13.03.2015

LHC – Neustart mit (fast) doppelter Energie

Der Large Hadron Collider ist rundum erneuert und nimmt bald seinen Betrieb bei einer Energie von 13 TeV auf.

„Es ist höchste Zeit, die Bruchstelle im Standardmodell zu finden“, sagte CERN-Generaldirektor Rolf-Dieter Heuer auf der Pressekonferenz zum Neustart des Large Hadron Collider (LHC) am 12. März. Dass es eine solche Bruchstelle gibt, scheint sicher. Das Standardmodell ist zwar bestens bestätigt, nicht zuletzt durch den ersten Run des LHC, bei dem 2012 auch das Higgs-Boson entdeckt wurde, aber solange 95 Prozent des Universums im Dunklen liegen, kann es nicht die ganze Wahrheit sein: Nur rund 5 Prozent des Universum bestehen aus „normaler“ baryonischer Materie, rund 25 Prozent entfallen auf die Dunkle Materie und 70 Prozent auf die abstoßende Dunkle Energie, deren Beschaffenheit noch völlig unklar ist.

Nun nähert sich die zweijährige Betriebspause des LHC dem Ende und der Beschleuniger ist fast „eine neue Maschine“, wie Heuer betonte. So wurden in über zehntausend Verbindungen zwischen den supraleitenden Dipolmagneten Nebenwiderstände (Shunts) eingesetzt, über die der Strom im Falle des Verlustes des supraleitenden Zustands der Magnete fließen kann. Damit soll ein Vorfall wie 2008 ausgeschlossen werden, bei dem eine fehlerhafte Schweißnaht zwischen zwei Magneten der Belastung nicht standhielt und einen Heliumtank des Kühlsystems zerstörte. Die Reparaturmaßnahmen machten eine einjährige Betriebspause nötig.

Video-Impressionen von den umfangreichen Vorbereitungen für den Neustart des Large Hadron Collider (Quelle: CERN)

Die Hohlraumresonatoren laufen nun bei höheren Spannungen, um eine Schwerpunktsenergie von 13 TeV zu erreichen, fast doppelt so viel wie beim ersten Run des LHC. Dafür wurden in den vergangenen zwei Jahren auch die Kühl- und Lüftungsanlagen und der Strahlenschutz für die empfindlichen elektronischen Geräte generalüberholt.

Der Beschleuniger wird noch nicht die geplante Maximalenergie von 14 TeV erreichen. Dadurch benötigt die Ertüchtigung der Magneten weniger Zeit, und der LHC kann ein Jahr früher Daten produzieren. Auf die warten alle Teilchenphysikerinnen und -physiker bereits ungeduldig. Doch beim Hochfahren der hochkomplexen „Weltmaschine“ gilt „Safety First“, schließlich wird der Teilchenstrahl des LHC eine Energie haben, die ausreicht, um 500 Kilogramm Kupfer zu schmelzen.

Der LHC soll nicht nur mit deutlich höherer Energie, sondern auch mit größerer Präzision arbeiten, indem er schmalere Teilchenstrahlen und kleinere, aber dafür dichter gepackte Protonen-Pakete produziert. Das bedeutet mehr Wechselwirkungen und Kollisionen, die sich von den großen Experimenten ATLAS, CMS, LHCb und ALICE studieren lassen. Nach den bisherigen Vorarbeiten und ersten Tests der Einzelkomponenten und der Vorbeschleuniger dürfte der LHC in etwa zwei Monaten mit voller Kapazität laufen. Dann soll der eigentliche wissenschaftliche Betrieb starten.

Welche Entdeckungen lassen sich im zweiten Lauf des LHC erwarten? „Das wissen wir nicht“, bekannte der Sprecher des CMS-Experiments Tiziano Camporesi. Klar sei nur, dass sich mit der Energie von 13 TeV Materiezustände erzeugen lassen, die noch nie zuvor beobachtet wurden. „Gleichzeitig können wir Phänomene auf noch kleineren Längenskalen beobachten“, sagte David Charlton, Sprecher der ATLAS-Kollaboration. Das bedeutet nicht nur einen tieferen Blick in die Grundbausteine der Materie, sondern könnte auch Hinweise auf winzige Extradimensionen liefern.

Ein Ziel ist es auf jeden Fall, mit dem LHC die Eigenschaften des Higgs-Teilchens noch genauer zu vermessen und herauszufinden – so Heuer –, ob es ein „Einzelkind“ ist oder zu einer größeren Familie von Higgs-Teilchen gehört. Hoffnungen ruhen auch auf der Entdeckung neuer Teilchen mit größeren Massen, etwa solche, die von supersymmetrischen Theorien vorhergesagt werden. Dies könnte ein Beitrag sein, um das Rätsel der Dunklen Materie zu lösen. Daneben soll der LHC neue Erkenntnisse über die Unterschiede zwischen Materie und Antimaterie und den Eigenschaften des Quark-Gluon-Plasmas liefern.

Ob und wann die Forscher mit dem LHC auf neue Teilchen oder neue Physik jenseits des Standardmodells stoßen werden, ist nicht abzusehen. „Das hängt davon ab, wie nett die Natur zu uns ist“, meinte Rolf-Dieter Heuer. Was er in diesem Fall unter „nett“ versteht, erklärt er auch: „Wenn die Natur erlaubt, dass erstes Licht ins dunkle Universum fällt.“

Alexander Pawlak

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