Warum optische Hohlräume chemische Reaktionen verlangsamen
Bedingungen innerhalb des Hohlraums beeinflussen die Schwingungen der Atome.
Wissenschaftler suchen ständig nach besseren Kontrollmöglichkeiten für chemische Reaktionen, beispielsweise um neue Materialien zu entwickeln. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung des MPI für Struktur und Dynamik der Materie hat jetzt eine Erklärung dafür gefunden, warum sich chemische Reaktionen in verspiegelten Hohlräumen, wo Moleküle in eine Wechselwirkung mit Licht gezwungen werden, langsamer abspielen. Die Arbeit ist ein wichtiger Schritt zum Verständnis dieses experimentell beobachteten Prozesses.
Chemische Reaktionen finden auf der Ebene von Atomschwingungen statt. Diese Bewegungen sind schwer zu kontrollieren. Zu den etablierten Methoden gehören die Kontrolle der Temperatur oder die Bereitstellung von Oberflächen und Komplexen in Lösungen aus seltenen Materialien. Solche Techniken gehen das Problem jedoch in einem größeren Maßstab an und können nicht auf bestimmte Teile des Moleküls abzielen. Im Idealfall möchten die Forscher einigen Atomen zum richtigen Zeitpunkt nur eine geringe Energiemenge zuführen, so wie ein Billardspieler nur eine einzige Kugel auf dem Tisch anstößt.
In den vergangenen Jahren wurde deutlich, dass sich Moleküle grundlegend verändern, wenn sie sich in optischen Hohlräume mit gegenüberliegenden Spiegeln befinden. In diesen engen Räumen ist das System gezwungen, mit virtuellem Licht – also Photonen – zu interagieren. Entscheidend ist, dass diese Wechselwirkung die Geschwindigkeit chemischer Reaktionen verändert. Dieser Effekt wurde schon in Experimenten beobachtet, aber der ihm zugrunde liegende Mechanismus blieb bislang ein Rätsel.
Jetzt hat das Team eine mögliche Erklärung gefunden. Mit Hilfe einer fortschrittlichen theoretischen Methode, der Quantum-Electrodynamical Density-Functional Theory QEDFT, haben die Forscher den mikroskopischen Mechanismus aufgedeckt, der die chemische Reaktionsgeschwindigkeit für den speziellen Fall der Reaktion von 1-Phenyl-2-trimethylsilylacetylen reduziert. Ihre Ergebnisse stehen im Einklang mit experimentellen Beobachtungen.
Das Team entdeckte, dass die Bedingungen innerhalb des optischen Hohlraums die Energie beeinflussen, die die Atome um die Einzelbindungen des Moleküls schwingen lässt, welche wiederum für die chemische Reaktion entscheidend sind. Bei einer chemischen Reaktion außerhalb des Hohlraums wird diese Energie normalerweise nur in einer Einzelbindung deponiert, was zum Bruch der Bindung führen kann – ein wichtiger Schritt in der Reaktion. „Wir stellen jedoch fest, dass der Hohlraum einen neuen Pfad für die Energie erzeugt und es weniger wahrscheinlich ist, dass sie nur in eine einzige Bindung geleitet wird“, sagt Christian Schäfer vom MPSD. „Somit sinkt die Wahrscheinlichkeit, eine bestimmte Bindung zu brechen und dies ist der Schlüsselprozess, der die chemische Reaktion hemmt.“
Die Manipulation von Materialien durch den Einsatz von Hohlräumen eignet sich für viele potenziellen Anwendungen. Es wurde zum Beispiel beobachtet, dass die Kopplung an spezifische Schwingungsanregungen einen chemischen Prozess bei Raumtemperatur hemmen, steuern und sogar katalysieren kann. Unsere theoretische Arbeit verbessert das Verständnis der zugrunde liegenden mikroskopischen Mechanismen für den speziellen Fall einer durch das Feld gehemmten Reaktion. Die Forscher weisen zwar darauf hin, dass wichtige Aspekte noch nicht verstanden sind und weitere experimentelle Überprüfungen erforderlich sind, betonen aber auch die besondere Rolle dieser neuen Richtung.
MPSD / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
C. Schäfer et al.: Shining light on the microscopic resonant mechanism responsible for cavity-mediated chemical reactivity, Nat. Commun. 13, 7817 (2022); DOI: 10.1038/s41467-022-35363-6 - Abt. Theorie, Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie, Hamburg