Größe eines exotischen Nickel-Isotops gemessen
Damit lässt sich erstmals der Verlauf des Ladungsradius über einen neutronenarmen doppelt magischen Kern hinweg verfolgen.
Das Isotop Nickel-56 ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert: Es ist ein Spiegelkern, weil er aus genauso vielen Protonen wie Neutronen besteht. Außerdem handelt es sich bei 28 um eine „magische“ Zahl, bei der im Schalenmodell des Atomkerns gerade eine Schale vollständig besetzt ist und der Kern damit eine erhöhte Stabilität besitzt. Solche doppelt magischen Kerne sind kugelförmig und lassen sich nur schwer verformen. Für Nickel-56 trifft dies allerdings nur zum Teil zu. Das Isotop lässt sich beispielsweise leichter verformen als sein ebenfalls doppelt magischer Verwandter, das Isotop Calcium-48, das ebenfalls 28 Neutronen, aber nur 20 Protonen besitzt. Die Güte oder Stärke des Schalenabschlusses bei N=28 ist für Calcium-48 also höher als bei Nickel-56. Eine internationale Forschungskooperation unter Leitung eines Kernphysik-Teams der TU Darmstadt hat den Ladungsradius des Isotops Nickel-56 bestimmt. Damit lässt sich erstmals der Verlauf des Ladungsradius entlang einer Isotopenkette über einen neutronenarmen doppelt magischen Kern hinweg verfolgen. Das Ergebnis war für die Forscher überraschend, liegt aber in guter Übereinstimmung mit den Ergebnissen modernster Kerntheorien.
Erhöht man die Zahl der Neutronen eines Kerns, wächst in den meisten Fällen auch der Ladungsradius – also die mittlere Größe der Verteilung der positiv geladenen Protonen – gleichmäßig an. Erreicht man allerdings eine magische Neutronenzahl, so wächst der Ladungsradius beim weiteren Hinzufügen von Neutronen sehr viel rascher an als zuvor. Diese abrupte Änderung der Steigung äußert sich in einem Knick im Verlauf der Ladungsradien. Das ist für alle herkömmlichen magischen Zahlen – 28, 50, 82, 126 –, bei denen die Ladungsradien bislang gemessen wurden, mit Ausnahme von 20, experimentell belegt.
Allerdings handelt es sich dabei in allen Fällen um Schalenabschlüsse in neutronenreichen Kernen, da diese leichter zu produzieren sind. Durch die Messung der Ladungsradien von Nickel-56 und Nickel-55 sollte jetzt erstmals ein direkter Vergleich eines neutronenreichen und eines neutronenarmen doppelt magischen Isotops erreicht werden, um festzustellen, ob sich die Güte des Schalenabschlusses auch anhand der Ladungsradien bestimmen lässt.
Am National Superconducting Cyclotron Laboratory an der Michigan State University fanden die Forscher exzellente Bedingungen zur Erzeugung und laserspektroskopischen Messung der Ladungsradien dieser Isotope. „Zu unserer Überraschung stellten wir fest, dass der Knick in den Ladungsradien bei Nickel-56 exakt genauso stark ist wie bei Calcium-48,“ erläutert Felix Sommer von der TU Darmstadt.
Theoretische Berechnungen dieser Kerne wurden sowohl mit ab-initio-Theorien – also auf Basis individueller Neutronen und Protonen – durchgeführt als auch mit Dichtefunktionalrechnungen, die auf kontinuierlichen Dichte- und Stromverteilungen der Nukleonen beruhen. In beiden Fällen ergab sich eine exzellente Übereinstimmung mit den experimentellen Daten. Damit weisen die experimentellen und die theoretischen Ergebnisse darauf hin, dass die Steigungsänderung der Ladungsradien am magischen Schalenabschluss nicht unmittelbar als Maß der Güte des Schalenabschlusses herangezogen werden kann.
TU Darmstadt / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
F. Sommer et al., „Charge Radii of 55,56Ni Reveal a Surprisingly Similar Behavior at N=28 in Ca and Ni Isotopes “, Phys. Rev. Lett. 129, 132501 (2022); DOI: 10.1103/PhysRevLett.129.132501 - Experimental Atomic and Nuclear Physics of Radioactive Nuclides (W. Nörtershäuser), Institut für Kernphysik, Technische Universität Darmstadt