05.05.2023 • Magnetismus

Laserpulse verdreifachen Übergangstemperatur für Ferromagnetismus in YTiO₃

Terahertzstrahlung synchronisiert die magnetischen Spins in dem Material.

Ein Forschungsteam aus Deutschland und den USA hat erstmals gezeigt, dass Terahertz-Pulse den Ferro­magnetismus in einem Kristall bei Temperaturen stabi­li­sieren können, die mehr als dreimal so hoch sind wie die übliche Übergangs­temperatur. Wie das Team berichtet, wurde mit Hilfe von Pulsen, die nur Hunderte von Femto­sekunden andauerten, ein ferro­magnetischer Zustand bei hoher Temperatur in dem Seltenerd­titanat YTiO₃ erzeugt, der nach der Licht­exposition noch viele Nanosekunden lang anhielt. Unterhalb der Gleich­gewichts-Übergangs­temperatur verstärkten die Laserpulse zudem den bestehenden magnetischen Zustand und erhöhten die Magneti­sierung bis zu ihrem theoretischen Grenzwert.

Abb.: Magnetische Spins in YTiO₃ werden durch Tera­hertz­strahlung...
Abb.: Magnetische Spins in YTiO₃ werden durch Tera­hertz­strahlung syn­chro­ni­siert. Das löst eine stärkere ferro­magne­tische Phase bei höheren Tem­pe­ra­turen aus. (Bild: J. Harms, MPSD)

Die Nutzung von Licht zur Steuerung des Magnetismus in Festkörpern ist eine vielver­sprechende Plattform für zukünftige Technologien. Heutige Computer basieren auf dem Fluss elektrischer Ladung, um Informa­tionen zu verarbeiten. Außerdem verwenden digitale Speicher­geräte magnetische Bits, die durch externe Magnet­felder umgeschaltet werden müssen. Beides begrenzt die Geschwin­dig­keit und die Energie­effizienz dieser Computer­systeme. Die Verwendung von Licht zum optischen Schalten von Speicher- und Rechen­geräten könnte deren Verarbei­tungs­geschwin­dig­keiten und Effizienz revolu­tio­nieren.

YTiO₃ ist ein Übergangs­metall­oxid, das erst unter 27 Kelvin ferro­magnetisch wird. Bei diesen niedrigen Temperaturen richten sich die Spins der Elektronen auf den Titanatomen in eine bestimmte Richtung aus. Diese kollektive Anordnung der Spins verleiht dem Material als Ganzes eine makro­skopische Magneti­sierung und macht es ferro­magnetisch. Im Gegensatz dazu fluktuieren die einzelnen Spins bei Temperaturen über 27 Kelvin ohne kollektive Ordnung, so dass kein Ferro­magne­tismus entsteht.

Mit einer leistungsstarken Terahertz-Lichtquelle, die am MPI für Struktur und Dynamik der Materie in Hamburg entwickelt wurde, gelang es dem Team, Ferro­magnetismus in YTiO₃ bis zu einer Temperatur von fast hundert Kelvin zu erzeugen, also weit oberhalb der normalen Übergangs­temperatur. Der licht­induzierte Zustand blieb für viele Nanosekunden erhalten. Der intensive Lichtpuls rüttelt an den Atomen des Materials, was es den Elektronen ermöglicht, ihre Spins kollektiv auszu­richten.

„Die Frequenzen der Pulse sind so abgestimmt, dass sie bestimmte Schwingungen des YTiO₃-Kristall­gitters – Phononen – anregen“, erklärt Ankit Disa vom MPI für Struktur und Dynamik der Materie. „Wir haben heraus­ge­funden, dass die Anregung eines bestimmten Phonons bei seiner Eigen­frequenz von neun Terahertz eine Veränderung in der kollektiven Ordnung der Spins und der Elektronen­orbitale auslöst, die dann die Tendenz zu einem ferro­magne­tischen Zustand verstärkt. Bei der Anregung von Phononen anderer Frequenzen haben wir ganz andere Ergebnisse beobachtet: Die Anregung eines Phonons mit einer Eigen­frequenz von vier Terahertz schwächt den Ferro­magnetismus, eines mit 17 Terahertz verstärkt ihn – allerdings nicht so stark wie das Phonon bei neun Terahertz.“ Unterhalb der konven­tio­nellen Übergangs­temperatur von 27 Kelvin erhöht die Phononen­anregung bei neun Terahertz die Magneti­sierung um etwa zwanzig Prozent und erreicht damit erstmals das theoretische Maximum.

Die bei den Experimenten verwendete Terahertz-Lichtquelle liefert intensive Pulse und ist in der Lage, einen sehr schmalen Frequenz­bereich im Material anzuregen, was sie zu einem äußerst präzisen Werkzeug macht. Sie wurde bereits in anderen Studien zur licht­ver­stärkten Supraleitung und Magnetismus eingesetzt. Die neue Studie zeigt jedoch zum ersten Mal, dass die Anregung verschiedener Gitter­schwingungen qualitativ unter­schied­liche Effekte produzieren kann.

Diese Ergebnisse vertiefen das Verständnis intensiver und ultraschneller Licht-Materie-Wechsel­wirkungen und sind gleich­zeitig ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur optischen Kontrolle magnetischer Komponenten. „Die Arbeit demonstriert nicht nur das Ein- und Ausschalten von Magnetismus nach Bedarf, sie gibt uns auch einen Vorgeschmack davon, wie Informationen mit ultrahoher Geschwindigkeit gespeichert und verarbeitet werden können“, erklärt Andrea Cavalleri vom MPI für Struktur und Dynamik der Materie. „Über diese Demonstration hinaus unterstreicht unsere Arbeit die Fähigkeit, Ordnung in ungeordneten, fluktu­ierenden Phasen der Materie zu erzeugen, so als ob man Wasser mit Licht einfröre. Die Erzeugung solcher Zustände ist ein lang­jähriges Ziel unserer Gruppe. Im Laufe der Jahre haben wir über eine Reihe anderer Reali­sie­rungen berichtet, die diese Arbeit flankieren – darunter die photo­indu­zierte Hoch­temperatur­supra­leitung und die photo­induzierte Ferro­elek­trizität.“

MPSD / RK

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