Neutrinos: Ein neues Bild der Milchstraße

IceCube weist erstmals hochenergetische Neutrinos aus der galaktischen Ebene nach.

Mit dem Südpol-Observatorium IceCube hat ein inter­nationales Forscherteam erstmals Neutrinos aus der Milchstraße nachgewiesen. Neutrinos sind geisterhafte Elementar­teilchen, die in der Regel aus energie­reichen Prozessen stammen und mühelos sämtliche Materie durchdringen. Die kosmischen Geister­teilchen liefern Einblicke in ihre energie­reichen Ursprungs­prozesse, die anders nicht zu gewinnen sind.

Abb.: Neutrinos aus der Milch­straße: Helle Bereiche sym­bo­li­sieren...
Abb.: Neutrinos aus der Milch­straße: Helle Bereiche sym­bo­li­sieren Messungen mit hoher Sig­ni­fi­kanz, dunkle solche mit ge­ringer Sig­ni­fi­kanz. (Bild: Science Commu­ni­ca­tion Lab für DESY / Milch­straßen­pano­rama: S. Brunier, ESO; CC BY 4.0)

Neutrinos sind allgegen­wärtig: Allein aus den Kernfusions­reaktionen in der Sonne durch­dringen uns in jeder Sekunde unbemerkt rund sechzig Milliarden dieser scheuen Elementar­teilchen pro Quadrat­zentimeter. Fast nie reagiert ein Neutrino mit der Materie, die es durchquert. Im ewigen Eis der Antarktis haben Forscher daher den größten Neutrino­detektor der Welt aufgebaut: IceCube liegt kilometer­weit unter der Oberfläche und umfasst einen ganzen Kubik­kilometer Eis, in dem er nach den extrem seltenen Neutrino­reaktionen späht. Aus der Leuchtspur, die ein Neutrino dort nach einer Wechsel­wirkung mit dem Eis gelegentlich erzeugt, lässt sich seine Herkunfts­richtung und seine Energie bestimmen.

Dennoch ist das Neutrino-Signal unserer Milchstraße nicht leicht zu entdecken. „Faszinierend ist, dass – ganz anders als im elektro­magnetischen Spektrum, also bei Licht verschiedener Wellenlängen – im Regime der Neutrinos das ferne Universum unsere unmittelbare kosmische Nachbarschaft bei weitem überstrahlt“, erläutert Francis Halzen von der University of Wisconsin in den USA, Principal Investigator von IceCube. Erst durch eine ausgeklügelte Analyse von rund 60.000 Neutrino­messungen aus zehn Jahren, bei der Methoden der künstlichen Intelligenz einen entscheidenden Beitrag lieferten, ließ sich das Neutrino-Panorama unserer Milchstraße isolieren.

„Die Entwicklung neuer Methoden ermöglichte es uns, eine Größen­ordnung mehr Neutrino-Ereignisse und diese auch noch mit besserer Rekonstruktion ihrer Herkunfts­richtung zu erhalten, was im Endeffekt dazu führte, dass wir die Empfind­lich­keit von IceCube um einen Faktor drei im Vergleich zu früheren Suchen steigern konnten“, berichtet IceCube-Mitglied Mirco Hünnefeld von der TU Dortmund, einer der leitenden Analysatoren für diesen Datensatz.

Die Energie der nun von IceCube nachge­wiesenen Neutrinos ist viele Millionen mal größer als die Energie des stetigen Neutrino-Stroms aus den Kernfusions­reaktionen in der Sonne. Sie stammen also nicht aus den Sternen der Milchstraße. „Der nächste Schritt besteht nun darin, Neutrino-Quellen innerhalb der Milchstraße direkt zu identi­fi­zieren“, sagt IceCube-Sprecher Ignacio Taboada vom Georgia Institute of Technology in den USA.

Die Forscher hoffen, durch die Fahndung nach den Neutrino­quellen auch etwas über die Quellen der kosmischen Strahlung zu erfahren, einem Hagel elektrisch geladener Atomkerne, der aus allen Richtungen gleichmäßig auf die Erde einprasselt. Quellen der energie­reichen Neutrinos können auch Quellen der kosmischen Strahlung sein, die auch mehr als hundert Jahre nach Entdeckung des Phänomens noch immer nicht befriedigend geklärt sind. Zum ersten Mal lässt sich die Milchstraße dafür nun mithilfe von Neutrinos betrachten.

„Die IceCube-Beobachtungen öffnen ein neues Fenster zur Milchstraße und stimmen uns zuversichtlich, dass wir mit Neutrinos in den kommenden Jahren auch die Quellen der kosmischen Strahlung in unserer Galaxie aufspüren werden können“ sagt Marek Kowalski, Leiter der IceCube-Gruppe am DESY.

Dieser bedeutende Schritt für die Astro- und Astro-Teilchen­physik wurde erst durch die Zusammen­arbeit von Forschern aus vielen verschiedenen Instituten möglich. In Deutschland umfasst diese Kooperation zehn Universitäten und die Helmholtz-Forschungs­zentren DESY und KIT. Der weitere Ausbau des IceCube-Detektors und die wissen­schaftliche Auswertung der gewonnenen Daten werden ganz maßgeblich durch das BMBF und durch die Deutsche Forschungs­gemein­schaft gefördert.

DESY / RK

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