Aufbau monoatomarer Bleischichten enthüllt
Zweidimensionale Schicht Blei mithilfe eines neuartigen Verfahrens synthetisiert.
Ein Forschungsteam um Philip Schädlich von der TU Chemnitz hat erstmals ein Verfahren für die detaillierte strukturelle Analyse synthetisierter zweidimensionaler Bleichschichten an einem eigens hergestellten System entwickelt. Mit dem Ansatz konnten die Wissenschaftler zudem erstmals Proben in einer ausreichenden Qualität herstellen, um die Strukturen umfassend zu beschreiben. Die neuen Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung könnten bei der Entwicklung neuartiger elektronischer Systeme und bei der Entwicklung von Quantenmaterialien für das Quantencomputing relevant werden.
„Unsere Synthese zusammen mit einer akribischen Datenanalyse der verschiedenen Gruppen erzielte nun erstmals dieses umfassende Bild der zweidimensionalen Bleischichten“, sagt Schädlich. Die kontrollierte Kopplung von funktionalisiertem Graphen an 2D-Elektronengasen eröffnet die Möglichkeit, Korrelationseffekte und mesoskopische Phänomene in 2D-Materialien – zum Beispiel Supraleitung, Spin- bzw. Ladungsträgerdichtewellen und neuartige magnetische Phasen – zu untersuchen und zu steuern.
„Die Strukturbildung der 2D-Bleischicht orientiert sich an Motiven, die wir von früheren Experimenten zur Adsorption von Blei auf Siliziumoberflächen kennen“, erläutert Schädlich, der einen Großteil der Experimente koordiniert hat, weiter. Hier führe die Flexibilität der Bleibindungen jedoch zu großer Vielfalt im Phasendiagramm, für das sich die Bezeichnung „Teufelstreppe“ etabliert habe.
Im Unterschied hierzu führt im aktuellen Experiment die Gitterfehlanpassung zwischen dem Substrat und der Bleischicht zu einem Unterangebot an Bleiatomen pro Siliziumatom des Substrats, woraus Verspannungen im Blei und ungesättigte Bindungen an der Substratoberfläche resultieren.
Jetzt wissen die Forscher, warum das so ist. „Es ist ein Trick der Natur. Die Bleischicht bildet Domänen, in denen die Bleiatome lokal in ihren Lieblingsabstand relaxieren und die klein genug sind, damit der Gesamtversatz zwischen Blei- und Substratgitter nicht zu groß wird“, so Schädlich. Hierzu müssen die Zentren benachbarter Domänen leicht gegeneinander verschoben werden, sodass die resultierenden Grenzen der Domänen gerade genug Bleiatome enthalten, um automatisch auch alle ungesättigten Bindungen zu kompensieren.
Die Struktur der Bleischicht hat auch Auswirkungen auf das Graphen. Denn die Auswertung der Daten ergab eine verschwindend geringe Ladungsträgerkonzentration, die etwa tausend Mal geringer ist als im epitaktischen Graphen. Im Gegensatz zu deutlich effizienteren Interkalanten wie Wasserstoff, schafft es die Bleischicht zusätzlich, die spontane Polarisation des Substrats abzuschirmen beziehungsweise zu kompensieren und so für Quasi-Ladungsneutralität zu sorgen.
Zusätzlich konnte mit Hilfe von Rastertunnelmikroskopie bei tiefen Temperaturen von vier Kelvin Fingerprint eines Kekulé-Grundzustands entdeckt werden. Auch hier spielen die Domänengrenzen eine Hauptrolle, da die an ihnen gestreuten Elektronen aufgrund der Ladungsneutralität nur einen begrenzten Phasenraum zur Verfügung haben.
TU Chemnitz / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
P. Schädlich et al.: Domain boundary formation within an intercalated Pb monolayer featuring charge-neutral epitaxial graphene, Adv. Mater. Interfaces, online 23. Juli 2023; DOI: 10.1002/admi.202300471 - Analytik an Festkörperoberflächen, Nanostrukturen und Quantenmaterialien, Institut für Physik, Technische Universität Chemnitz