Schwärmen für Mikroschwimmer
Zäh wie Honig – so erfährt ein schwimmender Mikroorganismus seine wässrige Umgebung. Das Schwarmverhalten solcher Mikroschwimmer erklärt die neue „Physik in unserer Zeit“.
Leben ist Bewegung, das gilt auch für Mikroorganismen. Dazu zählen Bakterien, Spermien, Parasiten und dergleichen (Abbildung), die typischerweise nur 10-100 µm groß sind, was etwa der Dicke einer Haarsträhne entspricht. Der überwiegende Teil der Mikroorganismen lebt in Flüssigkeiten, etwa Wasser, sodass die Bewegung durch die Hydrodynamik bestimmt wird. Hier kommt ein wichtiger physikalischer „Ähnlichkeitseffekt“ zum Tragen: Die Bewegung in einer Flüssigkeit ist auf allen Längenskalen gleich, aber durch einen Parameter bestimmt, der vom Verhältnis von Größe und Geschwindigkeit des Schwimmers zur Viskosität der umgebenden Flüssigkeit abhängt.
Deshalb gibt es bei der Bewegung in einer Flüssigkeit einen wesentlichen Unterschied zwischen klein und groß. Große Schwimmer haben eine große Masse und sind daher träge, haben auch eine hohe Vortriebskraft und erfahren deshalb nur eine geringe Flüssigkeitsviskosität. Bei kleinen Schwimmern ist es genau umgekehrt: Sie haben wenig Trägheit und eine effektive hohe Viskosität. Deshalb bleibt ein kleiner Schwimmer, wie ein Bakterium, sofort stehen, wenn der Motor abgeschaltet wird, während ein großer Schwimmer, wie ein Mensch, einige Schwimmerlängen durch Wasser gleiten kann.
Schwimmen auf der Mikroskala ist daher, als müsste ein Mensch in Honig schwimmen. Darüber hinaus bleibt auf der Mikroskala nichts in Ruhe liegen – sondern alles bewegt sich aufgrund der thermischen Molekularbewegung. Da hatten also die alten Griechen völlig recht, wenn sie sagten: „panta rhei“ (πάντα ῥεῖ, alles fließt).
Ein genauerer Blick auf das Verhalten von Systemen aktiver, selbstangetriebener und selbststeuernder Organismen und Maschinen enthüllt eine Vielzahl interessanter Phänomene und Fragestellungen. Wie schwimmt ein Mikroschwimmer in einer Flüssigkeit? Daraus folgt die Frage, wie Mikroschwimmer mit ihrer Umgebung und mit anderen Mikroschwimmern wechselwirken. Welches Verhalten ergibt sich, wenn sich viele von ihnen zusammen bewegen? Ferner fragt man sich, welche Art von Wahrnehmung möglich ist, wenn die Organismen und Maschinen immer kleiner werden. Welche Bewegungsmuster resultieren, wenn die Individuen durch Steuerung ihrer Bewegung auf die Bewegung ihrer Nachbarn reagieren können?
Auf diese Fragen gehen Priyanka Iyer und Gerhard Gompper vom Forschungszentrum in ihrem Artikel ein, dessen Einstieg hier wiedergegeben ist und den man unter „Originalveröffentlichung“ mit einem Klick komplett frei lesbar lesen kann. Ein Aspekt sind unterschiedliche Antriebe, die „Pusher“ oder „Puller“ und ihre hydrodynamischen Eigenschaften. Höchst interessant ist auch das über die Flüssigkeit vermittelte Kollektivverhalten von Mikroschwimmern, ihr Schwarmverhalten. Auch diesen Aspekt erklären Iyer und Gompper sehr anschaulich.
Wer also im Wortsinne in diese faszinierende Mikrowelt eintauchen will, der folge einfach dem Link hier unten.
Roland Wengenmayr (Redaktion)