Wie sich Elektronen mit Licht einkleiden
Entstehung exotischer energetischer Zustände in einem Kristall beobachtet.
Neue Materialeigenschaften, blitzschnell und nach Wunsch – diese Vision wird durch jüngste Erkenntnisse einer europaweiten Forschungsgruppe genährt. Das Team nutzt ultrakurze und starke Lichtfelder, um direkt zu beobachten, wie in einem Kristall exotische energetische Zustände entstehen, so genannte Floquet-Bänder.
„Die Entdeckung neuer Materialeigenschaften hängt üblicherweise von unserer Fähigkeit ab, die chemische Zusammensetzung des Materials zu kontrollieren“, sagt Ulrich Höfer von der Uni Marburg. „Die rein optische Beeinflussung von Materialeigenschaften hingegen könnte die Physik in eine neue Ära führen, indem sie neue Funktionen nach Bedarf ermöglicht.“
Regt man Elektronen periodisch mit starkem Licht an, so führt dies zu exotischen Quanteneffekten: Die periodischen Störungen durch das starke Lichtfeld bewirken, dass die Elektronen nicht nur einen feststehenden Energiezustand besitzen, sondern viele Energiezustände in gleichmäßigem Abstand. „Der ursprüngliche Energiezustand umgibt sich gewissermaßen mit mehreren Hüllen aus Licht“, erklärt Rupert Huber von der Uni Regensburg. Experten sprechen hierbei von Floquetbändern. „Die dynamischen Eigenschaften solcher Zustände – also zum Beispiel die Frage, wie lange Elektronen brauchen, um sich mit Licht einzukleiden – blieben bislang jedoch unbekannt“, führt Huber aus.
Das Team nutzte die Methode der Photoelektronenspektroskopie, mit der es die Oberfläche eines Kristalls untersuchte. „Wir gingen mit unseren Messungen über die Grenze dessen hinaus, was sich bis dato mit dieser Spektroskopie an Zeitauflösung bei starken Lichtfeldern realisieren ließ“, hebt Suguru Ito von der Uni Marburg hervor. Dadurch gelang dem Team eine unvorhergesehene Entdeckung. „Überraschenderweise bilden sich die Floquetbänder schon nach einem einzigen optischen Zyklus aus, also in sehr kurzer Zeit“, so der Forscher.
„Die Gutachter konnten das zunächst kaum glauben“, erinnert sich Höfer. Doch die eindeutigen experimentellen Resultate werden durch theoretische Modellierungen gestützt, die Michael Schüler vom Paul-Scherrer-Institut in der Schweiz und Michael Sentef vom MPI für Struktur und Dynamik der Materie in Hamburg beisteuerten.
„Unser Experiment eröffnet die Möglichkeit, eine Vielzahl von vorübergehenden Quantenzuständen sichtbar zu machen“, ergänzt Huber „Das ebnet den Weg zu maßgeschneiderten Quantenfunktionen und zu ultraschneller Elektronik.“
PU Marburg / U. Regensburg / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
S. Ito et al.: Build-up and dephasing of Floquet–Bloch bands on subcycle timescales, Nature, online 12. April 2023; DOI: 10.1038/s41586-023-05850-x - Surface & Interface Science, FB Physik, Philipps-Universität Marburg
- Ultraschnelle Quantenphysik und Photonik (R. Huber), Institut für experimentelle und angewandte Physik, Universität Regensburg