12.12.2024

Ein Thermomix für die Metallproduktion

Gewinnung, Herstellung, Mischung und Verarbeitung von Metallen und Legierungen in einem einzigen, umweltfreundlichen Schritt kombiniert.

Die Produktion von jährlich etwa zwei Milliarden Tonnen Metall ist für zehn Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. Allein um eine Tonne Eisen zu produzieren, werden zwei Tonnen CO2 ausgestoßen. Bei der Produktion von einer Tonne Nickel fallen sogar 14 Tonnen oder mehr CO2 an. Dabei sind Eisen und Nickel für die Luft- und Raumfahrt, den Transport von flüssigem Wasserstoff und für die Energiewende von entscheidender Bedeutung. Aus ihnen entstehen Invarlegierungen, die aufgrund ihrer geringen thermischen Ausdehnung ideal für diese Anwendungsfelder sind.

Abb.: Der „Thermomix“ für die Metallurgie.
Abb.: Der „Thermomix“ für die Metallurgie: In einem einzigen Reaktor werden Eisen- und Nickelerze mit Hilfe von WasserstAbb.: Der „Thermomix“ für die Metallurgie:off zu anwendungsfertigen Legierungen verarbeitet. Das einzige Nebenprodukt ist dabei Wasser.
Quelle: T. You, MPIE

Wie lassen sich solche Legierungen CO2-frei und mit geringem Energieverbrauch herstellen? Dazu haben Wissenschaftler des MPI für nachhaltige Materialien eine radikal neue Strategie entwickelt. In einem einzigen Prozessschritt und Reaktor werden die Metallgewinnung, das Legieren, also das Mischen, und die thermomechanische Verarbeitung integriert, so dass am Ende das fertige Material entsteht. Diese Methode ermöglicht die direkte Umwandlung von Erzen in anwendungsfähige Produkte.

Die konventionelle Legierungsproduktion ist seit mehr als sechstausend Jahren in der Regel ein dreistufiger Prozess: Zuerst wird Sauerstoff aus den Erzen entfernt, um das reine Metall zu erhalten. Dieser Schritt heißt Reduktion: Eisen- oder Nickelerz werden somit zu Metall reduziert. Danach werden mehrere Metalle oder andere Elemente erhitzt und verflüssigt, um sie miteinander zu vermischen, das Legieren. Zum Schluss wird die Legierung thermomechanisch bearbeitet, also geschmiedet, gewalzt, erhitzt, um die gewünschten Eigenschaften zu erzielen. Jeder dieser Schritte ist energieintensiv, vor allem da die Erze und Metalle mehrmals erhitzt, verflüssigt und wieder abgekühlt werden. Zudem wird bisher Kohlenstoff als Energieträger und Reduktionsmittel genutzt, was zu erheblichen CO2-Emissionen führt.
 
 „Der Schlüsselgedanke besteht darin, die Thermodynamik und Kinetik jedes beteiligten Elements zu verstehen und Elemente mit ähnlichem Reduktions- und Mischverhalten bei etwa 700° C zu verwenden“, erklärt Shaolou Wie vom MPI für nachhaltige Materialien. „Bei 700° C können wir den Sauerstoff aus den Erzen entfernen und die so entstehenden Metalle in einem einzigen Schritt legieren, und zwar ohne das Material verflüssigen zu müssen. Dies spart enorme Mengen Energie.“

Im Gegensatz zu herkömmlichen Methoden, bei denen Erze mit Kohlenstoff reduziert werden, verwendet das Team Wasserstoff als Reduktionsmittel. „Die Verwendung von Wasserstoff anstelle von Kohlenstoff bringt vier entscheidende Vorteile mit sich“, erklärt Dierk Raabe vom MPI für nachhaltige Materialien. „Erstens entsteht bei der wasserstoffbasierten Reduktion nur Wasser als Nebenprodukt, und kein CO2. Zweitens werden direkt reine Metalle beziehungsweise- sogar gleich deren fertige Legierungen gewonnen. Man muss also keinen verbliebenen Kohlenstoff aus dem Endprodukt entfernen. Dies spart Zeit und Energie. Drittens führen wir den Prozess bei vergleichsweise niedrigen Temperaturen und in der festen Phase, also nicht in flüssigen Schmelzen, durch und sparen damit erneut Energie. Viertens vermeiden wir das häufige Abkühlen und Wiedererhitzen, das für herkömmliche metallurgische Prozesse charakteristisch ist. Und können auch hier erheblich Energie sparen.“ Insgesamt wird der Energieverbrauch im Vergleich zur konventionellen Metallurgie um bis zu vierzig Prozent gesenkt.
 
 Die mit dieser Methode hergestellten Invar-Legierungen haben dieselbe geringe Wärmeausdehnung wie die konventionell hergestellten Invar-Legierungen und bieten aufgrund der verfeinerten Mikrostruktur, die aus diesem Verfahren resultiert, sogar eine bessere mechanische Festigkeit.

Die Wissenschaftler konnten also zeigen, dass die Herstellung von Invar-Legierungen durch ein schnelles, CO2-freies und energieeffizientes Verfahren vielversprechend ist. Um diese Methode vom jetzigen Labormaßstab zur industriellen Anwendung zu bringen, müssen die Wissenschaftler aber noch drei zentrale Herausforderungen überwinden.
 
 Erstens: In der jetzigen Forschungsarbeit verwendeten die Wissenschaftler reine Oxide. In der Industrie hingegen werden günstigere, verunreinigte Oxide verwendet. Das heißt für das Team, dass den Prozess anpassen muss, um weiterhin dieselbe Qualität der Legierungen zu erhalten. ´

Zweitens: Die Verwendung von reinem Wasserstoff im Reduktionsprozess ist zwar effektiv, aber für industrielle Anwendungen kostspielig. Das Team führt nun Experimente mit niedrigeren Wasserstoffkonzentrationen bei höheren Temperaturen durch, um ein optimales Gleichgewicht zwischen Wasserstoffverbrauch und Energiekosten zu finden und den Prozess für die Industrie wirtschaftlicher zu machen.

Drittens: Für industrielle Zwecke werden sehr fein porige Metalle gebraucht, die mit der neuen Methode nicht direkt, sondern mit einem zusätzlichen Schritt, dem Sintering, hergestellt werden müssten.
 
 Das neue Verfahren ist nicht nur für Invar-Legierungen interessant, sondern für alle Legierungen auf der Basis von Eisen, Nickel, Kupfer oder Kobalt. Im Fokus des Teams stehen jetzt auch komplexe Hoch-Entropie-Legierungen, die aus mehr als fünf verschiedenen Elementen bestehen. Diese werden zum Beispiel in Flugzeugturbinen und Elektromotoren eingesetzt. Eine weitere vielversprechende Richtung könnte die Verwendung von metallurgischen Abfällen, anstatt reiner Oxide, sein.

Da keine hohen Temperaturen und fossilen Brennstoffe mehr erforderlich sind, könnte dieser einstufige, wasserstoffbasierte Prozess den ökologischen Fußabdruck der Legierungsproduktion drastisch reduzieren und den Weg für eine grünere, nachhaltigere Zukunft in der Metallurgie ebnen.

MPIE / RK

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