Kohlenstoff unter der Quantenlupe
Neues Labor soll Kohlenstoff Quanteneffekte entlocken.
Sichere, leistungsfähige und nachhaltige Quantentechnologien auf Basis von Kohlenstoff – das ist die Vision des Projekts CarboQuant. Mit Unterstützung der Werner-Siemens-Stiftung sowie des Schweizerischen Nationalfonds sind Forscher der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa Quanteneffekten in Kohlenstoff-Nanostrukturen auf der Spur. In einem ersten Meilenstein wurde unlängst ein neues High-Tech-Labor an der Empa eingeweiht.

Erforscht werden im neuen Labor vor allem Nano-Graphene und Kohlenstoff-Nanobänder, wenige Atome große Stückchen des zweidimensionalen Kohlenstoff-Materials Graphen. Diese besonderen Moleküle wurden erst vor wenigen Jahren synthetisiert. Ihre Struktur kann bis auf das Atom genau definiert werden, dadurch lassen sich unterschiedliche Quanteneffekte einstellen. Solche Nano-Graphene wollen die Empa-Forscher nutzen, um neuartige Sensoren, Kommunikationstechnologien oder Komponenten für Quantencomputer herzustellen.
Das Herzstück des CarboQuant-Labors bilden zwei modernste Rastertunnelmikroskope. Mit den neuen Geräten können die Forscher ihre Nano-Graphenmoleküle aber nicht nur sehen, sondern auch deren Quantenzustände steuern. Hochfrequente Mikrowellenstrahlung ermöglicht die Manipulation einzelner Spins – eine Art Quantenmagnetismus, den Elektronen und andere Teilchen besitzen und der sich auch in bestimmten Nano-Graphenen manifestieren kann.
Der Spin gilt als eine besonders vielversprechende physikalische Eigenschaft für Quantenrechner und andere Technologien. Im einfachsten Fall hat er zwei Grundzustände, „Up“ und „Down“ – ähnlich wie ein klassisches Computer-Bit, das 1 oder 0 sein kann. Der wesentliche Unterschied: Quanteneffekte erlauben eine Superposition der beiden Zustände. Diese Vieldeutigkeit ist es, die Quantencomputer und andere quantenbasierte Technologien so mächtig machen soll – wenn es uns gelingt, sie zu verstehen und zu kontrollieren.
Genau das wollen die Empa-Forscher im CarboQuant»-Labor nun tun. Damit bewegen sie sich an der vordersten Front der Wissenschaft. „Die Rastertunnelmikroskopie mit Elektronenspinresonanz wurde erst in den letzten zehn Jahren für die Manipulation von Spins eingesetzt, und das zumeist bei einzelnen Atomen“, sagt Roman Fasel, Co-Leiter von CarboQuant.
Um diese neuartige Technologie erstmals auf Nano-Graphene anzuwenden, konnte das CarboQuant-Team eine der wenigen Expertinnen weltweit gewinnen: Die südkoreanische Forscherin Yujeong Bae übernimmt die Leitung der neuen Empa-Forschungsgruppe für Quantenmagnetismus. „Durch die Kombination von Mikrowellentechnologien mit Rastertunnelmikroskopie können wir jeden Überlagerungszustand von Spins auf kohärente Weise detektieren und steuern. Diese kohärente Steuerung ist ein zentraler Bestandteil der Quantentechnologien. Wir wollen diese Quantenkontrolle nun erstmals an Nano-Graphenen demonstrieren», erklärt die Forscherin.
Die Arbeit mit kohlenstoffbasierten Materialien bringt dabei einen entscheidenden Vorteil. „Wo einzelne Atome nur einen Spin besitzen, ist es mit Nano-Graphenen möglich, mehrere verknüpfte Spins zu erzeugen“, so Bae. Mehrere Spins miteinander wechselwirken zu lassen, ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu funktionierenden Quantentechnologien – schließlich macht ein einzelnes Bit noch keinen Computer.
Noch braucht es dafür die beiden Edelstahl-Konstrukte im Labor mit ihren Ultrahochvakuum-Kammern, starken Magnetfeldern und Helium-Tanks, die sie bis fast auf den absoluten Nullpunkt herunterkühlen. „Langfristig wollen wir quantenbasierte Geräte haben, die außerhalb dieser Hightech-Maschinen vielleicht sogar bei Raumtemperatur funktionieren, etwa für optische Effekte“, sagt Oliver Gröning, Co-Leiter von CarboQuant.
Zunächst gilt es aber, die Quanteneffekte erstmal zu verstehen und kontrollieren zu lernen. Das erste, unmittelbare Ziel des Projekts ist daher eine Materialplattform, eine Art Werkzeugkasten, für die Forschung an kohlenstoffbasierten Quantenmaterialien und ihren Eigenschaften. Mit der Eröffnung des neuen Labors sind die Forschenden diesem Ziel ein gutes Stück nähergekommen.
Empa / RK