Lithium aus dem Oberrheingraben
Geothermiebohrungen können jahrzehntelang zuverlässig Lithium fördern.
Auf dem Weg zur Klimaneutralität braucht Europa viel Lithium für Batteriespeicher – es produziert bislang aber nur ein Prozent der weltweiten Fördermenge. Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) untersuchen deshalb Möglichkeiten, Lithium aus geothermischen Quellen zu gewinnen. „Theoretisch könnten bestehende Geothermiekraftwerke im Oberrheingraben und im Norddeutschen Becken zwischen zwei und zwölf Prozent des jährlichen Lithiumbedarfs in Deutschland decken“, sagt Valentin Goldberg vom Institut für Angewandte Geowissenschaften (AGW) des KIT, der dieses Potenzial gemeinsam mit einem Team auf Basis einer umfangreichen Datenanalyse berechnet hat.
Unklar war bislang allerdings, wie lange eine Förderung möglich ist. Mit einer weiteren Studie geben die Forscher nun einen optimistischen Ausblick: „Nach unseren Erkenntnissen ist ein Abbau mit geringen Umweltkosten über viele Jahre möglich“, so Goldberg. „Das für die Studie entwickelte Modell beschreibt eine mögliche Lithiumförderung im Oberrheingraben, die Parameter sind aber so gewählt, dass sie sich auch auf andere Kluftsysteme übertragen lassen.“
Die Förderung von Lithium aus Thermalwässern ist keine herkömmliche Form des Bergbaus, weshalb bei der Analyse auch nicht auf die dabei üblichen Methoden zurückgegriffen werden konnte. „Das im Wasser gelöste Lithium kommt in einem weitverzweigten Netzwerk aus Klüften und Hohlräumen im Gestein vor. Es ist aber nur punktuell üdreißigber einzelne Bohrungen zugänglich“, erklärt Fabian Nitschke vom AGW, der ebenfalls an der Forschung beteiligt war. „Die Größe des Reservoirs hängt daher von der Wassermenge ab, die über die Bohrungen hydraulisch erschlossen werden kann.“
Um das Potenzial der Lithiumproduktion zu berechnen, mussten die Forscher berücksichtigen, wie viel Wasser gefördert werden kann, welche Menge an Lithium dieses Wasser enthält und wie viel davon pro Zeiteinheit extrahiert werden kann. „Wir nutzen dafür eine dynamische Transportmodellierung, angelehnt an die Untergrundverhältnisse des Oberrheingrabens, bei der wir thermische, hydraulische und chemische Prozesse gekoppelt betrachten. Ähnliche Modelle sind bereits aus der Öl- und Gasindustrie bekannt, wurden aber bisher noch nicht auf Lithium angewendet“, so Nitschke.
Da bei der Geothermie das geförderte Wasser nach der Nutzung über eine zweite Bohrung wieder in den Untergrund zurückgeführt wird, stellte sich die Frage, ob der Lithiumgehalt des Tiefenwassers mit der Zeit abnimmt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Lithiumkonzentration in der Förderbohrung im ersten Drittel des Betrachtungszeitraums von dreißig Jahren durch Verdünnung mit dem zurückgeführten Wasser zwischen dreißig und fünfzig Prozent abnimmt. Danach nähert sie sich aber einem konstanten Wert an. „Das ist auf das offene Kluftsystem zurückzuführen, das kontinuierlich frisches Tiefenwasser aus anderen Richtungen nachliefert“, sagt Nitschke. Basierend auf den Modellannahmen scheint eine kontinuierliche Lithiumförderung über Jahrzehnte möglich: „Im Grunde zeigt der Abbau dieser unkonventionellen Ressource einen klassischen Lagerstättenzyklus. Auch bei der Kohlenwasserstoffförderung oder im Erzbergbau ist die Ausbeute am Anfang am höchsten und nimmt dann allmählich ab.“
Für Thomas Kohl vom AGW, der die Forschung als Professor für Geothermie und Reservoir-Technologie am KIT leitet, sind die Forschungsergebnisse ein weiteres Argument für einen breiten Ausbau der Geothermie: „Wir wussten bereits, dass die Geothermie uns über Jahrzehnte grundlastfähige, erneuerbare Energie liefern kann. Unsere Studie zeigt nun, dass ein einziges Kraftwerk im Oberrheingraben zusätzlich bis zu drei Prozent des jährlichen deutschen Lithiumbedarfs decken könnte.“
Auch an Lösungen zur praktischen Umsetzung arbeitet seine Forschungsgruppe. So stellte sie jüngst eine Studie in der Fachzeitschrift Desalination vor, in der sie eine unter realen Bedingungen getestete Thermalwasservorbehandlung für die Rohstoffextraktion demonstrierte. „Im nächsten Schritt muss nun die Skalierung der Technologie auf einen industriellen Maßstab erfolgen“, so Kohl.
KIT / DE
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
V. Goldberg et al.: Challenges and Opportunities for Lithium Extraction from Geothermal Systems in Germany – Part 3: The Return of the Extraction Brine, Energies 16, 5899 (2023); DOI: 10.3390/en16165899 - Abteilung für Geothermie und Reservoir-Technologie, Karlsruher Institut für Technologie