09.06.2022 • Thermodynamik

Ein Zusammenhang zwischen Entropieerzeugung und Topologie

Erkenntnisse könnten zu einem besseren Verständnis mikroskopischer Systeme beitragen.

Ein Team des MPI für Dynamik und Selbst­organi­sation hat einen Zusammen­hang zwischen der Erzeugung von Entropie und den topo­lo­gischen Eigen­schaften eines Systems entdeckt. In ihrer Studie unter­suchten die Wissen­schaftler die zufällige Bewegung von Teilchen in Wirbel­strömen. Sie fanden heraus, dass sich die Fluktua­tionen bei der Entropie­erzeugung nur anhand der Anzahl der Windungen um den Wirbel, unabhängig von der Form oder Größe der Bewegungs­bahn charakte­ri­sieren lassen. Diese Erkenntnisse könnten zu einem besseren Verständnis mikro­skopischer Systeme beitragen.

Abb.: Die Fluktua­tionen in der Entro­pie­pro­duk­tion, die mit der...
Abb.: Die Fluktua­tionen in der Entro­pie­pro­duk­tion, die mit der Be­we­gung kleiner Teil­chen in einer Strö­mung in der Nähe eines Wirbels ver­bunden sind, sind topo­lo­gisch ge­schützt: Sie hängen nur von der An­zahl der Win­dun­gen um den Wirbel ab, sind aber un­ab­hän­gig von der Form und Größe ihres Ver­laufes. (Bild: MPI-DS)

Einer der grund­legenden Lehrsätze der Physik ist der zweite Hauptsatz der Thermo­dynamik. Dieser besagt, dass die Entropie in einem System mit der Zeit zunimmt. Bei der mathe­matischen Beschreibung eines solchen Systems bleibt jedoch eine äußerst geringe Wahr­schein­lich­keit, dass die Ordnung aufgrund spontaner Fluktua­tionen in das System zurück­kehrt. Während das in makro­sko­pischen Systemen kaum zu beobachten ist, können solche Fluktua­tionen auf der mikro­sko­pischen Skala eine wichtige Rolle für das Gesamt­ver­halten eines Systems spielen.

In ihrer Studie untersuchten die Wissen­schaftler geschlossene Bahn­verläufe um einen Wirbel. „Wenn ein Teilchen in die Strömung eines Wirbels entlassen wird, folgt es naturgemäß der Strömung“, erklärt Benoît Mahault vom MPI-DS. „Aufgrund der dem Medium inne­wohnenden Fluktua­tionen besteht jedoch auch eine geringe Wahr­schein­lich­keit, dass sich das Teilchen gegen die Strömung bewegt. Insgesamt führen die beiden gegen­läufigen Bewegungen zu einer Netto­bewegung entlang der Strömung, aber statistisch gesehen können beide Kompo­nenten der Bewegung beobachtet werden.“

Bei starken Strömungen spielt die Bewegung gegen die Strömung nur eine geringe Rolle. Daher ist dieses Modell vor allem für sehr kleine Ströme auf mikro­sko­pischer Ebene relevant. Hier herrscht ein höheres Grund­rauschen in den Bewegungs­mustern, beispiels­weise bei mole­kularen Motoren oder Trans­port­mecha­nismen.

Bei der Beobachtung eines Teilchens, das einem Wirbel in einer geschlossenen Schleife folgt, machten die Forscher eine interes­sante Entdeckung: Sie stellten fest, dass die mit seiner Flugbahn verbundene Entropie­änderung unabhängig von der Größe und Form der Schleife ist. Mit anderen Worten: Ein Teilchen, das sich in einem großen oder deformierten Kreis um den Wirbel bewegt, erzeugt die gleiche Menge an Entropie oder Wärme wie ein Teilchen in einem kleinen, geschlossenen Kreis. Die Anzahl der Umdrehungen um den Wirbel ist also der einzige Faktor, der die Fluktua­tionen bestimmt.

In der Mathematik wird dieses Phänomen als topo­lo­gischer Schutz bezeichnet. Es ist bekannt, dass die Topologie sowohl in der Biologie als auch in der Quanten­mechanik eine wichtige Rolle spielt, aber bisher wurde sie noch nie mit stark fluktu­ierenden Systemen in Verbindung gebracht. Grund­sätz­lich gilt: Wenn zwei Formen in eine andere umgewandelt werden können, ohne neue Brüche oder Verbindungen einzu­führen, haben sie die gleiche Topologie.

„Die Verbindung zwischen der makro­sko­pischen topo­lo­gischen Eigen­schaft und den Fluktua­tionen in der Entropie­produktion, die zu einer Quanti­sierung der Wärme führt, ist die Schlüssel­erkenntnis unserer Studie“, betont Ramin Golestanian vom MPI-DS. „Die Aufdeckung dieses funda­mentalen Zusammen­hangs kann wert­volle Erkenntnisse zum Verständnis der Geheimnisse der Nicht-Gleich­gewichts­physik im Mikrokosmos liefern.“

MPI-DS / RK

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