20.05.2021 • Messtechnik

Weltsprache der Maße

Weltmetrologietag erinnert an die große Leistung der Universalsprache bei Messungen.

„Sie haben 102 Grad Körper­temperatur – hohes Fieber!“ „Wie bitte?“ Diesen irritie­renden Dialog können Sie erleben, wenn Sie sich im USA-Urlaub schlecht fühlen und zum Arzt gehen. In den USA wird Temperatur in Fahrenheit gemessen: 102 Grad Fahrenheit entsprechen 38,9 Grad Celsius. Solche Irritationen – oder gar folgen­reiche Miss­ver­ständnisse – bei der Verwendung von Maß­einheiten sind zumindest in der Wissen­schaft sehr selten. Das liegt an einem historischen Ereignis, an das jährlich mit dem Welt­metro­logie­tag am 20. Mai erinnert wird: der Meter­konvention. Dieser Vertrag wurde 1875 von den damals wichtigsten Industrie­nationen unter­zeichnet. Inzwischen sind nahezu alle Staaten der Welt gefolgt. Sie haben sich damit verpflichtet, nur noch metrische Einheiten zu benutzen. Ausnahmen sind bis heute die USA und einige wenige andere Staaten mit ihren angel­sächsischen Einheiten – aber auch nur im Alltag. In der Wissen­schaft sind das metrische System und das Inter­nationale Einheiten­system SI unstrittig die gemeinsame Sprache.

Abb.: Der diesjährige Welt­metro­logie­tag steht unter dem Motto...
Abb.: Der diesjährige Welt­metro­logie­tag steht unter dem Motto „Messungen für die Gesund­heit“. (Bild: BIPM / PTB)

Zum diesjährigen Welt­metro­logie­tag mit dem Motto „Messungen für die Gesundheit“ bietet die Physi­ka­lisch-Technische Bundes­anstalt, als nationales Metrologie­institut Deutschlands die oberste Instanz rund ums Messen, ein vergnügliches Quiz für Lehrer, Schüler und Quiz­begeisterte an. Außerdem haben die Biochemie-Experten der PTB zusammen mit inter­natio­nalen Kollegen einige englisch­sprachige Filme erstellt.

Im Mittelalter war es normal: Wollte etwa ein Tuch­produzent seine Waren im Nachbar-Herzogtum verkaufen, musste er sich mit dem Käufer erstmal darüber einigen, welche Elle denn nun benutzt werden sollt. Der Flicken­teppich der unter­schied­lichsten Einheiten – die sich auch nicht so ohne Weiteres ineinander umrechnen ließen – machte den Handel und damit eine wirt­schaft­liche Entwicklung sehr schwer. Das änderte sich, als nach der Franzö­sischen Revolution die beiden ersten einheit­lichen, metrischen Einheiten ihren Siegeszug antraten: Meter und Kilogramm. Aber richtig inter­national wurden sie erst knapp hundert Jahre später mit der Meter­konvention von 1875. Mit ihr wurde das metrische System, in dem man so praktisch mit Nullen und Zehnen rechnen kann, zu einer univer­sellen Sprache, die seit 1960 das Inter­nationale Einheiten­system SI mit einbezog.

Nur noch selten blitzte danach die Erkenntnis auf, dass all dies eine Errungen­schaft und durchaus nicht selbst­ver­ständlich war. So etwa nach der deutschen Einheit, als Ärzte in Deutschland-West und Deutschland-Ost mit Erstaunen fest­stellen mussten, dass sie in einer Art babylo­nischer Sprach­ver­wirrung gelandet waren:  In beiden Teilen Deutschlands waren sie gewohnt, Konzen­tra­tionen von Stoffen im Blut oder Urin in SI-Einheiten anzugeben. Aber in der DDR hieß die Einheit „Millimol pro Liter“ und in der Bundes­republik „Milligramm pro Deziliter“. Tauschte man sich nun mit einem anderen Arzt oder Labor­mediziner aus, ohne explizit die Einheit mit anzugeben, konnte es zu gefähr­lichen Verwir­rungen kommen. Gewohnheiten sind langlebig, und so beklagte sich noch 2004, immerhin 13 Jahre nach der Wieder­ver­einigung, ein Arzt im Deutschen Ärzte­blatt darüber, dass bei Labor­werten „ohne Umrechnungs­tabelle nichts läuft".

PTB / RK

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