17.09.2021 • Festkörperphysik

Magnetfeld erzeugt LCD-ähnlichen nematischen Zustand in chiralem Supraleiter

Theorie könnte Experimente mit zweischichtigem Graphen am magischen Winkel erklären.

In konventionellen Supra­leitern sieht die kollektive Wellen­funktion der supra­leitenden Elektronen im Material in allen räum­lichen Richtungen gleich aus. Wie ein Kreis kann sie gedreht werden, ohne ihre Form zu verändern. Im Gegensatz dazu besitzen unkonven­tionelle Supra­leiter einen Ordnungs­parameter, der blüten­artige Ausbuch­tungen haben kann und erst bei einer Drehung um bestimmte Winkel zu sich selbst zurück­kehrt. Solche unkonven­tionellen Ordnungs­parameter können sogar kombiniert werden, um chirale Zustände zu bilden.

Abb.: Der supra­leitenden Ord­nungs­para­meter in einem...
Abb.: Der supra­leitenden Ord­nungs­para­meter in einem un­kon­ven­tio­nellen supra­leitenden Zu­stand, der nur dann zu sich selbst zurück­kehrt, wenn er um ein Viel­faches von 180 Grad ge­dreht wird (links). Rechts die Bloch-Kugel, die ver­schie­dene Zu­stände des supra­lei­ten­den Ord­nungs­para­meters zeigt. Der Süd­pol stellt den links­hän­digen Zu­stand dar, der Nord­pol sein rechts­händiges Spiegel­bild. In einem Magnet­feld wird das System in einen ne­ma­tischen Zu­stand ge­zwungen (roter Pfeil am Äqua­tor; Bild: T. Yu, MPSD

Tao Yu vom für Struktur und Dynamik der Materie und seine Kollegen haben jetzt die Theorie aufgestellt, dass solche spiral­artigen Zustände ihren chiralen Charakter verlieren können und statt­dessen einen nematischen Zustand in einem Magnetfeld annehmen. Im nematischen Zustand, der von Flüssig­kristall­anzeigen bekannt ist, richten sich lange Moleküle so aus, dass sie alle in die gleiche Richtung zeigen. Im Supra­leiter bewirkt dieser nematische Zustand, dass die Elektronen in einer Richtung besser Strom leiten als in der anderen. Das Magnetfeld presst den chiralen Supraleiter so lange zusammen, bis sich dessen Elektronen bevorzugt in dieselbe Richtung bewegen.

Das Interesse der Theoretiker an diesem Problem wurde durch ein Experiment der Gruppe von Pablo Jarillo-Herrero am Massa­chusetts Institute of Technology geweckt. Dort beobachteten die Forscher nematisches Verhalten in verdrehtem zwei­schichtigem Graphen, englisch „twisted bilayer graphene“, kurz TBG, das einem Magnetfeld ausgesetzt wurde. „In dieser Arbeit wurde die Verbindung zwischen dem beobachteten nematischen Verhalten und den zugrunde­liegenden chiralen Zuständen nicht herge­stellt", sagt Dante Kennes von der RWTH Aachen. „Es bleibt abzuwarten, ob unsere Theorie die Nematizität in TBG erklärt, oder ob sie einen anderen Ursprung hat. Dazu sind weitere Experimente nötig. Unsere Theorie gilt aber nicht nur für dieses Material, sondern ist allgemeiner anwendbar."

„Interessanter­weise könnte das Experiment einen indirekten Hinweis auf die chirale Supra­leitung erbracht haben“, hebt Michael Sentef vom MPSD hervor. „Falls das bestätigt würde, wäre es von großer Bedeutung."

MPSD / RK

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