Krankheiten sicher identifizieren
Molekulare logische Schalter aus Farbstoffmolekülen ermöglichen neuen Ansatz für medizinische Diagnostik.
Molekulare logische Schalter sind chemische Verbindungen, die wie elektronische Schaltungen im Computer funktionieren: Sie verarbeiten Informationen zu einer logischen Antwort. Welche grundlegenden Eigenschaften diese Moleküle besitzen und ob sich mit ihnen in Zukunft Krankheiten diagnostizieren lassen, erforscht ein internationales Wissenschaftler-Team in einem vom Leibniz-Institut für Photonische Technologien (Leibniz-IPHT) in Jena koordinierten Projekt. Die Europäische Union fördert das Vorhaben in den kommenden vier Jahren mit mehr als 3,5 Millionen Euro.
Im Projekt „Logic Lab - Molecular logic lab-on-a-vesicle for intracellular diagnostics“ erforschen Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen, wie sich Farbstoffmoleküle zu neuen logischen Schaltungen zusammensetzen lassen. Sie hoffen mit ihnen Fehlfunktionen von Zellen nachweisen können und so etwa den Beginn von Krankheiten wie Arteriosklerose früher als bisher zu diagnostizieren. Ab April 2019 arbeiten an dem Thema 14 internationale Promovierende an insgesamt neun Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen in Deutschland, Irland, den Niederlanden, Polen und der Slowakei. Ziel des Innovativen Trainingsnetzwerks (ITN) ist es, durch fachlichen Austausch sowie durch intensives wissenschaftliches Training und das Erlernen außerfachlicher Kompetenzen hochqualifizierte Nachwuchsforscher auszubilden.
Molekulare logische Schalter sind meist organische Moleküle, die auf physikalische oder chemische Signale reagieren und daraus eine Antwort generieren, beispielsweise indem sie fluoreszieren. In der medizinischen Diagnostik könnten sie krankheitstypische Substanzen schnell und einfach nachweisen oder mit Hilfe von Licht Tumorzellen gezielt zerstören. Solche molekularen Schalter sind bislang selten und ihre Anwendung in der Medizin ist wenig erforscht. Ein Grund dafür ist, dass sie bisher nur für wenige spezifische Inputs verfügbar sind, etwa für den pH-Wert und die Konzentration von Natrium-Ionen. Die Fragestellungen in der medizinischen Diagnostik sind komplexer und die bekannten Moleküle meist nicht für den Einsatz in biologischen Proben geeignet.
„Unser Ziel ist es, die molekularen logischen Schalter für Anwendungen in biologischer Umgebung und Zellen anzupassen“, erklärt Benjamin Dietzek, der das Projekt „Logic Lab“ am Leibniz-IPHT koordiniert. Dazu wollen die Forscher Liposom-Vesikel nutzen – mit Flüssigkeit gefüllte Bläschen, deren Hülle aus einer Lipid-Doppelschicht besteht. „In die Vesikel integrieren wir mehrere molekulare Schalter für unterschiedliche Inputs. Wir hoffen mit diesem Mini-Labor verschiedene biologische Signal- und Botenstoffe parallel zu erfassen und auszuwerten. Das System wollen wir dann an lebenden Zellen testen“, so Dietzek. Ein Vorteil der Methode ist, dass sich die Mini-Labore wie in einem Baukastensystem für die jeweilige Fragestellung zusammensetzen lassen.
Eine medizinische Anwendung sieht das Forscher-Team in der Diagnose der endothelialen Dysfunktion. Endothelzellen, die die innere Wand unserer Blutgefäße bedecken, regulieren mittels Signal- und Botenstoffen wie Stickstoffmonoxid und Kalziumionen den Blutdruck. Gerät das Gleichgewicht dieser Substanzen langfristig durcheinander, kommt es zu einer Fehlfunktion der Zellen, die vermutlich für den Beginn der chronischen Erkrankung Arteriosklerose verantwortlich ist. Das Mini-Labor soll Abweichungen in der Konzentration der Substanzen in den Zellen nachweisen und so eine frühzeitige Diagnose der endothelialen Dysfunktion ermöglichen. Damit könnten geeignete Therapieverfahren eingeleitet werden, die die Ablagerung von lebensbedrohlichen Plaques in den Blutgefäßen verhindern und letztendlich das Risiko eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls minimieren.
Um die notwendigen Grundlagen für das komplexe Vorhaben zu erforschen, arbeiten im Projekt „Logic Lab“ Expertinnen und Experten aus den Bereichen Spektroskopie, Chemie, Mikrofluidik und experimenteller medizinischer Therapie eng zusammen. „Damit unsere Forschungsergebnisse zukünftig in der medizinischen Forschung angewandt werden können, beziehen wir Nutzer und Technologiefirmen von Anfang mit ein“, erläutert Benjamin Dietzek.
Leibniz-IPHT / DE