30.08.2024

Günstiger Wasserstoffspeicher aus Eisen

Pilotanlage für eine effiziente, saisonale Energiespeicherung.

Im Sommer gibt es zu viel Solarstrom und im Winter, wenn die Sonne seltener scheint und Wärmepumpen auf Hochtouren laufen, zu wenig. Die Schweiz will die Winter­stromlücke mit einer Kombination aus Importen, Wind- und Wasserkraft sowie durch alpine Solaranlagen und Gaskraftwerke schließen. Eine Möglichkeit, den Anteil der Importe und von Gaskraft­werken im Winter möglichst klein zu halten, ist die Produktion von Wasserstoff aus günstigem Solarstrom im Sommer, der dann im Winter versromt werden könnte. Um das Gas vom Sommer bis in den Winter zu speichern, sind spezielle Druck­behälter und Kühl­techniken erforderlich. Diese benötigen viel Energie und der Bau der Speicheranlagen ist aufgrund der vielen Sicherheits­vorkehrungen sehr teuer. Zudem sind Wasserstoff­tanks nie ganz dicht, was die Umwelt belastet und zusätzliche Kosten verursacht.

Abb.: Samuel Heiniger mit einem Glas Eisenerz und Wendelin Stark vor den drei...
Abb.: Samuel Heiniger mit einem Glas Eisenerz und Wendelin Stark vor den drei Eisenreaktoren am Campus Hönggerberg der ETH Zürich.
Quelle: ETHZ

ETH-Forschende um Wendelin Stark haben nun eine neue Speicher­technik entwickelt, um Wasserstoff saisonal zu speichern. Diese Art der Speicherung ist viel sicherer und günstiger als bestehende Lösungen. Dazu nutzen die Forschenden eine bekannte Technologie und das vierthäufigste Element der Erde: Eisen. Um Wasserstoff besser speichern zu können, stützen sich Stark und sein Team auf das Eisen-Dampf-Verfahren, das bereits seit dem 19. Jahrhundert bekannt ist. Wenn in den Sommermonaten zu viel Solarstrom vorhanden ist, kann damit Wasser aufgespalten werden, um Wasserstoff zu erzeugen. Dieser Wasserstoff wird dann in einen 400 Grad Celsius heißen Edelstahl­kessel geleitet, der mit natürlichem Eisenerz gefüllt ist. Dort entzieht der Wasserstoff dem Eisenerz – das chemisch nichts anderes ist als Eisenoxid – den Sauerstoff, wodurch elementares Eisen und Wasser entstehen.

„Dieser chemische Prozess gleicht dem Aufladen einer Batterie. So kann die Energie des Wasserstoffs fast verlustfrei über lange Zeit als Eisen und Wasser gespeichert werden“, erklärt Stark. Wird die Energie im Winter wieder benötigt, drehen die Forscher den Prozess um: Sie leiten heißen Wasserdampf in den Kessel, wodurch aus dem Eisen und Wasser wieder Eisenoxid und Wasserstoff entstehen. Der Wasserstoff kann dann in einer Gasturbine oder Brennstoffzelle in Strom oder Wärme umgewandelt werden. Um für den Entlade­vorgang möglichst wenig Energie zu brauchen, wird die Abwärme der Entlade­reaktion genutzt, um den Wasserdampf zu erzeugen. „Der große Vorteil der Technologie ist, dass das Ausgangsmaterial Eisenerz einfach und in großen Mengen zu beschaffen ist. Zudem müssen wir es nicht einmal aufbereiten, bevor wir es in den Kessel geben“, sagt Stark. Die Forschenden gehen zudem davon aus, dass man weltweit große Eisenerz-Speicher bauen könnte, ohne den Weltmarkt­preis von Eisen substanziell zu beeinflussen.

Auch der Kessel, in dem die Reaktion stattfindet, muss keine besonderen Sicherheitsauflagen erfüllen. Er besteht aus nur sechs Millimeter dicken Edel­stahlwänden. Die Reaktion läuft unter normalem Druck ab und die Speicher­kapazität steigt mit jedem Zyklus. Der Kessel mit Eisenoxid kann für beliebig viele Speicher­zyklen wiederverwendet werden, ohne dass man das Eisenoxid austauschen muss. Ein weiterer Vorteil der Techno­logie ist, dass die Forschenden die Speicher­kapazität leicht vergrößern können. Man muss nur größere Kessel bauen und mehr Eisenerz einfüllen. Alle diese Vorteile machen die Speicher­technologie schätzungsweise rund zehn Mal günstiger als bestehende Verfahren.

Die Verwendung von Wasserstoff hat jedoch auch einen Nachteil: Seine Herstellung und Umwandlung sind im Vergleich zu anderen Energieträgern ineffizient, da dabei bis zu sechzig Prozent der Energie verloren geht. Wasserstoff ist daher als Speicher­medium vor allem dann interessant, wenn genügend Wind- oder Solarstrom vorhanden ist und andere Optionen nicht in Frage kommen. Dies ist vor allem bei indus­triellen Verfahren der Fall, die nicht elek­trifiziert werden können. Die technische Machbarkeit der Speicher­technologie haben die Forschenden anhand einer Pilotanlage am Campus Hönggerberg demonstriert. Diese besteht aus drei 1,4 Kubikmeter großen Edelstahl­kesseln, die die Forschenden mit jeweils zwei bis drei Tonnen am Markt erhältlichen, unbehandeltem Eisenerz gefüllt haben.

„Die Pilotanlage kann langfristig rund zehn Megawattstunden Wasserstoff speichern. Je nachdem wie man den Wasserstoff in Strom umwandelt, werden daraus vier bis sechs Megawattstunden Strom“, erklärt Samuel Heiniger, Doktorand in der Forschungs­gruppe von Wendelin Stark. Dies entspricht dem Strombedarf von drei bis fünf Schweizer Einfamilien­häusern in den Wintermonaten. Die Anlage läuft aktuell noch mit Strom aus dem Netz und nicht mit dem auf dem Campus Hönggerberg gewonnenen Solarstrom.

Das soll sich bald ändern: Bis 2026 wollen die Forschenden die Anlage ausbauen und ein Fünftel des Strombedarfs des ETH Campus Hönggerberg im Winter mit eigenem Solarstrom aus dem Sommer decken. Dafür wären Kessel mit einem Volumen von 2.000 Kubikmeter nötig, die rund vier Gigawattstunden grünen Wasserstoff speichern können. Nach seiner Umwandlung in Strom würde der gespeicherte Wasserstoff rund zwei Gigawatt­stunden Strom liefern. „Diese Anlage könnte als saisonaler Energie­speicher einen kleinen alpinen Stausee ersetzen. Zum Vergleich: Dies wäre etwa ein Zentel der Kapazität des Pumpspeicher­kraftwerkes Nate de Drance“, sagt Stark. Zudem würden bei der Entladung zwei Gigawattstunden Wärme anfallen, die die Forschenden in das Heizungssystem des Campus integrieren wollen.

Doch würde die Techno­logie auch für die saisonale Energie­speicherung der gesamten Schweiz funktionieren? Die Forschenden haben dazu erste Berechnungen angestellt: Würde die Schweiz in Zukunft jedes Jahr rund zehn Terawattstunden Strom aus saisonalen Wasserstoff­speichern beziehen, wären dafür etwa 15 bis 20 Terawattstunden grüner Wasserstoff und etwa zehn Millionen Kubikmeter Eisenerz notwendig. „Diese Menge an Eisen entspricht etwa zwei Prozent dessen, was Australien, der größte Produzent von Eisenerz, jedes Jahr abbaut“, sagt Stark.

Würde man Tanks bauen, die je etwa eine Gigawattstunde Strom speichern können, hätten diese ein Volumen von rund 1000 Kubikmetern. Dafür wird Bauland von etwa 100 Quadratmetern benötigt. Von diesen Speicher­tanks müsste die Schweiz rund 10.000 bauen, um im Winter zehn Terawatt­stunden Strom zu beziehen, was etwa einer Fläche von einem Quadratmeter pro Einwohner entspricht.

ETHZ / JOL

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