Venusfliegenfalle erzeugt magnetische Felder
Atommagnetometer registriert biomagnetische Signale der fleischfressenden Pflanze.
Vom menschlichen Gehirn wissen wir, dass Spannungsänderungen in bestimmten Regionen von aufeinander abgestimmten elektrischen Aktivitäten stammen, die als Aktionspotenziale durch die Nervenzellen wandern. Mit Techniken wie der Elektroenzephalographie, der Magnetoenzephalographie und der Magnetresonanztomographie können diese Aktivitäten aufgezeichnet und Störungen nichtinvasiv diagnostiziert werden. Wenn Pflanzen stimuliert werden, erzeugen sie ebenfalls elektrische Signale, die analog zum menschlichen und tierischen Nervensystem durch ein zelluläres Netzwerk reisen können.
Die Venusfliegenfalle – Dionaea muscipul – ist eine fleischfressende Pflanze, die ihre Beute mithilfe von Fangblättern umschließt. Bei dem Vorgang lösen elektrische Signale – eben die Aktionspotenziale – den Verschluss der Blatthälften aus. Jetzt hat ein interdisziplinäres Forschungsteam demonstriert, dass elektrische Aktivität in der Venusfliegenfalle auch mit magnetischen Signalen verbunden ist. „Damit konnten wir zeigen, dass Aktionspotenziale in einem vielzelligen Pflanzensystem messbare magnetische Felder produzieren, was bislang nicht bestätigt worden war“, so Anne Fabricant von der Uni Mainz.
Die Falle von Dionaea muscipula besteht aus einem zweiteiligen Fangblatt mit empfindlichen Haaren, die bei Berührung ein Aktionspotenzial in der ganzen Falle auslösen. Nach zwei aufeinanderfolgenden Stimulationen schließt die Falle und das mögliche Beuteinsekt wird für die anschließende Verdauung eingesperrt. Interessanterweise ist die Falle auf unterschiedliche Art elektrisch erregbar: Nicht nur mechanische Einwirkung wie Berührung oder Verletzung, sondern auch Osmose, etwa Salzwasser, und thermische Energie wie Hitze oder Kälte können ständig Aktionspotenziale auslösen. In seinen magnetischen Messungen hat das Forscherteam für diese Studie Wärmestimulation benutzt, um damit beispielsweise unerwünschte mechanische Geräusche zu vermeiden.
Während Biomagnetismus in Menschen und Tieren relativ gut erforscht ist, war bislang wenig entsprechende Forschungsarbeit im Pflanzenreich erfolgt — und das nur mit SQUID-Magnetometern, ausgesprochen großen Geräten, die auf sehr tiefe Temperaturen gekühlt sind. Um die magnetischen Signale der Venusfliegenfallen zu messen, hat das Forschungsteam Atommagnetometer verwendet. Als Sensor dient eine Glaszelle, gefüllt mit gasförmigen Alkaliatomen, die kleine Änderungen in der lokalen Magnetfeldumgebung aufspüren. Diese optisch gepumpten Magnetometer sind für biologischen Anwendungen attraktiv, weil sie keine kryogenen Temperaturen erfordern und außerdem miniaturisiert werden können.
Die Studie zur Venusfliegenfalle ermittelte magnetische Signale mit einer Amplitude bis zu 0,5 Pikotesla — millionenfach schwächer als das Magnetfeld der Erde. „Der Signalwert, den wir erhalten haben, ist ungefähr so groß wie die Stärke, die man bei Oberflächenmessungen von Nervenimpulsen bei Tieren beobachtet“, so Fabricant. Die Wissenschaftler zielen darauf ab, noch kleinere Signale von anderen Pflanzenarten zu messen. In der Zukunft könnte man solche nichtinvasiven Technologien vielleicht dazu nutzen, um den Zustand von Kulturpflanzen in der Landwirtschaft zu diagnostizieren, indem man die elektromagnetische Reaktion auf Stress durch plötzliche Temperaturänderungen, Schädlinge oder chemische Einflüsse erfasst, ohne die Pflanzen mit Elektroden zu beschädigen.
JGU / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
A. Fabricant et al., Action potentials induce biomagnetic fields in carnivorous Venus flytrap plants, Sci. Rep. 11, 1438 (2021), DOI: 10.1038/s41598-021-81114-w - Budger AG, Helmholtz-Institut Mainz, Johannes Gutenberg-Universität Mainz & GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung, Darmstadt