30.05.2022 • BiophysikMedizinphysik

Mit Röntgenstrahlen flüssige chirale Moleküle identifizieren

Bessere Analysen für sicherere Ergebnisse in Biochemie und Pharmazie.

Chirale Moleküle kommen in der Natur häufig vor. Zucker zum Beispiel besteht aus chiralen Molekülen, ebenso wie viele Aminosäuren, auch unser Körper ist aus diesen Bausteinen aufgebaut. Chiralität bedeutet, dass solche Moleküle chemisch in zwei Formen vorkommen, deren geometrische Strukturen sich wie Bild und Spiegelbild verhalten. Sie haben die gleiche Masse und die gleichen Bestandteile, sind aber nicht identisch. Spiegelt man die eine Form, so passt sie genau auf die andere, einfach aufein­ander­gelegt passen die beiden Formen jedoch nicht.

Abb.: Mit links- oder rechts­drehendem Röntgen­licht lassen sich die...
Abb.: Mit links- oder rechts­drehendem Röntgen­licht lassen sich die spiegel­bild­lichen Formen chiraler Mole­küle auch in der flüs­sigen Phase iden­ti­fi­zieren. (Bild: S. Thürmer, U. Kyoto)

Trotz dieser Symmetrie haben sie sehr unter­schied­liche Eigen­schaften. Man nehme zum Beispiel das chirale Molekül Carvon: Eine Form riecht nach Minze, die andere nach Kümmel. Das ist besonders in der Herstellung von Arznei­mitteln wichtig, da immerhin sieben der zehn häufigsten Medikamente chirale Moleküle enthalten. In der Regel hat jedoch nur eine der beiden Formen die gewünschte Wirksamkeit, während die andere nur unnötigen Ballast darstellt und die Wirksamkeit des Medikaments beeinträchtigt. Um effiziente und sichere Arzneimittel herzustellen, ist es wichtig, die richtige Form zu identi­fi­zieren und zu verwenden. Aufgrund ihrer Ähnlichkeit ist es jedoch nicht einfach, die beiden Formen zu unterscheiden.

Für biologische Prozesse ist vor allem die Unterscheidung von chiralen Molekülen in einer wässrigen Umgebung wichtig, weil die Wechsel­wirkung mit der Umgebung die Moleküle auch chemisch verändern kann. Wissenschaftler des Fritz-Haber-Instituts haben nun erstmals einen Weg gefunden, eine besonders detaillierte Unter­scheidung von Molekülen in der Flüssig-Phase mittels Röntgen­strahlung eines Synchrotron-Teilchen­beschleunigers zu ermöglichen. Dafür untersuchten sie flüssiges Fenchon, das in Fenchelöl und vielen anderen ätherischen Ölen vorkommt. Um es analysieren zu können, brachten sie es in die Form eines haarfeinen Strahls und bestrahlten ihn am DESY in Hamburg mit weicher Röntgenstrahlung.

Wenn diese Photonen auf den Flüssig­keits­strahl treffen, werden Elektronen erzeugt. An denen können die Forscher dann messen, welche Form des Moleküls in dem Strahl enthalten ist. Neu an dieser Methode ist die Art der Strahlung. Die passt sich nämlich den Händigkeiten der chiralen Moleküle an. Diese kann man am besten identifizieren, wenn man zirkulare Röntgen­strahlung benutzt, die ebenfalls händig ist. Aus den Flugwinkeln der Elektronen, die sich so bilden, kann man die Händigkeit des Moleküls ableiten.

Diese Methode ist ein wichtiger Schritt für bessere Analysen biologischer und organischer chiraler Moleküle, die in der Zukunft auch für sicherere Ergebnisse in der Biochemie und Pharmazie sorgen können. Nachdem es möglich geworden ist, diese Experimente an Flüssig­keiten durchzuführen, wollen die Forscher als nächsten Schritt Moleküle in der Umgebung untersuchen, in der sie in lebenden Organismen vorkommen, etwa in Wasser.

FHI / RK

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