18.09.2003

Naturwissenschaft und Technik in der DDR

D. Hoffmann u. K. Macrakis (Hrsg.), Akademie Verlag, Berlin 1998. 294 S., geb., ISBN 3050029552

Hoffmann, Macrakis

In dem Sammelband sind Beiträge ost- und westdeutscher sowie amerikanischer Autoren zusammengestellt. Allein das garantiert verschiedenste Blicke auf dieses wichtige Kapitel der DDR-Geschichte. Auf zwei Tagungen wurde versucht, die unterschiedlichen Erfahrungen der Autoren zu diskutieren und „die Aufsätze aufeinander zu beziehen und zu homogenisieren“ (S. 15). Jenes schlägt sich in zahlreichen Querverweisen nieder, dieses ist wohl weniger gelungen.

So zeigt z.B. Macrakis in ihrem Beitrag über die Industriespionage der DDR, daß das Muster für den Megabit-Chip „eine aus dem Westen beschaffte Atrappe war“ (S. 85), während Naumann von einem „Markstein“ bei der „Fertigstellung des ersten Musters der 1-Megabit-Speicherschaltkreise“ (S. 279) spricht. Auch werden die Ursachen für das Scheitern der Wissenschaftspolitik (von Ausnahmen abgesehen, blieb die Wissenschaft in der DDR trotz hoher propagandistischer Vorgaben zweitrangig) unterschiedlich gesehen, siehe z.B. die Beiträge von Förtsch, Laitko und Augustine. Für den Leser ist es reizvoll, die verschiedenen Sichtweisen, die auch aus der Untersuchung der jeweiligen Gegenstände resultieren, kritisch miteinander zu vergleichen.

Die Beiträge des Sammelbandes beschreiben ein weites Gebiet der Wissenschaftspolitik der DDR: „Allgemeine Wissenschafts- und Forschungspolitik“, „Institutionen“ (Akademie, Leopoldina), „Disziplinen“ (z.B. Genetik, Biologie, Computer, Chemie, Kernforschung ) sowie „Personen“ (Havemann, der Psychologe Gottschaldt, Möglich). Eine Auswahlbibliographie beschließt den Band.

Gerade die Fallstudien zu einzelnen Personen und Disziplinen (auch hier spielen Personen, ihre Vorlieben und ihre Konkurrenz untereinander eine nicht zu unterschätzende Rolle) zeigen die Ambivalenz der Geschichte, „daß Wissenschaftler dabei nicht nur als Opfer der jeweiligen Verhältnisse, sondern ihrem Elitestatus entsprechend als bewußt, zuweilen recht selbstbewußt handelnde Subjekte“ (Ash, S. 338) zu verstehen sind.

Insgesamt vermittelt der Sammelband ein sehr facettenreiches, zutreffendes Bild der Entwicklung der Wissenschaft in der DDR vornehmlich in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens. Dies ist damit begründet, daß in dieser Zeit die Strukturen entstanden, die in der Endphase der DDR keinen grundsätzlichen Wandel mehr zuließen. Es wurde „das Prinzip geplanter Forschung“ (Förtsch, S. 23), jedoch weitgehend nach wissensfremden Kriterien, durchgesetzt. Und es gelang, eine neue ostdeutsche Elite zu bilden, die „zu der loyalsten und konformsten im östlichen Mitteleuropa“ (Connelly, S. 103) wurde.

Die Lektüre kann allen an Wissenschaftspolitik in einer Diktatur Interessierten empfohlen werden.

Gunnar Berg,
Halle/Saale

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