Laserblitz erzeugt exotische Ordnung in Quantenmaterial

Flüchtiger Zustand lässt sich weder als eindeutig flüssig noch als eindeutig kristallin beschreiben.

Wasser fließt, Eis ist starr – dieser klare Unterschied zwischen dem flüssigen und festen Zustand von Stoffen ist Teil unserer Alltags­erfahrung. Er folgt aus der sehr regel­mäßigen Anordnung von Atomen und Molekülen in kristal­linen Festkörpern, die beim Schmelzen verloren geht. Weniger eindeutig ist dagegen die Struktur von „flüssigen Kristallen“ – höchst interes­santen Zuständen, die Ordnung und Unordnung so mitein­ander verbinden, dass wichtige Anwendungen wie LCDs möglich sind. Forschern des MPI für multi­diszi­plinäre Natur­wissen­schaften in Göttingen ist es jetzt in Zusammen­arbeit mit Kollegen der Uni Kiel gelungen, in einem kristal­linen Material einen Zustand zu erzeugen, der sich – ähnlich zur Struktur von Flüssig­kristallen – weder als eindeutig flüssig noch als eindeutig kristallin beschreiben lässt.

Abb.: Ein Schicht­kristall auf einem Proben­träger aus Gold. Das...
Abb.: Ein Schicht­kristall auf einem Proben­träger aus Gold. Das unter­suchte Material besteht aus dünnen Schichten aus Tantal- und Schwefel­atomen, die in loser Ver­bin­dung auf­ein­ander­ge­stapelt sind. Der ge­zeigte Bild­aus­schnitt hat eine Größe von etwa 300 mal 200 Quadrat­mikro­metern. (Bild: T. Domröse, MPIMN)

Der untersuchte Schicht­kristall, den das Team von Kai Rossnagel an der Uni Kiel gezüchtet hat, zeichnet sich bei Raum­temperatur durch eine minimale Verzerrung der Kristall­struktur aus. Diese stellt sich aufgrund der besonderen Struktur des Kristalls ein, in der dünne Schichten aus Metall- und Schwefel­atomen aufein­ander­gestapelt und nur schwach mitein­ander verbunden sind. Beschießt man diese mit ultrakurzen Laserblitzen, ändert diese Verzerrung innerhalb einer Billionstel Sekunde ihre Orientierung. Das erhöht abrupt die elektrische Leit­fähig­keit des Materials. Obgleich beide Arten von Verzerrungen über eine geordnete Struktur und die damit verbundenen kristal­linen Eigen­schaften verfügen, lässt sich während des Übergangs ein stark ungeordneter Zustand beobachten.

„Nach der Anregung des Materials mit Licht müssen die Atome in der Kristall­struktur ihre neuen, leicht veränderten Positionen erst noch finden. Das wandelt das Material in einen auf außer­gewöhn­liche Art ungeordneten, hexatischen Zustand um“, erklärt Till Domröse vom MPI für multi­diszi­plinäre Natur­wissen­schaften. „Dieser Zustand wird sonst typischer­weise vor allem in Flüssig­kristallen beobachtet. In unseren Experi­menten ist er jedoch äußerst flüchtig und nach den Bruchteilen einer Nanosekunde bereits wieder verschwunden.“

Ihn sichtbar zu machen, stellte hohe Anforderungen an die verwandte Messtechnik. So benötigt man einerseits eine sehr schnelle zeitliche Auflösung, um einen hinreichend kurzen Schnappschuss aufzunehmen. Andererseits sind die struktu­rellen Änderungen des Materials so subtil, dass sie nur mit einer sehr hohen Empfind­lich­keit auf die atomaren Positionen sichtbar werden. Elektronen­mikroskope bieten grund­sätzlich die nötige räumliche Auflösung, sind aber typischer­weise nicht schnell genug.

In den letzten Jahren hat das Team um Claus Ropers vom MPI für multi­diszi­plinäre Natur­wissen­schaften diese Lücke geschlossen, indem sie ein ultra­schnelles Elektronen­mikroskop entwickelten, das in der Lage ist, selbst unvor­stellbar rasant ablaufende Vorgänge im Nanokosmos abzubilden. „Dieses Mikroskop kam auch bei diesen Experimenten zum Einsatz und ermöglichte es uns, die ungewöhnlich geordnete Phase und ihre zeitliche Entwicklung in einer Bildserie festzuhalten“, erläutert Ropers. „Gleichzeitig haben wir einen neuen hoch­auf­lösenden Beugungs-Modus entwickelt, der für die Unter­suchung vieler anderer funktioneller Nano­strukturen essenziell sein wird.“

MPIMN / RK

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