13.01.2022 • AstronomieAstrophysikKosmologie

Auf der Suche nach einem kosmischen Gravitationswellen-Hintergrund

Weltweites Radioteleskop-Netzwerk verstärkt Signal, das auf Gravitationswellen extrem niedriger Frequenz im Nanohertzbereich hinweisen könnte.

Das International Pulsar Timing Array (IPTA), an dem mehrere Kollaborationen von Astrophysikern aus der ganzen Welt beteiligt sind, präsentiert das Ergebnis seiner Suche nach Gravitations­wellen mit einer neuen Daten­veröffentlichung unter der Bezeichnung „Data Release 2“. Dieser Datensatz besteht aus präzisen Zeitmessdaten von 65 Millisekunden-Pulsaren. Die Gesamtdaten setzen sich zusammen aus der Kombination mehrerer voneinander unabhängiger Datensätze des European Pulsar Timing Array EPTA, des North American Nanohertz Observatory for Gravitational Waves NANOGrav und des Parkes Pulsar Timing Array in Australien PPTA.

Abb.: Künstlerische Dar­stel­lung des IPTA-Experi­ments: Eine...
Abb.: Künstlerische Dar­stel­lung des IPTA-Experi­ments: Eine Grup­pie­rung von Pulsaren, ein­ge­bettet in einen Gravi­ta­tions­wellen­hinter­grund, der von Binär­systemen von super­masse­reichen schwarzen Löchern her­rührt. Die Signale der Pulsare werden von den Gravi­ta­tions­wellen be­ein­flusst und er­mög­lichen die Unter­su­chung des Ur­sprungs des Gravi­ta­tions­wellen­hinter­grunds. (Bild: C. Knox, OzGrav)

Einer der Hauptschwerpunkte des EPTA liegt in der Kombination von Daten. „Das European Pulsar Timing Array ist selbst bereits ein inter­nationales Projekt und wir sind es gewohnt, Daten von bis zu fünf verschiedenen Radioteleskopen zu kombinieren und sogar gleichzeitig zu beobachten. Dieses Fachwissen war bei der Erstellung der aktuellen Daten­veröffentlichung sehr hilfreich“, sagt David Champion vom MPI für Radioastronomie in Bonn. Die große Anzahl von 42 Pulsaren und eine lange Basis von bis zu 18 Jahren für die Zeitreihen­unter­suchungen machen einen Großteil der Beobachtungen im Rahmen der Veröffentlichung aus. Die verwendete Bayesschen Methodik wurde zum überwiegenden Teil von den EPTA-Partnern entwickelt, um damit Obergrenzen für die Stärke des Gravitations­wellen­hintergrunds festzulegen und so die Statistik des entstehenden Signals über die Jahre hinweg verstehen zu können.

Die Suche nach einem Gravitations­wellen­hintergrund beinhaltet auch einen umfassenden Vergleich der einzelnen Datensätze von den regionalen Kollaborationen mit dem kombinierten Gesamt­datensatz. Diese Suche im Rahmen der vorliegenden Veröffentlichung hat deutliche Hinweise auf ein nieder­frequentes Gravitations­wellen­signal ergeben, das bei vielen der Pulsare in den kombinierten Daten entdeckt wurde. Die Eigenschaften dieses Signals, das bei vielen Pulsaren gemeinsam auftritt, stimmen weitgehend mit dem überein, was man von einem Gravitations­wellen­hintergrund erwartet.

Das Hintergrundsignal setzt sich zusammen aus vielen verschiedenen, sich überlagernden Gravitations­wellen­signalen, die von einer kosmischen Population super­masse­reicher binärer schwarzer Löcher ausgesendet werden. Das Ergebnis untermauert das allmähliche Auftauchen ähnlicher Signale, die in den letzten Jahren bereits in den einzelnen Datensätzen der beteiligten Kollaborationen gefunden werden konnten.

„Das ist ein sehr aufregendes Signal! Obwohl wir noch nicht den endgültigen Beweis haben, könnten wir am Anfang davon stehen, einen Hintergrund von Gravitations­wellen in den Daten zu entdecken“, sagt Siyuan Chen, Mitglied der EPTA- und NANOGrav-Kollaborationen und Leiter der DR2-Suche und Veröffentlichung im Rahmen des International Pulsar Timing Arrays. Boris Goncharov vom australischen Parkes Pulsar Timing Array warnt allerdings vor möglicherweise zu weitgehenden Inter­pretationen solcher gemeinsamen Signale: „Wir untersuchen auch alternative Inter­pretationen. Das Signal könnte zum Beispiel vom Rauschen herrühren, das in den Daten einzelner Pulsare vorhanden ist und in unseren Analysen nicht korrekt modelliert wurde.“

Um den Gravitations­wellen­hintergrund als Ursprung des nieder­frequenten Signals identifizieren zu können, muss das IPTA auch räumliche Korrelationen zwischen den Pulsaren nachweisen. Das bedeutet, dass jedes Paar von Pulsaren in einer ganz bestimmten Weise auf die Gravitations­wellen reagieren muss, je nach dem Abstand der beiden Pulsare am Himmel. „Die Korrelation des Signals zwischen Paaren von Pulsaren ist der Schlüssel zum Verständnis der Signalquelle. Gravitations­wellen haben ein sehr spezifisches Muster, das auf andere Weise nur schwer zu erklären ist. Aber wir brauchen ein stärkeres Signal, um diese Korrelation nachweisen zu können“, erklärt Yanjun Guo, Wissenschaftlerin am MPIfR.

Interessanterweise liegt der erste Hinweis auf einen Gravitations­wellen­hintergrund in einem gemeinsamen Signal, wie es in den aktuellen IPTA-Daten zu sehen ist. Ob dieses spektral ähnliche niederfrequente Signal zwischen den Pulsaren in Übereinstimmung mit den theoretischen Vorhersagen für einen Gravitations­wellen­hintergrund steht, wird in Zukunft geklärt werden mit weiteren Datenerhebungen, erweiterten Netzwerken von systematisch vermessenen Pulsaren und fortgesetzter Suche in größeren Datensätzen, die einen längeren Zeitraum umfassen.

Konsistente Signale wie dasjenige, das jetzt mit der IPTA-Analyse gefunden wurde, sind bereits in einzelnen Datensätzen der Unter­netzwerke veröffentlicht worden, die neueren Datums sind als die jetzt veröffentlichen. „Die Tatsache, dass das gleiche Signal bereits in dem nur über einen kürzeren Zeitraum gehenden IPTA-Datensatz zu sehen ist, zeigt die Stärke der internationalen Kombination und stellt eine große Motivation dar, mehr Daten der aktuellen und neuen Mitglieder­kollaborationen in das Pulsar Timing einzubeziehen“, sagt Adytia Parthasarathy vom MPIfR.

Zusätzlich werden neue Daten des MeerKAT-Teleskops in Südafrika und des Indian Pulsar Timing Array InPTA, dem jüngsten Mitglied der IPTA, die zukünftigen Datensätze erweitern. „Der erste Hinweis auf einen Gravitations­wellen­hintergrund wäre so etwas wie das in unseren jetzigen Daten gesehene Signal. Mit mehr Daten in der Zukunft wird das Signal dann signifikanter werden und räumliche Korrelationen aufweisen, so dass wir wissen, dass es sich um das Signal eines Gravitations­wellen­hintergrunds handelt. Wir freuen uns sehr darauf, zum ersten Mal mehrere Jahre neuer Daten zum IPTA beizusteuern, um zu einer möglichen Entdeckung beizutragen“, sagt Bhal Chandra Joshi, Mitglied des Indian Pulsar Timing Arrays.

Kürzlich produzierte das European Pulsar Timing Array einen neuen Datensatz mit sechs Pulsaren, mit dem die Beobachtungszeit auf 24 Jahre mit empfindlicheren Daten erweitert werden konnte. Die Analyse erfolgte sowohl für die Suche nach einem gemeinsamen Signal über zwei unabhängige Daten­analyse­kanäle als auch für eine einzelne Studie zum Rauschen der Pulsare. Es wird weiterhin daran gearbeitet, die Anzahl der Pulsare auf mindestens 25 zu erhöhen. Dieser erweiterte EPTA-Datensatz wird dann auch Teil der nächsten IPTA-Daten­kombination werden.

In Anbetracht der zuletzt veröffentlichten Ergebnisse von den Einzelgruppen, die nun alle das gemeinsame Signal darstellen können, ist das IPTA optimistisch, was erreicht werden kann, wenn diese Daten wiederum in der nächsten Daten­veröffentlichung IPTA DR3 kombiniert werden. Die Arbeiten an dieser neuen Datenveröffentlichung, die aktualisierte Datensätze der vier Pulsar-Timing-Arrays des IPTA enthalten wird, sind bereits im Gange. Es ist davon auszugehen, dass die Analyse für die nächste Daten­freigabe innerhalb weniger Jahre abgeschlossen werden kann. „Wenn das Signal, das wir derzeit sehen, der erste Hinweis auf einen Gravitations­wellen­hintergrund ist, dann ist es auf der Grundlage unserer Simulationen möglich, dass wir in naher Zukunft genauere Messungen der räumlichen Korrelationen erhalten werden, die notwendig sind, um den Ursprung des gemeinsamen Signals eindeutig zu identifizieren“, sagt Maura McLaughlin von der NANOGrav-Kollaboration.

„Das Ganze ist eine echte internationale Teamleistung. Allein die Forschergruppe bei uns am MPIfR besteht aus einer vielfältig zusammen­gesetzten Gruppe von jüngeren und älteren Wissenschaftlern mit ganz unter­schiedlichem kulturellen Hintergrund, die alle am selben Ziel arbeiten“, schließt Michael Kramer, Direktor am MPIfR und Leiter der Forschungs­abteilung „Radio­astronomische Fundamental­physik“.

MPIfR / RK

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