04.01.2019 • EnergieJahresrückblick

Wasserstoff, Akkus und intelligente Stromnetze

Jahresrückblick Energietechnologien 2018.

Langsam, aber dafür stetig steigt der Anteil an Strom aus erneuer­baren Quellen in Deutsch­land. 2018 deckten vor allem Wind- und Solar­anlagen erst­mals mehr als 40 Prozent der öffentlichen Netto­strom­erzeugung (PDF). Laut der Jahres­auswertung des Fraunhofer-Instituts für Solare Energie­systeme ISE in Freiburg ging parallel sowohl die Strom­erzeugung aus Erdgas, als auch aus Stein- und Braun­kohle zurück. Mehr Dynamik zeigte dafür die Entwicklung der Energie­technologien mit Schwer­punkten bei Speichern und der intelligenten Regelung der Strom­netze sowie im Bereich der Photo­voltaik.

Abb.: SmartBlades2-Rotor­blätter werden an der Test­anlage in Colorado...
Abb.: SmartBlades2-Rotor­blätter werden an der Test­anlage in Colorado instal­liert. (Bild: L. J. Fingersh, NREL 54225)

Windkraftanlagen allein produzierten im vergangenen Jahr 111 Tera­watt­stunden Strom und etablierten sich damit als zweit­wichtigste Strom­quelle nach Braun­kohle. In Zukunft sollen die Anlagen dank intelligenter Rotor­blätter noch effizienter werden. Im Rahmen des Verbund­projekts Smart­Blades2 unter­suchten Forscher des Fraun­hofer-Instituts für Wind­energie­systeme das Konzept der Biege­torsions-Kopplung für Rotor­blätter. Bei starkem Wind­druck sollen sich die einwirkenden Kräfte durch Verdrehung der Blätter selbst­ständig reduzieren. Nicht nur hier­zulande, auch in den USA wird die Smart­Blade-Technologie getestet. Für den weiteren Ausbau der Off­shore-Wind­kraft wurden zudem groß­räumig die Wind­felder hinter Offshore-Wind­parks in der Deutschen Bucht vermessen, um den Einfluss störender Turbulenzen zu bestimmen. Parallel nähert sich die dezentrale Wind­strom­erzeugung mit Flug­drachen der Anwendungs­reife. Bis 2020 soll im Rahmen des Forschungs­projekts SkyPower100 eine voll­automatische Flug­wind­kraft­anlage mit einer Nenn­leistung von ein­hundert Kilowatt entwickelt werden. Betreiber von Wind­parks werden für Planung und Betrieb vom europäischen Erd­beobachtungs­satellit Aeolus profitieren, der mit einem Laser-System vertikale Wind­profile erstellen und so zum ersten Mal hoch­genau und zeit­nah Daten zu globalen Wind­feldern in der Atmo­sphäre messen kann.

Für Solarstrom bleibt Silizium weiterhin das dominierende Material für Solar­zellen. Doch die Perowskit-Solar­zellen reifen heran. Eine Perowskit-Silizium-Tandem-Solarzelle – etwa einen Quadrat­zentimter groß – erreichte einen Wirkungs­grad von 25,2 Prozent. Die Zelle wurde gemeinsam vom Helmholtz-Zentrum Berlin HZB, der Universität Oxford und dem Unter­nehmen Oxford PV entwickelt. Jüngst berichtet Oxford PV sogar schon von einer Tandem­zellen mit 28 Prozent Wirkungs­grad. Parallel verbesserten Forscher vom Adolphe-Merkle-Institut im schweizerischen Fribourg und von der École Poly­technique Fédérale de Lausanne die Stabilität der Perowskit-Solar­zellen mit neuen Material­mischungen signifikant. Und selbst Fehl­stellen, die sonst in Solar­zellen möglichst vermieden werden, wirken sich nicht allzu störend auf die effiziente Strom­erzeugung aus.

Abb.: Prototyp einer Perowskit-Solar­zelle, die dank einer neuen...
Abb.: Prototyp einer Perowskit-Solar­zelle, die dank einer neuen Material­mischung eine höhere Stabilität auf­weist als bis­herige Module. (Bild: M. Saliba et al., Adolphe-Merkle-Institut)

m Helmholtz-Zentrum Berlin stehen auch klassische Silizium­zellen im Fokus der Forschung. So konnten die HZB-Forscher mit einer organischen Zusatz­schicht die Strom­ausbeute deutlich erhöhen. Auch raue, nano­strukturierte Ober­flächen sollen helfen, die Wirkungs­grade weiter zu erhöhen. Mit einer Mehr­fach­solar­zelle aus III-V-Halb­leitern und Silizium gelang am Fraun­hofer-Instituts für solare Energie­systeme ISE sogar, 33,3 Prozent des Sonnenlichts in Strom zu wandeln. Ultra­leichte Solar­module entwickelten Forscher vom Fraun­hofer-Center für Silizium-Photo­voltaik CSP in Halle. Dank einer optimierten Fertigung konnte das Modul­gewicht um zwei Drittel reduziert werden. Neue Installations­orte für Solar­zellen könnten mit schalt­baren Glas­scheiben, entwickelt an der University of California in Berkeley, Realität werden. Dank eines thermo­chromen Phasen­wechsels von Perowskit-Schichten empfiehlt sich diese Technologie nicht nur für eine Fenster von Büro­gebäuden, sondern auch für Auto­scheiben und elektronische Anzeige­tafeln.

Mit zunehmender Einspeisung von Wind- und Solar­strom steigen auch die Anforderungen an das Strom­netz, um den Umstieg auf eine komplette Versorgung durch erneuerbare Energien zu gestalten. Die veränderten Last­flüsse werden daher immer detaillierter in aufwändigen Simulationen nach­gestellt. So beschleunigte ein neues Rechner­system am Jülich Super­computing Centre JSC die Simulationen der Last­flüsse im Strom­netz. In der Praxis können in Zukunft optimierte Netz­regler den Strom­fluss messen und bei Bedarf gegen­steuern. Selbst Wetter­bilder können die Stabilität der Strom­netze erhöhen helfen, wie Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raum­fahrt DLR mit Webcams für Kurz­zeit­prognosen für Solar­kraft­werke gezeigt haben. Nicht zuletzt gilt es, die Strom­netze wider­stands­fähiger gegen Cyber-Attacken zu machen. Dieses Ziel verfolgten Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie KIT mit neuen Abwehr-Strategien in Smart-Grids.

Abb.: Für nachhaltige und resiliente Lösungen für die Stromversorgung...
Abb.: Für nachhaltige und resiliente Lösungen für die Stromversorgung spielen Anordnung und Design von Sub-Netzen eine besondere Rolle. (Bild: ewz / KIT)

Neben der zuverlässigen Leitung von Strom spielte 2018 auch die Entwicklung effizienterer Speicher­systeme eine maßgebliche Rolle. Die Eigen­schaften von Lithium-Ionen-Akkus werden stetig mit optimierten Elektroden­materialien verbessert. So stabilisierten europäische Material­forscher mit einer Antimon-Dotierung der Zinn­oxid-Anoden die Lithium-Ionen-Speicher. An der TU München gelang das Befüllen von Lithium-Ionen-Akkus unter Vakuum doppelt so schnell wie unter Normal­druck. Sicherere Akkus für Smart­phones und Elektro­autos halten Forscher der Universität Ulm mit magnesium­basierten Batterien für möglich, die deutlich weniger als Lithium-Ionen-Speicher­systeme zu einer riskanten und zerstörerischen Dendriten­bildung neigen.

Bessere Analysemethoden und Simulationen könnten die Batterie­entwicklung rasch voran­bringen. Der deutsche Kompetenz­cluster FestBatt entschlüsselt dazu die Prozesse im Inneren von Fest­körper­batterien. Auch erste Quanten­computer können für Simulationen eingesetzt werden, um den chemischen Aufbau von Batterie­systemen zu optimieren. Ein Kandidat für Strom­speicher, die leistungs­fähiger als Lithium-Ionen-Akkus sein könnten, ist etwa die Aluminium-Luft-Batterie. In mehreren Arbeiten gelang es, diesen hoch effizienten Stromspeicher sowohl stabiler zu machen als auch von einer reinen Einweg-Batterie zu einem wieder­auflad­baren Akku zu verwandeln.

In Akkus gespeicherter und klima­neutral erzeugter Strom allein wird jedoch nicht ausreichen, um die dringende Kopplung der Energie­sektoren voranzu­bringen. Auch Wasserstoff birgt ein großes Potenzial und ein Ausbau einer Infra­struktur für das Gas wird für die Zukunft der Elektro­mobilität benötigt, wie Wissen­schaftler des Forschungs­zentrums Jülich fest­stellten. Von der Umwandlung in Strom über Brenn­stoff­zellen profitieren nicht nur Autos, Last­wagen und Züge. Auch der See­verkehr könnte über Wasser­stoff klima­neutraler gestaltet werden. Im Rahmen des EU-Projekts „HySeas III“ wird dazu an der weltweit ersten wasser­stoff­betriebenen Hoch­see­fähre gearbeitet. Um Wasser­stoff effizienter über die Elektrolyse zu erzeugen, analysierte ein Team mehrerer deutscher Institute den Umwandlungs­prozess auf atomarer Ebene. Doch mit Sonnen­licht lässt sich Wasser auch direkt in Wasser­stoff und Sauer­stoff spalten. Einen neuen Welt­rekord mit 19 Prozent Wirkungs­grad für diese direkte solare Wasser­spaltung stellten deutsche und amerikanische Forscher mit einer Tandem-Solar­zelle aus III-V-Halbleitern mit Rhodium-Nano­partikeln und kristallinem Titan­dioxid auf. Den Weg in eine Wasser­stoff­wirtschaft ebnen zudem auch Pilot­anlagen wie das vom Zentrum für Sonnen­energie- und Wasser­stoff-Forschung Baden-Württemberg ZSW koordinierte Power-To-Gas-Projekt am Rhein, in dem seit Ende 2018 Wasser­kraft für die Wasser­stoff­produktion genutzt wird.

Abb.: Designentwurf der Wasserstoff-Fähre mit einer Kapazität von 120...
Abb.: Designentwurf der Wasserstoff-Fähre mit einer Kapazität von 120 Passagieren und 18 Fahrzeugen. (Bild: Ferguson Marine)

Ohne Wasserstoff und leistungs­fähige Akkus kommen dagegen winzige Strom­erzeuger für den Betrieb von Sensoren oder medizinischen Implantaten aus. An der amerikanischen North­western University entstand ein flexibles Mini­kraft­werk, das Strom aus Körper­wärme erzeugt und auf der Haut trag­bare Elektronik versorgen soll. Winzige Strom­mengen für Sensoren konnten aus Abwärme auch mit leit­fähigen Polymeren gewonnen werden, die Forscher vom Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahl­technik in Dresden für einen Mikro-Energie­sammler nutzten. Für eine bessere Abwärme­nutzung ließen sich eben­falls in Dresden am Leibniz-Instituts für Fest­körper- und Werk­stoff­forschung thermo­elektrische Bau­elemente dank neuem Produktions­verfahren in Mikro­elektronik integrieren. Geringere Temperatur­unterschiede als thermo­elektrische Kraft­werke benötigen pyro­elektrische Module. An der University of California in Berkeley entwickelten Wissenschaftler einen ersten Prototyp eines pyro­elektrischen Abwärme-Kraft­werks, das eine Leistung­dichte von 526 Watt pro Kubik­zentimeter erreichte. Weiter von einer Anwendung entfernt ist dagegen der flexo-photo­voltaische Effekt, bei dem unter Last Halb­leiter einen zusätzlichen photo­voltaischen Strom­fluss erzeugen.

Immer noch viele Jahre von einer effizienten Strom­erzeugung sind dagegen Fusions­kraft­werke entfernt. Doch auch 2018 machten die Fusions­forscher einige Fortschritte. So zeigten Experimente am Stellarator Wendelstein 7-X in Greifs­wald höhere Werte für die Dichte und den Energie­inhalt des Plasmas sowie lange Entladungs­dauern von bis zu 100 Sekunden. Für den ITER-Tokamak im süd­französischen Cadarache wurde nach einem Jahr­zehnt die erste Phase der Fertigung von Vakuum-Magnet­spulen erfolg­reich abgeschlossen. Für die zukünftige Zündung des ITER-Fusions­plasmas erreichten Forscher am Test­stand ELISE (Extraction from a Large Ion Source Experiment) die geforderte Strom­stärke mit normalem Wasser­stoff. Versuche mit Deuterium folgen. Ob Kern­fusion, Akku oder Elektrolyse – auf allen Feldern konnten 2018 viele, für die Energie­forschung typische kleine Erfolge und Fort­schritte verzeichnet werden.

Jan Oliver Löfken

Weitere Infos

 

 

DE

ContentAd

Kleinste auf dem Markt erhältliche Hochleistungs-Turbopumpe
ANZEIGE

Kleinste auf dem Markt erhältliche Hochleistungs-Turbopumpe

Die HiPace 10 Neo ist ein effizienter, kompakter Allrounder für den Prüfalltag, der geräuscharm und besonders energieeffizient ist.

Weiterbildung

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie
TUM INSTITUTE FOR LIFELONG LEARNING

Weiterbildungen im Bereich Quantentechnologie

Vom eintägigen Überblickskurs bis hin zum Deep Dive in die Technologie: für Fach- & Führungskräfte unterschiedlichster Branchen.

Meist gelesen

Themen