Funkelnder Ring um schwarzes Loch
Orientierung und Feinstruktur des Rings ändert sich mit der Zeit.
Im vergangenen Jahr veröffentlichte die „Event Horizon Telescope“-Kollaboration das erste Bild eines schwarzen Lochs und enthüllte damit das supermassereiche Objekt im Zentrum der Galaxie M87. Das EHT-Team hat jetzt Archivdaten von 2009 bis 2013 analysiert, wobei die Beteiligung des APEX-Teleskops seit 2013 eine wichtige Rolle spielt. Die Auswertung zeigt zum ersten Mal, wie sich das Bild des schwarzen Lochs über mehrere Jahre hinweg entwickelt. Der ringförmige Schatten ist tatsächlich immer vorhanden, verändert jedoch seine Ausrichtung und Helligkeitsverteilung - der Ring um das schwarze Loch scheint zu funkeln.
Das EHT ist ein globaler Zusammenschluss von Radioteleskopen. Zusammengeschaltet bilden sie ein virtuelles Teleskop, dessen Durchmesser dem der Erde entspricht. Bei dieser Very Long Baseline Interferometrie werden die Signale der Einzelantennen gleichsam überlagert. Die Synchronisation geschieht mithilfe von hochpräzisen Atomuhren auf die Nanosekunde genau. In den Jahren vor 2017 wurde M87 von einem kleineren VLBI-Netzwerk beobachtet, das als Vorläufer des EHT den Weg zu nachfolgenden Beobachtungen geebnet hat. Zwischen 2009 und 2012 waren Teleskope in Kalifornien, Arizona, und Hawaii beteiligt. Im Jahr 2013 kam das APEX-Teleskop in Chile dazu. Im Jahr 2017 kamen weitere Antennen hinzu, insbesondere das ALMA-Interferometer in Chile, das IRAM-30m-Teleskop in Spanien und das South Pole Telescope.
„Durch die Teilnahme von APEX und ALMA, beide auf der Südhalbkugel, konnte die Winkelauflösung des EHT dramatisch verbessert werden“, erläutert Alan Roy, VLBI-Projektwissenschaftler für APEX am MPI für Radioastronomie. „So wurde der Weg für eine Bildgebung in höchster Qualität geebnet.”
„Die im April 2019 präsentierten Ergebnisse ergeben das Bild eines schwarzen Lochs mit zwei wesentlichen Elementen: einem Ring, der das um das schwarze Loch wirbelnde Plasma zeigt, und einem dunklen inneren Bereich, in dem wir den Ereignishorizont des schwarzen Lochs vermuten“, sagt Maciek Wielgus von der Harvard University in den USA. Das im Jahr 2019 präsentierte Ergebnis basiert auf Beobachtungen über einen Zeitraum von nur einer Woche im April 2017 – das ist zu kurz, um langfristige Veränderungen zu sehen. Auch nach der sorgfältigen Analyse blieben einige Fragen bezüglich der zeitlichen Stationarität des Rings offen. Deshalb wurden vorhandene ältere Archivdaten nochmals untersucht.
Die Beobachtungen von 2009 bis 2013 basieren auf deutlich weniger Daten als die von 2017. Deshalb ist es schwierig, M87 ohne einige Annahmen zu kartieren. Das EHT-Team verwendete daher geometrisch basierte, ausgefeilte statistische Modellverfahren, um nach zeitlichen Veränderungen im Erscheinungsbild des schwarzen Lochs in den Archivdaten zu suchen.
Die Beobachtungen zwischen 2009 und 2017 zeigen, dass das schwarze Loch weitgehend den Erwartungen entspricht. Der Durchmesser vom Schatten des schwarzen Lochs stimmt mit den Vorhersagen der Allgemeinen Relativitätstheorie für ein schwarzes Loch mit 6,5 Milliarden Sonnenmassen überein. Die Tatsache, dass sich die Morphologie des asymmetrischen Rings über mehrere Jahre nicht ändert, schafft Vertrauen in die Realität des publizierten Rings als Schatten eines schwarzen Lochs sowie in dessen physikalische Interpretation.
Zwischen 2009 und 2017 bleibt der Durchmesser des Schattens also unverändert. Dennoch halten die Daten für das EHT-Team noch eine kleine Überraschung bereit. „Die Orientierung und Feinstruktur des Rings ändert sich ein wenig mit der Zeit. Das erlaubt einen ersten Blick auf den Materiestrom, der auf das schwarze Loch einfällt, sowie auf seine Dynamik nahe des Ereignishorizonts“, sagt Thomas Krichbaum vom MPI für Radioastronomie. „Um zu verstehen, wie genau relativistische Jets im Umfeld eines schwarzen Lochs erzeugt werden, ist es wichtig, diese Region im Detail zu untersuchen. Die genaue Form des Schattens wird es Wissenschaftlern in Zukunft ermöglichen, neue Tests der Allgemeinen Relativitätstheorie zu entwickeln.“
Während das Gas auf das schwarze Loch fällt, wird es auf mehrere Milliarden Kelvin aufgeheizt und ionisiert. Da der magnetisierte Materiestrom turbulent ist, scheint der Ring im Laufe der Zeit zu funkeln, wodurch einige theoretische Modelle der Akkretion hinterfragt werden müssen.
„In den kommenden Jahren möchten wir untersuchen, wie sich die Struktur des schwarzen Lochs mit der Zeit verändert“, sagt Anton Zensus, Direktor am MPI für Radioastronomie und Gründungsvorsitzender des EHT-Kollaborationsgremiums. „Daher analysieren wir gerade die EHT-Daten aus dem Jahr 2018 und bereiten die neuen Beobachtungen für 2021 vor. Dann werden drei weitere Teleskope teilnehmen: das NOEMA-Interferometer in den französischen Alpen, ein Teleskop in Grönland nahe Thule und das Kitt-Peak-Teleskop in Arizona. Unser virtuelles weltumspannendes Teleskop wird also größer und empfindlicher und die bildgebenden Verfahren werden damit genauer. Ich gehe davon aus, dass wir viel Neues über den Schatten des schwarzen Lochs und den inneren Jet der Radiogalaxie M87 lernen werden.“
MPIfR / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
M. Wielgus et al.: Monitoring the Morphology of M87* in 2009-2017 with the Event Horizon Telescope, Astroph. J. 901, 67 (2020); DOI: 10.3847/1538-4357/abac0d - Event Horizon Telescope
- Abt. Radioastronomie / VLBI, Max-Planck-Institut für Radioastronomie, Bonn