07.09.2023 • Energie

Lithium aus dem Oberrheingraben

Geothermiebohrungen können jahrzehntelang zuverlässig Lithium fördern.

Auf dem Weg zur Klimaneutralität braucht Europa viel Lithium für Batteriespeicher – es produziert bislang aber nur ein Prozent der weltweiten Fördermenge. Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) untersuchen deshalb Möglichkeiten, Lithium aus geothermischen Quellen zu gewinnen. „Theoretisch könnten bestehende Geothermie­kraftwerke im Oberrhein­graben und im Norddeutschen Becken zwischen zwei und zwölf Prozent des jährlichen Lithium­bedarfs in Deutschland decken“, sagt Valentin Goldberg vom Institut für Angewandte Geo­wissenschaften (AGW) des KIT, der dieses Potenzial gemeinsam mit einem Team auf Basis einer umfangreichen Datenanalyse berechnet hat.

 

Abb.: Ausbreitung des Lithium-abgereicherten Thermal­wassers um die...
Abb.: Ausbreitung des Lithium-abgereicherten Thermal­wassers um die Injektions­bohrung entlang der Störungs­zone nach dreißig Jahren (Bild: V. Goldberg, F. Nitschke)

Unklar war bislang allerdings, wie lange eine Förderung möglich ist. Mit einer weiteren Studie geben die Forscher nun einen optimistischen Ausblick: „Nach unseren Erkenntnissen ist ein Abbau mit geringen Umweltkosten über viele Jahre möglich“, so Goldberg. „Das für die Studie entwickelte Modell beschreibt eine mögliche Lithium­förderung im Oberrhein­graben, die Parameter sind aber so gewählt, dass sie sich auch auf andere Kluftsysteme übertragen lassen.“

Die Förderung von Lithium aus Thermalwässern ist keine herkömmliche Form des Bergbaus, weshalb bei der Analyse auch nicht auf die dabei üblichen Methoden zurückgegriffen werden konnte. „Das im Wasser gelöste Lithium kommt in einem weitverzweigten Netzwerk aus Klüften und Hohlräumen im Gestein vor. Es ist aber nur punktuell üdreißigber einzelne Bohrungen zugänglich“, erklärt Fabian Nitschke vom AGW, der ebenfalls an der Forschung beteiligt war. „Die Größe des Reservoirs hängt daher von der Wassermenge ab, die über die Bohrungen hydraulisch erschlossen werden kann.“

Um das Potenzial der Lithiumproduktion zu berechnen, mussten die Forscher berücksichtigen, wie viel Wasser gefördert werden kann, welche Menge an Lithium dieses Wasser enthält und wie viel davon pro Zeiteinheit extrahiert werden kann. „Wir nutzen dafür eine dynamische Transport­modellierung, angelehnt an die Untergrund­verhältnisse des Oberrhein­grabens, bei der wir thermische, hydraulische und chemische Prozesse gekoppelt betrachten. Ähnliche Modelle sind bereits aus der Öl- und Gasindustrie bekannt, wurden aber bisher noch nicht auf Lithium angewendet“, so Nitschke.

Da bei der Geothermie das geförderte Wasser nach der Nutzung über eine zweite Bohrung wieder in den Untergrund zurückgeführt wird, stellte sich die Frage, ob der Lithium­gehalt des Tiefenwassers mit der Zeit abnimmt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Lithium­konzentration in der Förderbohrung im ersten Drittel des Betrachtungszeitraums von dreißig Jahren durch Verdünnung mit dem zurückgeführten Wasser zwischen dreißig und fünfzig Prozent abnimmt. Danach nähert sie sich aber einem konstanten Wert an. „Das ist auf das offene Kluftsystem zurückzuführen, das kontinuierlich frisches Tiefenwasser aus anderen Richtungen nachliefert“, sagt Nitschke. Basierend auf den Modellannahmen scheint eine kontinuierliche Lithium­förderung über Jahrzehnte möglich: „Im Grunde zeigt der Abbau dieser unkonventionellen Ressource einen klassischen Lagerstättenzyklus. Auch bei der Kohlen­wasser­stoff­förderung oder im Erzbergbau ist die Ausbeute am Anfang am höchsten und nimmt dann allmählich ab.“

Für Thomas Kohl vom AGW, der die Forschung als Professor für Geothermie und Reservoir-Technologie am KIT leitet, sind die Forschungs­ergebnisse ein weiteres Argument für einen breiten Ausbau der Geothermie: „Wir wussten bereits, dass die Geothermie uns über Jahrzehnte grundlastfähige, erneuerbare Energie liefern kann. Unsere Studie zeigt nun, dass ein einziges Kraftwerk im Oberrheingraben zusätzlich bis zu drei Prozent des jährlichen deutschen Lithium­bedarfs decken könnte.“

Auch an Lösungen zur praktischen Umsetzung arbeitet seine Forschungsgruppe. So stellte sie jüngst eine Studie in der Fachzeitschrift Desalination vor, in der sie eine unter realen Bedingungen getestete Thermalwasser­vorbehandlung für die Rohstoff­extraktion demonstrierte. „Im nächsten Schritt muss nun die Skalierung der Technologie auf einen industriellen Maßstab erfolgen“, so Kohl.

KIT / DE

 

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