15.04.2021 • Oberflächen

Grenzflächeneigenschaften von Seifen untersucht

Mikroroboter simulieren Tensidmoleküle – und zeigen ungewöhnliche Effekte mit breitem Anwendungspotenzial.

Um Schmutz von der Haut zu entfernen, braucht man Seife. Die darin vorhandenen Tensid­moleküle drängen sich an die Grenz­fläche zwischen Schmutz und Haut und helfen, den Schmutz im Wasser zu lösen. Dieses Phänomen konnten Forscher der Unis Düssel­dorf und Erlangen-Nürnberg jetzt mit rotierenden Mikro­robotern beobachten: Links- und rechts­drehende Mikro­roboter trennen sich vonein­ander und bilden zusammen­gehörige Gruppen, die sich durch eine klare Grenze vonein­ander abtrennen – wie bei Wasser und Öl. Verbindet man die Mikro­roboter zu Ketten, lassen sich unter­schied­liche Effekte beobachten: Die Ketten können die Gruppen vermischen und wie Tenside neue Strukturen bilden – so wie bei Seife und Seifen­blasen.

Abb.: Die Miniatur­roboter aus dem 3D-Drucker, die auf einem...
Abb.: Die Miniatur­roboter aus dem 3D-Drucker, die auf einem Vibrations­teller in Drehung versetzt werden können. Der Winkel der Beinchen bestimmt ihre Dreh­richtung. Unten sind zwei unter­schied­lich drehende Roboter verkettet. (Bild: C. Scholz, HHU)

Die Mikroroboter werden im 3D-Drucker hergestellt, sind einen Zentimeter groß und wiegen ein Gramm. Die Neigung ihrer sieben Beine bestimmt die Rotations­richtung. Ein Vibrations­teller regt die Mikro­roboter zur Rotation an, dabei schließen sie sich in gleich­drehende Gruppen zusammen. Zwischen den Gruppen herrscht dann eine Spannung, die eine Vermischung verhindert. Um heraus­zufinden, wie man bei dieser Simulation die Grenz­linie zwischen rechts- und links­drehenden Mikro­robotern auflösen und die Gruppen wieder vermischen kann, haben die Forscher mit unter­schied­lich zusammen­gesetzten Ketten von Mikro­robotern experi­mentiert.

Besteht die Kette aus zwei Strängen unter­schied­lich rotierender Roboter, bewegt sich die Kette aktiv entlang der Grenz­linie zwischen den beiden Gruppen. „Sie surfen also auf der Grenz­fläche rasant hin und her und können so ihren Zweck der Grenz­flächen­spannungs­reduktion viel wirksamer erfüllen”, sagt Christian Scholz von der Uni Düssel­dorf.

Indem die Roboter die Spannung an der Grenz­linie reduzieren, verein­fachen sie die Vermischung der Gruppen. Besteht die Kette nur aus einem Strang mit unter­schied­lich rotierenden Robotern, führt die Rotation der Ketten dazu, dass sich Anfang und Ende inein­ander verhaken und sich die Kette schließt. So entstehen unter bestimmten Bedingungen neue Strukturen, die die Forscher „Rotelle“ nennen. Das Wort Rotelle setzt sich aus rotieren und Mizelle zusammen, heißt auf Latein aber auch Rädchen. „Rotellen sind wie Seifen­blasen, eine Form von Mizellen, die sich zusätz­lich um sich selbst drehen“, so Hartmut Löwen von der Uni Düssel­dorf.

Führt man den Mikroroboter­ketten Energie zu und bringt sie in Bewegung, haben sie also die gleiche Wirkung wie Tenside. Deshalb zählen die Roboter zu den aktiven Tensiden, deren Aktivität und Wirkung man jederzeit beenden kann, indem Energie­zufuhr durch den Vibrations­teller abgestellt wird. Dieses Phänomen konnte auch mit Hilfe umfangreicher Modell­simulationen gezeigt werden. „Die Simulationen erlauben es zum Beispiel, die Länge der Ketten oder das Verhältnis der Ketten zu einzelnen Robotern unabhängig vonein­ander zu variieren, um gezielt nach diesem neuen Zustand zu suchen”, erklärt Thorsten Pöschel von der Uni Erlangen-Nürnberg.

Diese Fähigkeit der Mikroroboter­ketten kann in Zukunft beispiels­weise dabei helfen, ölverseuchte Gewässer zu reinigen, indem die Ketten Öl einschließen, das so leichter abgefischt werden kann. Außerdem wäre die Umwelt­belastung durch klassische Tenside reduzierbar. Allerdings sind diese Anwendungs­gebiete momentan nur hypothetisch. Um Aufgaben im Mikro­meter­bereich zu lösen, müssen die Forscher ihren Aufbau noch weiter miniatu­ri­sieren. Statt ein Zentimeter müssten die Roboter dann zwischen einem und einem Zehntel Mikrometer groß sein. „Mit der Miniatu­ri­sierung verändert sich aller­dings auch die physi­ka­lische Wirkung“, sagt Michael Engel von der Uni Erlangen-Nürnberg. „Solche Unter­schiede bei der Struktur­bildung auf verschiedenen Skalen zu verstehen und aus­zu­nutzen, ist besonders spannend.“

HHU / RK

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