27.02.2019 • EnergieGroßgeräte

Wendelstein 7-X: die Sternenmaschine läuft

Wendelstein 7-X ist weltweit größte Fusionsanlage vom Typ Stellarator und soll die Kraftwerkseignung dieser Bauweise untersuchen.

Seit Mitte des 20. Jahrhunderts träumt die Wissenschaft davon, die Verschmelzung leichter Wasserstoffkerne in der Sonne für die irdische Energieproduktion nutzbar zu machen. Das verspricht klimafreundliche Kraftwerke, die mit wenigen Gramm Brennstoff auskommen. Ein Fusionskraftwerk wäre eine kerntechnische Anlage, aber es würde seinen Brennstoff selbst erbrüten und keinen tonnenschweren kerntechnischen Abfall produzieren, der Jahrtausende gelagert werden muss. Anders als bei der heutigen Kerntechnik, die auf Kernspaltung beruht, wären die Risiken und Folgen sehr überschaubar. Und das Verbrennen von Kohle ist langfristig erheblich riskanter für unseren Planeten.

Abb. 1 Die Fusionsanlage Wendelstein 7-X in Greifswald (Foto: IPP, V. Steger).
Abb. 1 Die Fusionsanlage Wendelstein 7-X in Greifswald (Foto: IPP, V. Steger).

Das ist das große Versprechen der Fusionsforschung. Allerdings lässt sich das Verschmelzen leichter Wasserstoff-Atomkerne, wie es in der Sonne abläuft, nicht auf der Erde kopieren, denn dies geschieht bei einem enormen Plasmadruck von etwa zweihundert Milliarden Erdatmosphären. Deshalb wählt man eine alternative Fusionsreaktion, in der die schweren Wasserstoffisotope Deuterium und Tritium zu Helium verschmelzen. Dabei setzt 1 g Brennstoff  90 MWh Energie frei, was der Verbrennungswärme von 11 t Kohle entspricht. Bei der Reaktion in einem zukünftigen Kraftwerk tragen die Heliumkerne etwa 20 Prozent der freiwerdenden Energie und heizen damit das Plasma nach. Die bei der Fusion frei werdenden Neutronen transportieren die übrigen 80 Prozent zur Wand des Plasmagefäßes. Dort wird die Fusionswärme auf ein Kühlmittel übertragen, das Turbinen eines elektrischen Generators antreibt.

Diese alternative Fusionsreaktion erfordert zwar eine Zündtemperatur von 100 Millionen Grad Celsius und Betriebstemperaturen bis zu 300 Millionen Grad im Plasma. Dafür benötigt sie im Betrieb nur wenige Atmosphären Druck. Das elektrisch geladene Plasma lässt sich daher in geeignet geformten Magnetfeldern einschließen. Ein direkter Kontakt mit einer materiellen Gefäßwand verbietet sich bei den hohen Temperaturen. Allerdings ist der Grund weniger eine etwaige Beschädigung der Wand, sondern das ultradünne Plasma würde bei Wandkontakt sofort abkühlen und die Fusionsreaktion stoppen. Ein GAU mit Kernschmelze wie in Fukushima ist ausgeschlossen.

Bei den Plasmaexperimenten, die zur Vorbereitung laufen, haben sich zwei verschiedene Bauweisen durchgesetzt: Tokamak und Stellarator. Der Tokamak funktioniert im Prinzip wie ein großer Transformator, bei dem das ringförmige Plasma eine der beiden Spulen bildet. In seinem Innern muss allerdings ein starker Ringstrom fließen, der es wie ein magnetischer Schlauch zusammenhält. Der starke Ringstrom und der wegen des Transformatorprinzips gepulste Betrieb sind zwei grundsätzliche Nachteile des Tokamaks, an deren Überwindung geforscht wird.

Ein Stellarator hingegen ist als reiner Magnetkäfig für einen Dauerbetrieb geeignet. Allerdings erfordert dies ein sehr komplex geformtes Magnetfeld, was zu einer entsprechend komplexen Spulengeometrie führt. Erst in den frühen 1980er-Jahren gelang es am Im Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Garching, ein „Advanced Stellarator (AS)“-Konzept zu entwickeln, das das heiße Plasma im Prinzip perfekt genug für eine Fusionsreaktion einschließen kann. Das kleine Plasma-Experiment Wendelstein 7-AS bewies grundsätzlich, dass das Konzept funktioniert. Auf dieser Basis baute das IPP in Greifswald das bislang weltgrößte Stellarator-Experimente Wendelstein 7-X auf. Es soll nun – noch ohne Fusionsreaktion  – demonstrieren, dass ein großer Stellarator das heiße Plasma gut genug für ein zukünftiges Fusionskraftwerk einschließen kann.

Drei Messkampagnen in verschiedenen Ausbaustufen absolvierte Wendelstein 7-X bereits erfolgreich. Derzeit wird in die Anlage eine hochkomplexe Wasserkühlung eingebaut, die halbstündige Einschlüsse des bis 100 Millionen Grad heißen Wasserstoffplasmas ermöglichen soll. Isabella Milch vom IPP stellt die bislang sehr erfolgreichen Läufe von Wendelstein 7-X detailliert in Physik in unserer Zeit vor. Den Artikel finden Sie hier zum freien Download.

 

Originalveröffentlichung

I. Milch, Wendelstein 7X im Betrieb, Phys. Unserer Zeit 50(1), 28 (2019). https://doi.org/10.1002/piuz.201901524

 

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