Elektron-Loch-Paare überspannen Grenze zwischen Halbleiterflächen
Verhalten von Quasiteilchen in zusammengesetzten Halbleiter-Nanoschichten erklärt.
Die Industrie verwendet bei elektronischen Geräten immer kleinere Bauteile, um mehr und mehr Leistung auf möglichst kleinem Raum unterzubringen. „Dieser Trend kommt mittlerweile an fundamentale physikalische Grenzen der angewandten Materialien“, erklärt Ermin Malic von der Uni Marburg. „Die neue Materialklasse der atomar dünnen Nanoschichten könnte hier die technologische Entwicklung vorantreiben.“ Im Fokus von Malics Forschung steht insbesondere ein spezielles neuartiges Halbleiternanomaterial, nämlich Übergangsmetall-Dichalkogenid-Monolagen, kurz TMD. Dabei handelt es sich um hauchdünne Kristalle, die aus einer einzigen atomaren Schicht bestehen. Sie besitzen eine Reihe von außerordentlichen Eigenschaften, die sie zu vielversprechenden Kandidaten für ultradünne, biegsame und durchsichtige Geräte machen.
In ultradünnen TMDs können elektrische Ladungen erzeugt werden, die als Paare aus je einem Elektron und einem Loch vorliegen, also als Exziton. „Die faszinierende Exziton-Physik wird noch spannender, wenn man die atomar dünnen TMD-Halbleiter stapelt“, erklärt Malic. Halbleitermaterialien, die aus zwei Schichten bestehen. In solchen Heterostrukturen kommt es zu räumlich getrennten Exzitonen, bei denen Elektron und Leerstelle in verschiedenen Schichten liegen und damit räumlich getrennt sind.
Da der Bildung dieser Exzitonen ein Ladungsübergang von einer Schicht zur anderen vorausgeht, heißen sie auch Ladungstransfer-Exzitonen. Im Verhalten dieser Quasiteilchen spiegeln sich die Eigenschaften der Grenzfläche wider. Bislang hat sich die Forschung auf vertikale Heterostrukturen konzentriert, die durch das Aufeinanderstapeln von Einzellagen entstehen. Malics jüngste Studie widmet sich hingegen einlagigen TMD-Halbleiterschichten, die zu größeren Flächen zusammengesetzt sind. Hierzu tat sich die Theoriegruppe um Malic mit experimentellen Arbeitsgruppen anderer Forschungseinrichtungen zusammen.
„Unsere mikroskopische und materialspezifische Theorie offenbart die physikalischen Prozesse, die der Bildung von Ladungstransfer-Exzitonen zugrunde liegen“, berichtet Malic. „Die Analyse zeigt außerdem, wie ihr Verhalten durch geeignete Bedingungen beeinflusst und dadurch für technologische Anwendungen optimiert werden kann.“ Experimentelle Messungen bestätigen die theoretischen Vorhersagen. „Unsere Studie stellt das Verständnis der Eigenschaften dieser technologisch vielversprechenden Materialien auf eine neue Basis“, fasst Malic zusammen.
PU Marburg / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
R. Rosati et al.: Interface engineering of charge-transfer excitons in 2D lateral heterostructures, Nat. Commun. 14, 2438 (2023); DOI: 10.1038/s41467-023-37889-9 - Ultraschnelle Quantendynamik (E. Malic), FB Physik, Philipps-Universität Marburg