14.11.2024

IR-Spektroskopie mit suprafluiden Tröpfchen

Pfiffige Methode zur Analyse von Wasserstoffbrückenbindungen in Schwefelwasserstoff.

Auf den ersten Blick haben der Eiswürfel in Ihrem Getränk und der Geruch von Omas berühmtem Eiersalat nicht viel gemeinsam. Aus chemischer Sicht sind die zugrunde liegenden Moleküle Wasser und Schwefel­wasserstoff jedoch nicht unähnlich. Die Bindung des Wasserstoffs eines Wasser­moleküls an den Sauerstoff eines anderen Wasser­moleküls wurde bereits ausführlich untersucht. Die Frage, ob sich das größere Geschwis­terchen H2S ähnlich verhält, ist jedoch weniger gut verstanden. Physiker und Chemiker des Bochumer Exzellenzclusters „Ruhr Explores Solvation“ (RESOLV) schließen nun diese Lücke.

Abb.: Philipp Meyer und Svenja Jäger analysieren Wasserstoffbrückenbindung...
Abb.: Philipp Meyer und Svenja Jäger analysieren Wasserstoffbrückenbindung von Schwefelwasserstoff im Labor an der Ruhr-Universität Bochum.
Quelle: Y. Kasper

Das Team der Physikalischen Chemie 2 um Martina Havenith ergänzte seine Arbeiten mit theoretischen Studien von Joel Bowman von der Emory University in Atlanta und Ad van der Avoird von der Radboud University in Nijmegen. H2S gilt als eines der einfachsten schwefel­haltigen Moleküle im interstellaren Medium und als wesentlicher Bestandteil verschiedener biologischer Prozesse bei Säugetieren. Es wurde bereits mit mehreren Infrarot­studien untersucht, aber einige Unsicherheiten über das Verhalten von H2S blieben bisher bestehen. Die spektro­skopische Technik, die zur Untersuchung der H2S-Moleküle verwendet wurde, ist unkonventionell. Um das Experiment durchzuführen, wurden einzelne Moleküle in suprafluide Helium­tröpfchen in einer Vakuumkammer eingebettet. 

Durch Variation der Menge an H2S-Gas in der Vakuumkammer konnten Svenja Jäger, Philipp Meyer und Jai Khatri die Anzahl der von den Heliumtröpfchen aufgenommenen Moleküle statistisch kontrollieren und die Bedingungen so optimieren, dass im Durchschnitt immer zwei Moleküle gleichzeitig aufgenommen werden. Die Tröpfchen bestehen aus suprafluidem Helium, welches im Vergleich zu normalen Flüssigkeiten einige einzigartige Eigenschaften hat. Einige dieser besonderen Merkmale sind die sehr hohe Wärme­leitfähigkeit, die die Tröpfchen und ihre eingebetteten Moleküle nahe dem absoluten Nullpunkt hält, die Transparenz über den Spektral­bereich vom UV bis zum fernen Infrarot und die fast nicht vorhandene Wechsel­wirkung der Flüssigkeit mit den eingebetteten Molekülen. 

Diese drei Merkmale sind entscheidend für die Durchführung des Experiments, da sie es den Forschenden ermöglichen, die Wechselwirkung zwischen zwei H2S-Molekülen ohne jegliche Störung durch andere Moleküle oder thermische Energie zu untersuchen. Dies führte zu hochauflösenden IR-Spektren, die nicht nur die Schwingungs­bewegungen des H2S-Moleküls, sondern auch dessen Rotationen und Tunnel­spaltungen zeigten. Tunnel­spaltung beschreibt die Trennung von Energieniveaus aufgrund einer kleinen Energie­barriere zwischen zwei verschiedenen Strukturen desselben Moleküls.

Die experimentellen Ergebnisse wurden durch theoretische Berechnungen ergänzt, die es ermöglichten, die Energie­aufspaltung der Moleküle im Grund- und angeregten Zustand zu beschreiben. Im Vergleich zu Wasser stellten die Forschenden fest, dass die Bindung zwischen H2S-Molekülen im Grundzustand flexibler ist. Bei Anregung eines der Moleküle wird die Wasserstoff­bindung derjenigen in Wasser sehr ähnlich. Darüber hinaus konnten die Forschenden weitere Schwingungs­signale charakterisieren und neu zuordnen, die bereits von anderen Gruppen veröffent­licht wurden.

Damit stellen die Ergebnisse einen empfindlichen Test für modernste Berechnungsmethoden dar. Diese Methoden werden verwendet, um die Wechsel­wirkungen verschiedener Moleküle vorherzusagen. Um sicher­zustellen, dass diese Vorhersagen korrekt sind, müssen sie mit Experimenten verglichen werden. Die Untersuchung der Bindung zwischen kleinen Molekülen wie Wasser und in diesem Fall H2S verbessert das Verständnis der grundlegenden Chemie erheblich und ermöglicht daher die Entwicklung noch präziserer theoretischer Berechnungen sowie das Verständnis komplexerer chemischer Systeme.

RUB / JOL

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