Licht aus Seltenerdmolekülen
Kernspinhaltiges Europium-Molekül ermöglicht effektive Photon-Spin-Schnittstelle.
Um Quanten-Rechenoperationen durchführen zu können, müssen die Überlagerungszustände eines Qubit eine gewisse Zeit lang bestehen. Die Quantenforschung spricht von „Kohärenzlebensdauer“. Kernspins in Molekülen ermöglichen Überlagerungszustände mit langen Kohärenzlebensdauern. Denn die Kernspins sind gut von der Umgebung abgeschirmt, sodass sie die Qubits vor störenden äußeren Einflüssen schützen.
„Um praktische Anwendungen zu ermöglichen, müssen wir Quantenzustände speichern, verarbeiten und verteilen können“, erklärt Mario Ruben vom KIT sowie der Uni Straßburg. „Dazu haben wir ein vielversprechendes neuartiges Material identifiziert: ein kernspinhaltiges Europium-Molekül, das zu den Metallen der Seltenen Erden gehört.“ Das in Zusammenarbeit von Forschern am KIT, der Uni Straßburg, Chimie ParisTech und der nationalen französischen Forschungsorganisation CNRS untersuchte Molekül ist so aufgebaut, dass es bei Laseranregung Lumineszenz zeigt, welche die Kernspininformation tragen. Durch gezielte Laserexperimente lässt sich damit eine effektive Licht-Kernspin-Schnittstelle schaffen. Die vorliegende Arbeit zeigt die Adressierung von Kernspinniveaus mithilfe von Photonen, die kohärente Speicherung von Photonen sowie die Ausführung erster Quantenoperationen.
Um nützliche Quantenoperationen durchzuführen, bedarf es vieler Qubits, die miteinander quantenmechanisch verbunden werden. Für diese Verschränkung müssen die Qubits miteinander wechselwirken können. Die Forscher konnten nachweisen, dass sich die Europium-Ionen in den Molekülen über elektrische Streufelder so miteinander koppeln können, dass künftig Verschränkung und damit Quanteninformationsverarbeitung möglich wird. Da die Moleküle atomgenau aufgebaut sind und sich in exakten Kristallen anordnen, lässt sich eine hohe Qubit-Dichte erreichen.
Ein weiterer für praktische Anwendungen entscheidender Aspekt ist die Adressierbarkeit der einzelnen Qubits. Mit optischer Adressierung lässt sich die Auslesegeschwindigkeit steigern, lassen sich störende elektrische Zuführungen vermeiden, und durch Frequenzseparation lässt sich eine Vielzahl von Molekülen individuell adressieren. Die vorliegende Arbeit erreicht gegenüber früheren Arbeiten eine rund tausendfach verbesserte optische Kohärenz in einem molekularen Material. Damit lassen sich Kernspinzustände gezielt optisch manipulieren.
Licht eignet sich auch dazu, Quanteninformation über größere Distanzen zu verteilen, um beispielsweise Quantenrechner miteinander zu verknüpfen oder Informationen abhörsicher zu übertragen. Durch Integration des neuartigen Europium-Moleküls in photonische Strukturen zur Verstärkung der Übergänge könnte das in Zukunft möglich sein.
KIT / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
D. Serrano et al.: Ultra-narrow optical linewidths in rare-earth molecular crystals, Nature 603, 241 (2022); DOI: 10.1038/s41586-021-04316-2 - Molekulare Quantenmaterialien (M. Ruben), Institut für Quantenmaterialien und -technologien, Karlsruher Institut für Technologie