Schaltbare elektronische Chiralität in einem Kagome-Supraleiter entdeckt
Neue elektronische Chiralität lässt sich durch Magnetfelder umschalten und könnte für zukünftige Technologien eine wichtige Rolle spielen.
Die Chiralität ist eine der grundlegendsten geometrischen Eigenschaften und spielt in der Biologie, Chemie und Physik eine besondere Rolle. In der Materialwissenschaft unterscheidet man zwischen Kristallen, bei denen die periodische Anordnung der Atome chiral ist oder nicht. Ist sie chiral, müssen sich auch die darin fließenden Elektronen und elektrischen Ströme irgendwie von ihrem Spiegelbild unterscheiden – eine Eigenschaft, die zu exotischen Reaktionen und neuen Anwendungen führen kann. Ein Beispiel hierfür ist ein diodenähnlicher Effekt, bei dem die elektrischen Ströme, die von links nach rechts fließen, sich von denen unterscheiden, die von rechts nach links fließen. Diese Eigenschaft wird als elektronische magnetochirale Anisotropie bezeichnet. Bislang wurde dieses Phänomen nur in strukturell chiralen Kristallen beobachtet. Jetzt hat ein internationales Forschungsteam erstmals einen chiralen Transports in einem strukturell achiralen Kristall, dem Kagome-Supraleiter CsV₃Sb₅, beobachtet.
Wenn die Anordnung der Atome im Kristall genau dieselbe ist wie in ihrem Spiegelbild, wie ist es dann möglich, dass dies nicht auf seine Elektronen zutrifft? Es muss ein neuartiger Mechanismus im Spiel sein, der über einen einfachen Formeffekt hinausgeht. Im Gegensatz zur strukturellen Chiralität, die in einem Kristall fest verankert ist, kann diese neue elektronische Chiralität durch Magnetfelder umgeschaltet werden. Solch eine schaltbare Chiralität wurde noch nie zuvor beobachtet und könnte für zukünftige Technologien eine wichtige Rolle spielen.
Dieses ungewöhnliche Verhalten hängt direkt mit den starken elektronischen Wechselwirkungen zusammen. Die Forscher schlagen ein Modell vor, bei dem sich die Elektronen in Mustern anordnen, die nicht der Spiegelsymmetrie entsprechen, obwohl die Atome symmetrisch angeordnet sind. CsV₃Sb₅ ist bereits für viele wechselwirkende elektronische Strukturen bekannt, wie zum Beispiel die Bildung einer unkonventionellen chiralen Ladungsordnung mit einer interessanten Ladungsmodulation. Diese chiralen elektronischen Strukturen können spontan rotieren und damit ein Magnetfeld erzeugen.
CsV₃Sb₅ präsentiert sich als hervorragendes Material für die Untersuchung korrelierter Quantenphänomene und liefert zugleich das erste Beispiel für schaltbare elektronische Chiralität. Zu den nächsten Schritten gehört die Erweiterung des Nutzungsbereichs von der Tiefst- auf die Raumtemperatur und die Verbesserung des Ausmaßes dieser Reaktion. Wechselwirkende Systeme auf geometrisch frustrierten Gittern bergen großes Potenzial für die Zukunft.
MPISD / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
C. Guo et al.: Switchable chiral transport in charge-ordered kagome metal CsV3Sb5, Nature, online 12. Oktober 2022; DOI: 10.1038/s41586-022-05127-9 - Abt. Mikrostrukturierte Quantenmaterie, Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie, Hamburg