Die Frühgeschichte von Erde und Mond
Forscher rekonstruieren Geschichte der Bombardierung mit kosmischen Körpern vor vier Milliarden Jahren.
Wie hat sich die Erde von einem glutheißen, mit Lava überzogenen Planeten vor 4,5 Milliarden Jahren zu einer lebensfreundlichen Welt entwickelt? Der Schlüssel hierfür liegt in der Frühgeschichte unseres Planeten, als die Bombardierung mit kosmischen Körpern langsam abebbte. Einem internationalen Forscherteam ist es jetzt gelungen, die Bombardierungsgeschichte von Erde und Mond quantitativ zu rekonstruieren. Die Ergebnisse der Studie erklären, warum der Mond weniger Materie durch das Bombardement angesammelt hat, als die Erde. Der Masseeintrag durch das Bombardement hat vermutlich entscheidend die spätere Entwicklung der Erde geprägt und die Entstehung einer Atmosphäre und von Ozeanen erst möglich gemacht hat.
Die Erde und die erdähnlichen Planeten im inneren Sonnensystem sind durch Kollision von Protoplaneten entstanden. Beim vermutlich letzten dieser gigantischen Kollisionsereignisse ist die Erde mit einem marsgroßen Körper zusammengestoßen. Aus den Trümmern bildete sich schließlich der Erdmond. Wie sich im Anschluss an diese gigantische Kollision die Erde von einem glühenden, vermutlich mit einem über tausend Kilometer dicken Magmaozean überdeckten Körper zu einem lebensfreundlichen Planeten mit flüssigem Wasser an der Oberfläche und einer Atmosphäre und Biosphäre entwickelt hat, ist bisher ungeklärt.
Es wird angenommen, dass dem Zeitraum unmittelbar nach der Entstehung des Mondes vor 4,5 Milliarden Jahren bis etwa vor 3,8 Milliarden Jahre, als die letzten großen Becken auf dem Mond durch große Einschläge von kosmischen Körpern gebildet wurden, eine besondere Bedeutung zukommt. Abkühlung, Kristallisation und Stofftrennung im Erdinneren, vor allem aber das intensive Bombardement durch kosmische Körper, die zusätzliche Materie geliefert haben, machen diese späte Wachstumsphase für die weitere Entwicklungsgeschichte der Erde besonders wichtig.
Da auf der Erde fast keine Relikte in Form von Gesteinen aus diesem Zeitraum überlebt haben, kommt dem Mond eine besondere Bedeutung zu. Er stellt quasi ein Archiv für die Vielzahl von Impaktereignissen dar, die im selben Zeitraum auch auf der Erde stattgefunden haben müssen. Das von den Wissenschaftlern jetzt entwickelte quantitative Modell kann einige wichtige Daten und Beobachtungen der Mondforschung erklären. Die Resultate liefern eine Erklärung, warum der Mond nach seiner Entstehung eine wesentlich geringere Masse von eingeschlagenen Asteroiden in seinem Mantel und seiner Kruste angesammelt hat als die Erde über den gleichen Zeitraum.
Die Forscher haben durch die Simulation von Asteroiden-Einschlägen ermittelt, dass im Falle des Mondes mit seiner relativ geringen Masse ein Großteil des Materials einschlagender Körper nicht im Mond verbleibt, während im Falle der massiveren Erde der überwiegende Anteil des Impaktormaterials von der Erde eingesammelt wird. Weiterhin kann das Modell die Masse des nach der Bildung des Mondes durch Einschläge zugeführten Materials in Mantel und Kruste des Mondes gut erklären. Aus dieser Übereinstimmung ergibt sich, dass die angenommene exponentielle Abnahme der Bombardierungsrate des Mondes nach seiner Entstehung plausibel ist.
Sollte der Mond vor 4,5 Milliarden Jahren entstanden sein, müsste er nach den Resultaten etwa zweihundert Einschläge verzeichnet haben, die zu großen Becken mit einem Durchmesser von mehr als dreihundert Kilometern führen. Tatsächlich sind nur etwa vierzig bis fünfzig solcher Einschlagsbecken vorhanden. Die Wissenschaftler erklären das damit, dass eine weiche und dünne Kruste zu Zeiten des Magmaozeans keine Krater- oder Beckenstrukturen ausbilden konnte und die einschlagenden Körper direkt in den Mondmantel eintauchten.
Museum für Naturkunde / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
M.-H. Zhu et al.: Reconstructing the late-accretion history of the Moon, Nature 571, 226 (2019); DOI: 10.1038/s41586-019-1359-0 - Späte Akkretion auf terrestrischen Planeten (K. Wünnemann), Impakt- und Meteoritenforschung, FB Evolution und Geoprozesse, Museum für Naturkunde – Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung, Berlin