01.06.2022 • Klimaforschung

Ultrafeinstaub könnte Wetterextreme verursachen

Flugzeugmessungen belegen Anstieg der Partikel-Anzahl-Emissionen trotz Rückgang des gröberen Feinstaubs.

Ob Starkregen oder extreme Trockenheit – weltweit nehmen die Extrem­wetter­ereignissen zu. Mit bisherigen Klima­modellen ist ihre Dynamik nur zum Teil abbildbar. Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie vermuten, dass ultrafeine Partikel in der Atmosphäre signifikant auf die Wolkenphysik und damit auf das Wetter einwirken. Mit Flugzeug­messungen belegen sie einen Anstieg der Partikel-Anzahl-Emissionen trotz Rückgang des gröberen Feinstaubs und machen dafür teilweise die Verbrennung fossiler Brennstoffe mit Abgas­reinigungs­anlagen ver­ant­wortlich.

Abb.: Auf zahl­reichen Mess­flügen steuerte Junker­mann das...
Abb.: Auf zahl­reichen Mess­flügen steuerte Junker­mann das Ultra­leicht­flug­zeug D-MIFU des KIT, das kleinste be­mannte Forschungs­flug­zeug der Welt. (Foto: Boden­bender / KIT)

Nach den neuesten Berichten des Inter­govern­mental Panel on Climate Change werden Wetter­extreme wie Dürren und Starkregen weiter zunehmen. „Bislang wurden diese Veränderungen in der Klimaforschung hauptsächlich auf das zunehmende Kohlendioxid und die entsprechend höhere Wasser­dampf­kapazität einer sich erwärmenden Atmosphäre zurück­geführt“, sagt Wolfgang Junkermann vom KIT. Da Kohlendioxid aber aufgrund seiner langen Lebensdauer räumlich relativ gleichmäßig verteilt sei, ließe sich damit die Variabilität in der Verteilung und im Auftreten von Extrem­wetter­ereignissen ohne Einbeziehung des Wasser­kreis­laufs nicht befriedigend erklären.

Gemeinsam mit Jorg Hacker vom Airborne Research Australia argumentiert Junkermann, dass ultrafeine Partikel von wenigen Nanometern bis zu hundert Nanometer aus der Verbrennung von fossilen Kraftstoffen signifikant zu den Extrem­wetter­ereignissen beitragen, indem sie als Konden­sa­tions­kerne regional und kurzfristig auf die Wolkenphysik einwirken. „Mit üblichen Modellen für die Wolken­bildung können wir zeigen, dass sich durch die Zunahme von ultra­feinen Partikeln auch mehr und kleinere Tropfen bilden“, erklärt Junkermann. „Dadurch verweilt Wasser viel länger in der Atmosphäre, der Regen wird zunächst unterdrückt und es entsteht ein zusätz­liches Energie­reservoir in der mittleren Troposphäre, das extreme Nieder­schläge begünstigt. Das kann dann hunderte Kilometer entfernt passieren. Eine heterogene Verteilung der Nanopartikel-Verschmutzung könnte beitragen, die großen regionalen Unterschiede bei Extrem­wetter­ereignissen zu erklären.“

Bislang kann die Wirkung von ultrafeinen Partikeln auf die Wolken­bildung nur unter seltenen Bedingungen direkt beobachtet werden. Deshalb nutzten die Forscher Daten zur Menge und Verteilung von Ultra­fein­staub in der Erdatmo­sphäre sowie zu Veränderungen im Wasser­kreis­lauf. Dabei wurde deutlich, dass in vielen Gebieten der Erde ein Anstieg der Partikel­anzahlen mit regional veränderten Nieder­schlags­mustern korreliert. „Über dem Mittelmeer ist die Partikel­konzen­tra­tion beispiels­weise seit den 1970er Jahren um den Faktor 25 angestiegen“, sagt Junkermann. „Im selben Zeitraum gibt es starke Veränderungen bei den Niederschlägen, weg von regel­mäßigen Regen­fällen und hin zu Dürren und stärkeren Extrem­ereignissen.“

Ähnliche Muster wären in Australien und in der Mongolei erkennbar. Möglich wurde dieser Befund durch umfangreiche Messreihen mit Klein­flug­zeugen, mit denen die Forscher über zwanzig Jahre den wohl größten Datensatz dieser Art zusammen­getragen haben. Er umfasst Gebiete in Asien, Mittel­amerika, Europa und Australien mit historisch rekon­stru­ier­baren Emissionen und gut dokumen­tierten regionalen Klima­änderungen.

Mit den jetzt veröffent­lichten Daten belegen die Forscher einen extremen Anstieg der Partikel-Emissionen seit den 1970er Jahren, für die ebenfalls Daten vorliegen. „Punktuell konnten wir eine Belastung von bis zu 150.000 Teilchen pro Kubik­zentimeter nachweisen, wo vierzig Jahre zuvor nur etwa tausend Teilchen nachweisbar waren“, sagt Junkermann. „Die extremen Konzen­tra­tionen konnten wir auf Kraftwerke, Raffinerien oder den Schiff­fahrts­verkehr zurück­führen, oft und besonders auch auf Groß­feuerungs­anlagen mit neuester Abgas-Technologie.“ So werde beispiels­weise seit den 1990er Jahren Ammoniak eingesetzt, um die Bildung von Stickoxiden in Abgasen von Industrie­anlagen zu verhindern. Mit ihren Daten könnten sie nun nachweisen, dass dabei besonders viele Nanoteilchen in die Atmosphäre entweichen.

Die Wissenschaftler appellieren daher, den Anstieg von Ultra­fein­staub in der Atmosphäre in den Szenarien der Klima­forschung stärker zu berück­sichtigen. In den bisherigen Berechnungen würden standardmäßig Staubwerte aus Emissions­szenarien vom Anfang des Jahrhunderts verwendet. „Mit aktuelleren Daten könnte die Model­lierung des Wasser­kreis­laufs, der Nieder­schlags­änderungen und der Extrem­wetter­ereignisse vermutlich wesentlich verbessert werden“, so Junkermann.

KIT / RK

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