Was heißt hier noch real?
Claus Beisbart: Was heißt hier noch real?, Reclam, Ditzingen 2024, brosch., 175 S., 18 Euro, ISBN 9783150114728
Claus Beisbart
Meine eindringlichsten Erfahrungen in der Virtual Reality waren der Blick in die Sterne, wie er sich aus den Gaia-Daten ergibt, und eine cartoonartige Fahrt auf einer Achterbahn, bei der ich sehr zusammenzuckte, als der Wagen über eine Klippe ins Meer fiel. Die Frage „Was heißt hier noch real?“, der sich der Wissenschaftsphilosoph Claus Beisbart in seinem Buch stellt, liegt mir daher durchaus nah.
Beisbart, der im Physik Journal zum Thema „Computersimulationen in der Physik“ geschrieben hat (April 2022, S. 35), legt keine theoriegesättigte Untersuchung vor, sondern geht nachvollziehbar von seinen eigenen Erfahrungen in Realität wie Virtualität aus. In nachvollziehbarer Sprache macht er damit exemplarisch vor, was Philosophie als Tätigkeit bedeutet und eröffnet somit die Möglichkeit, nicht nur mit-, sondern auch weiterzudenken. Gleichzeitig macht er immer klar, welche Aspekte er behandeln möchte. Auf dieser Weise hat er das Wesentliche im Blick und verliert sich in seinen Ausführungen nicht in Details.
Startpunkt ist eine Einführung in die technischen Aspekte der virtuellen Realität und ihrer Bezüge zu Computersimulationen. Im Anschluss nimmt er sich die Hypothese vor, nach der wir in einer computergenerierten Welt leben, etwa als „Gehirn im Tank“, wie es der amerikanische Philosoph Hilary Putnam untersucht hat, oder gar in einem gänzlich simulierten Universum, wie es der schwedische Philosoph Nick Bostrom postuliert.
Bei den Fragen, wie real die virtuelle Realität ist, geht Beisbart von den Positionen des australischen Philosophen David Chalmers aus, um eigene Überlegungen zu entwickeln. Hier und im folgenden Kapitel, das nach den ethischen Grenzen des Handelns in der virtuellen Realität fragt, geht es Beisbart nicht darum, endgültige Positionen zu präsentieren, sondern den Lesenden Wege für ein begründetes und abwägendes Denken zu vermitteln.
Das wird besonders deutlich bei der Frage, ob Gewalt in der virtuellen Realität von Computerspielen zwangsläufig zu Gewalt in der Realität führen muss. Spannend ist auch die Diskussion der Energie und Ressourcen, welche die virtuelle Realität verbraucht. Wer Freude an der Virtualität hat, aber den Bezug zur Realität nicht verlieren möchte, dem empfehle ich dieses Buch.
Alexander Pawlak