Mit winzigen Nanopartikeln zu besserem Ladungstransport
Studie zeigt: Dreidimensionale topologische Isolatoren in makroskopischer Größe möglich.
Dreidimensionale topologische Isolatoren sind Materialien, die elektrischen Strom widerstandsfrei leiten können – allerdings nur auf ihrer Oberfläche. Dieser Effekt ist jedoch schwer messbar: Weil die Materialien üblicherweise wenig Oberfläche im Verhältnis zu ihrem Volumen haben, dominiert der Ladungstransport im Inneren. Forschern der Uni Bielefeld ist es jetzt in Kooperation mit Kollegen der Uni Duisburg-Essen und des Leibniz-Instituts für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden gelungen, topologische Isolatoren auf Basis winzig kleiner Nanopartikel zu entwickeln und so den Ladungstransport auf der Oberfläche nachzuweisen.
„Makroskopisch große Proben dreidimensionaler topologischer Isolatoren haben ein sehr hohes Volumen im Vergleich zu ihrer Oberfläche. Dadurch gibt es sehr viel mehr Ladungsträger in ihrem Inneren, sodass der schlechte Ladungstransport im Inneren den Ladungstransport auf der Oberfläche dominiert“, sagt Gabi Schierning von der Uni Bielefeld. „Obwohl die besonderen Transporteigenschaften von dreidimensionalen topologischen Isolatoren also theoretisch vorhergesagt sind, ist es schwer, sie experimentell zu untersuchen.“
Um dieses Problem zu umgehen, griff das Team auf Nanopartikel zurück. Weil diese Partikel so klein sind, haben sie im Verhältnis zu ihrem Volumen eine große Oberfläche. Schierning und ihre Kollegen haben Nanopartikel aus Bismut-Tellurid zu fünf Millimeter breiten und 0,5 Millimetern dicken Pellets zusammengepresst – und so einen dreidimensionalen topologischen Isolator hergestellt, der aus Nanoeinheiten aufgebaut ist.
Durch diesen Trick konnten die Forscher makroskopische Materialproben mit sehr vielen Grenz- und Oberflächen erzeugen. Die Studie zeigt, dass sich die geschützten Ladungsträger auf diesen Flächen untersuchen lassen und dass dort elektrischer Strom sehr gut geleitet wird. „Durch unser spezielles Materialdesign haben wir es geschafft, Eigenschaften herauszukitzeln, die wir aus der Theorie kennen, aber bisher so nicht sehen konnten“, so Schierning.
Zunächst wurden an der Uni Duisburg-Essen die Materialproben hergestellt. Dazu war viel Aufwand nötig: Die Nanopartikel müssen zum Beispiel sehr saubere Oberflächen haben und dürfen nicht mit der Umgebung reagieren. „Außerdem müssen sie so zusammengebracht werden, dass sie aneinander haften bleiben. Gleichzeitig dürfen sie nicht so sehr verdichtet werden, dass die geschützten Transportkanäle auf den Grenzflächen verloren gehen“, sagt Schierning.
Anschließend haben die Forscher mit verschiedenen Methoden den Ladungstransport auf den Grenz- und Oberflächen untersucht. Die Wissenschaftler haben zum Beispiel gemessen, wie gut die Materialprobe unter verschiedenen Bedingungen Strom leitet, etwa bei unterschiedlichen Temperaturen oder unterschiedlich starken Magnetfeldern. „Die Ergebnisse sind ein klarer Hinweis auf Transportmechanismen eines dreidimensionalen topologischen Isolators“, so Schierning.
Ergänzt wurden die Untersuchungen durch Terahertz-Spektroskopie, für die das Forschungsteam von Martin Mittendorff von der Uni Duisburg-Essen verantwortlich war. Dabei wird die Probe mit elektromagnetischen Wellen im Terahertz-Bereich angeregt und die reflektierte Strahlung gemessen. Auch hier ließen sich spezielle Phänomene beobachten, die nur bei dreidimensionalen topologischen Isolatoren vorkommen – und das sogar bei Temperaturen bis etwa minus 70 Grad Celsius, also recht hohen Temperaturen für einen solchen Effekt.
„Unsere Studie zeigt, dass sich dreidimensionale topologische Isolatoren in makroskopischer Größe und bei vergleichsweise hohen Temperaturen realisieren lassen. Das ist ein wichtiger Schritt in der Grundlagenforschung, der auch für potenzielle Anwendungen wichtig sein könnte – davon sind wir allerdings noch weit entfernt“, so Schierning. Dreidimensionale topologische Isolatoren könnten zum Beispiel in Quantencomputern zum Einsatz kommen.
U. Bielefeld / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
S. Izadi et al.: Interface-Dominated Topological Transport in Nanograined Bulk Bi2Te3 , Small, online 21. September 2021; DOI: 10.1002/smll.202103281 - AG Schierning, Dünne Schichten und Physik der Nanostrukturen, Fklt. für Physik, Universität Bielefeld
- Inorganic Chemistry (S Schulz), Universität Duisburg-Essen
- Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden