18.07.2022 • Oberflächen

Ultraschnelle Oberflächenprozesse beobachtet

Mit intensiven Pulse eines Röntgenlasers lassen sich ultraschnelle Prozesse auf und direkt unter Materialoberflächen untersuchen.

Ein internationales Team von Wissen­schaftlern hat erstmals gezeigt, dass die intensiven Pulse eines Röntgenlasers genutzt werden können, um ultraschnelle Prozesse, die auf und direkt unter Material­ober­flächen ablaufen, mit bisher unerreichter Tiefen- und Zeit­auf­lösung zu untersuchen. Damit können Forscher Prozesse erfassen, die mehr als eine Milliarde Mal schneller sind als das, was bisher auf diesem Gebiet beobachtet werden konnte. Die Ergebnisse ebnen den Weg für viel­fältige Anwendungen, die auf dem Verständnis von ultra­schnellen Prozessen auf Oberflächen beruhen. Beispiele dafür sind die Laser­bearbeitung von Material­ober­flächen zur Schaffung maßge­schneiderter Strukturen im Nanomaßstab oder die Realisierung kompakter laser­basierter Teilchen- oder Strahlungs­quellen.

Abb.: Röntgen­klein­winkel­streuung unter strei­fen­dem Ein­fall an...
Abb.: Röntgen­klein­winkel­streuung unter strei­fen­dem Ein­fall an einer mehr­schich­tigen Probe, ge­messen mit ein­zelnen Röntgen­pulsen des SACLA-Röntgen­lasers in Japan. (Bild: U. Siegen)

Mit Hilfe intensiver Laserpulse lassen sich winzige Ober­flächen­strukturen im Nanobereich mit optimierten optischen, mechanischen und chemischen Eigen­schaften erzeugen. Solche maßge­schneiderten Strukturen spielen eine entscheidende Rolle auf vielen Gebieten mit erheblicher gesell­schaft­licher und wirtschaft­licher Auswirkung. Sie können zur Herstellung anti­mikro­bieller Beschichtungen, zur Verbesserung der Verbindung von Zahn­implantat­schrauben mit dem Knochen und zum Bau fortschrittlicher, besonders widerstandsfähiger optischer Komponenten verwendet werden. Um diese Strukturen besser herstellen und ihre Auswirkungen verstehen zu können, müssen Forscher zunächst die ultra­schnellen Prozesse beobachten und verstehen, die beim Auftreffen der intensiven Femto­sekunden­laser­pulse ablaufen, die bei der Ober­flächen­bearbeitung eingesetzt werden.

„An Synchrotron­strahlung­squellen ist die Zeit­auf­lösung solcher Ober­flächen­unter­suchungen bisher auf wenige Milli­sekunden beschränkt“, erklärt Lisa Randolph von der Universität Siegen. „Wir haben jetzt gezeigt, dass man mit einzelnen Röntgen­laser­pulsen auf Piko­sekunden springen kann – das entspricht einer mehr als eine Milliarde Mal besseren Zeit­auf­lösung. Und dank unseres speziellen Aufbaus, bei dem die Röntgen­strahlen im streifenden Einfall auf die Material­ober­fläche treffen, können wir die Prozesse auf und direkt unter der Oberfläche mit einer Tiefen­auf­lösung im Nanometer­bereich beobachten.“

Der technologische Durchbruch gelang dem Team am SACLA-Röntgen­laser in Japan durch die Kombination der oberflächen­sensitiven Klein­winkel­streuung unter streifendem Einfall mit den von SACLA erzeugten Röntgenpulsen. Diese neuartige Methode ermöglichte es den Forschern, die ultra­schnellen Veränderungen des Dichteprofils an und unter der Oberfläche, die durch einen auf das Material auftref­fenden Laserpuls ausgelöst werden, mit einer räumlichen Auflösung von Nanometern und einer zeitlichen Auflösung von Piko­sekunden zu beobachten. Um die beteiligten Prozesse besser zu verstehen, verglich das Team anschließend die experi­mentellen Ergebnisse mit den Daten aus Simulations­modellen.

„Unsere experimentellen Daten stellen modernste Plasma­simulations­modelle in Frage“, berichtet Mohammadreza Banjafar von der TU Dresden und Zweitautor der Studie. „Über­raschender­weise sagen die weit verbreiteten hydro­dynamischen Simulationen die in unseren Experimenten gemessene Dichte­dynamik nicht korrekt voraus.“ Particle-in-Cell-Simulationen hingegen, die bisher als unzureichend galten, um solch intensive Wechsel­wirkungen zwischen Licht und Materie zu beschreiben, zeigten eine deutlich bessere Über­ein­stimmung mit dem Experiment.

„Allerdings fehlen auch in diesen Particle-in-Cell-Simulationen noch viele physikalische Effekte“, sagt Motoaki Nakatsutsumi von European XFEL, der das Experiment koordinierte. „Unsere Methode wird dazu beitragen, die Model­lierung von Laser-Fest­körper-Wechsel­wirkungen weiter zu verbessern und neue Anwendungen dafür zu entwickeln.“ Insbesondere erwarten die Forscher, dass die beispiel­losen Möglich­keiten, die ihre neue Technik bietet, neue Perspek­tiven für die Laser­material­bearbeitung und die Forschung mit hohen Energie­dichten eröffnen werden.

U. Siegen / RK

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