Ein Rückblick mit Ausblick
Mit einem Festakt und einem „Tag der Offenen Tür“ feierte das Institut für Kernphysik der Technischen Universität Darmstadt 60 Jahre Elektronenbeschleunigung.
Kerstin Sonnabend
Elektronen sind – abgesehen von Neutrinos – die leichtesten Elementarteilchen, die wir heute kennen. Beschleunigt auf nahezu Lichtgeschwindigkeit helfen sie zum Beispiel dabei, die Form von Atomkernen zu untersuchen oder deren Anregungen zu beobachten. Solche Experimente finden seit nunmehr 60 Jahren am Elektronen-Linearbeschleuniger an der Technischen Universität Darmstadt statt. Um diesen runden „Geburtstag“ zu feiern, begrüßte Norbert Pietralla, der Geschäftsführende Direktor des Instituts, neben seinem Vorgänger Achim Richter und dem Hessischen Forschungsminister Timon Gremmels auch viele Ehemalige zu einem Festakt. Den anschließenden „Tag der Offenen Tür“ nutzten rund 120 Interessierte für eine Führung an die Anlage.
In seinem Vortrag während des Festakts blickte Norbert Pietralla zurück auf die Geschichte der Elektronenbeschleunigung in Darmstadt – und gab einen Ausblick über aktuelle Forschungsthemen hinaus. Das Institut für Technische Kernphysik an der damaligen Technischen Hochschule sollte ursprünglich mit einem Kernreaktor dafür sorgen, Fachkräfte für die Kern- und Strahlungsphysik auszubilden. Der designierte Institutsdirektor Peter Brix hatte zwei Standorte in der Nähe der Hochschule dafür ausgemacht: nördlich von Darmstadt bei Wixhausen, wo sich heute GSI/FAIR befindet, und beim südhessischen Biblis, wo bis 2011 ein Kernkraftwerk in Betrieb war. 1957 setzte er sich mit der Idee durch, direkt am Hochschulinstitut einen Elektronenbeschleuniger aufzubauen. Kurz nach der Eröffnung des Neubaus gelang es 1964, mit einem Beschleuniger von Varian Associates aus Palo Alto, Kalifornien, Elektronen zu beschleunigen und für erste Experimente zu nutzen.
Am DArmstadt LINear ACcelerator (DALINAC) gelang es unter anderem, besondere Kernanregungen zu entdecken: 1971 die Quadrupol-Riesenresonanz und 1984 die sogenannte Scherenmode. Seit 1974 leitete Achim Richter das Institut. Um höhere Elektronenenergien und -intensitäten zu erzielen, initiierte er den Neubau eines Beschleunigers mit supraleitenden Hohlraumresonatoren aus Niob. Zu einer Zeit, als sich weltweit supraleitende Hochenergie-Elektronenbeschleuniger wie HERA am DESY oder der LEP am CERN in Planung und Aufbau befanden, gelang es in Darmstadt bereits, diese Technik zu nutzen: 1987 ging der Injektor des S-DALINAC in Betrieb, 1991 der Hauptbeschleuniger.
Der Beschleuniger hat nicht nur der Grundlagenforschung gedient, insbesondere zur Kernstrukturphysik, sondern bot auch immer Gelegenheit, neue Technologien der Beschleunigerphysik zu demonstrieren. Neben der Nutzung supraleitender Hohlraumresonatoren gehören dazu auch der erste Betrieb eines Freie-Elektronen-Lasers in Deutschland und als jüngstes Beispiel die Realisierung eines Energy Recovery Linac. Diese Technik bremst bereits beschleunigte Elektronen ab, um die Energie von weiteren zu erhöhen. In der Gesamtbilanz braucht es dadurch weniger eingespeiste Energie.
In seinem Grußwort lobte der Hessische Forschungsminister Timon Gremmels diese ökonomisch und ökologisch sinnvolle Entwicklung für die Beschleunigerphysik. Angesichts der stets weitsichtigen Investitionen und wissenschaftlichen Erfolge sicherte er dem Institut für Kernphysik auch in Zukunft die volle Unterstützung der Landesregierung beim Betrieb des S-DALINAC zu.
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