckt, sondern verknäuelt und ineinander verschlauft sind. Was aber passiert beim Abkühlen einer Polymerschmelze, wenn sie fest wird?

Festkörper aus Standardpolymeren wie Poly­ethylen, Polypropylen oder Polyethylentereph­thalat sind im täglichen Leben überall anzutreffen. Dennoch mag man sich fragen, ob sie sich wie metallische oder keramische Materialien durch einen Kristallisationsprozess verfestigen und ob aus Ketten­molekülen überhaupt ein Kristall entstehen kann. Ein wenig Nachdenken macht aber schnell klar, dass dies grundsätzlich möglich ist. Im Zustand mit der niedrigsten Konformationsenergie sind Polymerketten immer gestreckt, mit einer periodischen Struktur in Ausdehnungsrichtung. Fügt man derartige Ketten, ­parallel zueinander gestellt, in einer seitlich regel­mäßigen Packung zusammen, entsteht eine drei­dimensional periodische Struktur, also ein Polymerkristall. Seine Besonderheit ist die hohe Anisotropie in der Stärke der Bindungskräfte, mit unauflöslichen kovalenten Bindungen in Kettenrichtung und schwachen Van-der-Waals-Kräften in den beiden seitlichen Richtungen.

Tatsächlich findet man einen solchen makroskopischen Kristall aber nicht. Dies liegt an der Struktur der Schmelze: Im flüssigen Zustand sind die Polymerketten nicht mehr gestreckt, sondern auf vielfältige Art verknäuelt, sie durchdringen einander und bilden dabei viele Verschlaufungen aus. Von einem solchen Ausgangszustand her ist der kristalline Zustand einfach nicht zu erreichen, denn es würde eine viel zu lange Zeit erfordern, die Ketten vollständig zu entschlaufen und zu trennen. Kühlt man eine Polymerschmelze in den Kristallisationsbereich ab, so kristallisiert sie deshalb nicht vollständig, sondern geht in einen „semikristallinen“ Zustand über: Dabei sind schichtförmige Kristallite durch ­Bereiche getrennt, welche flüssig bleiben und die nicht aufgelösten Verschlaufungen enthalten. Die elektronenmikroskopische Aufnahme aus den 1970er-Jahren zeigt eine Kristallschichtdicke im Nanometer-Bereich an (Abb. 1). Die viel längeren Ketten sind durch wiederholte Rückfaltungen in den Kristall eingebettet (Abb. 2).
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Laserdioden mit PolaritonenSven Höfling9/2014Seite 51

Laserdioden mit Polaritonen

Die stimulierte Streuung von Polaritonen ermöglicht eine neuartige kohärente Lichtquelle.

Seit Kurzem ist es möglich, das fundamentale Phänomen der Bose-Einstein-Kondensation elektrisch zu erzeugen, also auf Knopfdruck. Gelungen ist dies in Halbleiterdioden, deren zentralen Bestandteile ein Quantenfilm und eine Mikrokavität sind. Die kondensierten bosonischen Teilchen bestehen aus Elektron-Loch-Paaren im Quantenfilm, die stark mit dem Licht der Mikrokavität wechselwirken. Spontan aus dem Kondensat entweichende Photonen tragen die Eigen­schaften des Kondensats mit sich und können als alternative laserartige Lichtquelle dienen.

Die moderne Halbleitertechnologie ermöglicht es, Nanostrukturen mit atomarer Präzision herzustellen und somit das quantenmechanische Verhalten von Elektronen und Löchern in Festkörpern gezielt maßzuschneidern. Durch das epitaktische Wachstum von Halbleiter-Heterostrukturen lassen sich Quantenfilme mit Nanometerdicke herstellen (Abb. 1a), die Potentialtröge für sowohl Elektronen als auch Löcher bilden. In dem Quantenfilm eingeschlossene Elektronen und Löcher besitzen entgegengesetzte Ladungen und werden durch die Coulomb-Wechsel­wirkung zu Elektron-Loch-Paaren gebunden, den Exzitonen. Während die konstituierenden Elektronen und Löcher jeweils halbzahligen Spin besitzen, ist der Spin der resultierenden Quantenfilm-Exzitonen ganzzahlig, sodass diese das Phänomen der Bose-Einstein-Kondensation aufzeigen können [1, 2].

Die gezielte Anordnung von Halbleitermaterialien mit verschiedenen Brechungsindizes in Heterostrukturen erlaubt es zudem, die Ausbreitung und den Einschluss von Licht zu kontrollieren. Dies ist beispielsweise durch alternierende Schichten von GaAs und AlAs möglich (Abb. 1b). Die Schichtabfolge ist so gewählt, dass eine GaAs-Mikrokavität von zwei Bragg-Spiegeln umgeben ist, die Licht in der Mikrokavität einschließen. Die Bragg-Spiegel bestehen aus periodischen AlAs- und GaAs-Schichten, deren optische Dicke jeweils ein Viertel der Lichtwellenlänge beträgt. Dadurch interferieren die an den einzelnen Grenz­flächen reflektierten Lichtstrahlen so, dass sich Licht in der zentralen Schicht einschließen lässt. Integriert man nun Quantenfilme an Stellen der Mikrokavität, an denen die optische Mode ein lokales Intensitäts­maximum aufweist, können Quantenfilm-Exzitonen und Photonen der Mikrokavität stark wechselwirken. (...)

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Erkenntnis durch ZerfallTill Jahnke9/2014Seite 55

Erkenntnis durch Zerfall

Interatomic Coulombic Decay – die subtile Seite der Coulomb-Wechselwirkung

Die Coulomb-Wechselwirkung zwischen geladenen Teilchen ist altbekannt und scheint bestens erforscht. Jedoch offenbart sie bei genauerer Betrachtung subtile Effekte, die gerade in Prozessen mit komplexen Makromolekülen eine entscheidende Rolle spielen. Um die zugrundeliegenden Aspekte der langreichweitigen Coulomb-Wechselwirkung besser zu verstehen, bietet sich die Vermessung des „interatomaren Coulomb-Zerfalls“ an.

Die elektromagnetische Wechselwirkung gilt eher als der „Langweiler“ unter den vier Grundkräften der Physik. Die Grundlagen von Elektrostatik und Magnetismus lernt man bereits in der Schule, und auch ansonsten scheint diese Grundkraft in weitesten Zügen durch die Maxwell-Gleichungen und die Quantenelektrodynamik verstanden zu sein. Das gilt auch für die Coulomb-Wechselwirkung: Wirklich dramatische Abweichungen zwischen Experimenten und Vorhersagen finden sich nur in extremen Fällen, etwa bei schweren, hochgeladenen Ionen. Dies ist insofern erfreulich, als die Coulomb-Wechselwirkung für unseren Alltag eine entscheidende Rolle spielt. Sie bestimmt zum Beispiel, in welcher Form sich Atome zu Molekülen zusammenfinden und eine Bindung eingehen.

Für Makromoleküle und somit auch für die Bio­logie beinhaltet dieser Aspekt der Erzeugung von kovalenten Bindungen allerdings nur einen überraschend kleinen Teil der Auswirkungen der Coulomb-Wechselwirkung. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich eine Vielzahl von sehr feinen, aber folgenschweren Effekten, die sich aus ihrer langen Reichweite ergeben: Atome und Moleküle können auch über sehr große Distanzen polarisiert werden. Eine offensichtliche Auswirkung einer solchen Polarisation ist z. B. die Van-der-Waals-Bindung: Dabei gehen mehrere Atome, die keine Elektronen in Form von Orbitalen teilen können, durch gegenseitige Polarisation eine sehr schwache Bindung ein. Sie ist etwa nur ein Tausendstel so stark wie eine kovalente Bindung. Die Vermutung, dass damit auch die Auswirkung dieser schwachen Beiträge minimal ist, ist allerdings trügerisch. Gerade diese schwachen Beiträge geben komplexen molekularen Systemen wie DNA und RNA ihre Gestalt – durch Wechselwirkung innerhalb des Moleküls, aber auch mit der Umgebung. Die Interaktion von Biomolekülen über diese Beiträge ist im Mikroskopischen entscheidend für Informationsaustausch, Reproduktion und Stoffwechsel. (...)

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Erkenntnisse aus erster HandMichael Kobel9/2014Seite 59

Erkenntnisse aus erster Hand

Masterclasses ermöglichen Schülerinnen und Schülern authentische Erfahrungen in Astroteilchen- und Teilchenphysik.

Seit dem Jahr 2005 werden Schülerinnen und Schüler bei den International Masterclasses Forscher für einen Tag. Einführungsvorträge bereiten sie auf die Datenanalyse vor und vermitteln das notwendige Hintergrundwissen. Als krönenden Abschluss nehmen die Jugendlichen an einer Video­konferenz mit Forschern vom CERN teil, um mit ihnen über ihre Ergebnisse zu diskutieren. Dieser Blick in den Forscheralltag soll bei den Schülerinnen und Schülern Begeisterung für die moderne Physik wecken.

Niemals zuvor bekam aktuelle Forschung in den Medien so schnelle und so breite Aufmerksamkeit wie in den letzten Jahren. Besonders zu faszinieren scheinen dabei die großen Fragen nach dem Wie, Woher und Wohin des Universums – Fragen, die sich die Menschheit wohl seit Jahrtausenden immer wieder stellt und gestellt hat und deren Beantwortung sich besonders die Physik auf die Fahnen geschrieben hat. Bei all der wiederholten Anerkennung dieser Forschung durch Nobelpreise in den letzten 15 Jahren und dem Medienecho der Entdeckung eines Higgs-Teilchens am CERN bzw. des möglichen Nachweises von Quantenfluktuationen der Gravitation durch BICEP2 sollte man meinen, sich keine Sorgen um die Anerkennung und öffentliche Akzeptanz dieser Wissenschaft machen zu müssen. Auf der anderen Seite behauptete Harald Lesch unmittelbar nach der Bekanntgabe der Entdeckung von Kandidaten für das Higgs-Teilchen am CERN im Juli 2012 in einem Interview der Süddeutschen Zeitung: „Diese Sache ist für 99,9 Prozent aller Menschen nicht mehr nachvollziehbar.“ Ist die öffentliche Begeisterung vielleicht nur eine mediengemachte Blase ohne echtes Interesse an den Resultaten, da diese sowieso nicht zu verstehen sind? Was kann oder sollte die Wissenschaft in ihrem Dialog mit der Öffentlichkeit erreichen? Der Soziologe Peter Wein­gart schreibt dazu, dass sich die Wissenschaft über die Schaffung von Transparenz und Vertrauen legitimieren müsse, und betont zudem, dass über einen „wirklichen Dialog“ zwischen Wissenschaft und Schülerinnen und Schülern „Neugier in Begeisterung für die Wissenschaft umgewandelt werden muss“ [1]. (...)

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Beleuchtung aus dem HintergrundAndrej Krimlowski9/2014Seite 63

Beleuchtung aus dem Hintergrund

CCD-Detektoren mit einer homogenen Hintergrundbeleuchtung bieten sich als Detektoren für die Raumfahrt an.

Immer wieder aufs Neue erinnern uns Naturereignisse wie der Meteoriteneinschlag im russischen Tschelja­binsk im Februar 2013 an die Zerbrechlichkeit unserer Welt. Ein inhärenter Drang eines jeden Lebewesens auf unserem Planeten ist das Überleben. Daher liegt uns Menschen der Wunsch nahe, mögliche Gefahren für unsere Zivilisation frühzeitig zu erkennen, um Katastrophen möglichst abwenden zu können.

Im Jahr 2008 wurde das Projekt AsteroidFinder ins Leben gerufen, dessen Ziel es ist, eine spezielle Klasse von Asteroiden – so genannte Internal Earth Objects (IEOs) – mittels optoelektronischer Detektoren zu beobachten und die Gefahren einer möglichen Kollision mit der Erde frühzeitig abschätzen zu können. Bei IEOs handelt es sich um Objekte, deren Umlaufbahnen sich zwischen den Umlaufbahnen der Erde und der Venus befinden. Einige von ihnen könnten unsere Zivilisation bedrohen. Im Rahmen des Projekts wurde 2012 in der Abteilung Planetare Sensorsysteme am Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) eine Studie zur Ladungstransporteffizienz von EMCCD-Sensoren (Electron Multiplying Charge Coupled Device) durchgeführt. EMCCDs unterscheiden sich von herkömmlichen CCDs durch ihre integrierte elektronische Verstärkerstrecke, die mit einem Photomultiplier vergleichbar ist: Eine Spannung von 30 bis 40 Volt zwischen den Verstärkerregistern und dem Detektorausgang beschleunigt die Elektronen im Chip, sodass diese durch Stoß­ionisation weitere Elektronen erzeugen und damit das Signal verstärken. Diese Verstärkung erfolgt über viele Stufen und ist proportional zum ursprünglichen Signal. (...)

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Physik im Alltag

Turbo fürs FernlichtMichael Vogel9/2014Seite 66

Turbo fürs Fernlicht

Laserlicht ist der letzte Schrei in der Fahrzeugbeleuchtung. Dank Laserdioden und geeigneten Leuchtstoffen lassen sich extrem hohe Beleuchtungsstärken erzielen.

Menschen

9/2014Seite 68

Personalien

Alexander Pawlak9/2014Seite 72

''Man erfährt, was man vielleicht hätte besser machen können''

Cornelia Denz, Dieter Jäger, Rainer Kassing und Wulfhard Lange9/2014Seite 73

Nachruf auf Wilfried Hampe

Jürgen Czarske, Jörg Willhelm und Harald Müller9/2014Seite 74

Nachruf auf Fromund Hock

Bücher/Software

Hermann Haken9/2014Seite 75

Wolfgang Weidlich: Grundkonzepte der Physik

Helmut Hermann9/2014Seite 75

Sung Nok Chiu et al.: Stochastic Geometry and its Applications

Maike Pfalz9/2014Seite 76

Daniel Westland: Repeat

DPG

DPG-Jahresbericht 20139/2014Seite 77

DPG-Jahresbericht 2013

Jahresbericht des Vorstands und der Geschäftsführung zu Aufgaben und Aktivitäten der DPG, aus dem Physikzentrum Bad Honnef und dem Magnus-Haus Berlin

9/2014Seite 93

Ausschreibung Dissertationspreise 2014

9/2014Seite 94

Einladung zur DPG-Arbeitstagung Forschung - Entwicklung - Innovation XXXIX

9/2014Seite 95

DPG-Regionalverband Hessen-Mittelrhein-Saar

9/2014Seite 95

Young Scientist Award for Socio- and Econophysics

9/2014Seite 95

Physik-Studienpreis der PGzB

9/2014Seite 96

DPG-Frühjahrstagungen 2015

9/2014Seite 100

Ausschreibung Kommunikationsprogramm

9/2014Seite 101

Satzung der DPGAusführungsbestimmungen zur SatzungVerhaltenskodex für Mitglieder

Tagungen

Klaus Lips, Bernd Rech und Robert Schlögl9/2014Seite 111

From Sunlight to Fuels

562. WE-Heraeus-Seminar

Hildegard Meyer-Ortmanns und Alberto Bernacchia9/2014Seite 111

The Versatile Action of Noise: Applications from Genetic to Neural Circuits

559. WE-Heraeus-Seminar

Berenike Maier und Michael Lässig9/2014Seite 112

Mechanisms, Strategies, and Evolution of Microbial Systems

566. WE-Heraeus-Seminar

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