Vakuum und Plasma in Life Science
CCIT aus Aßlar, CSI in Frankfurt, CVD in Shenzhen ... und ein Jubiläum in Greifswald
Auch die Lebenswissenschaften haben ihr Plasma, und das ist – nicht zuletzt, weil es durch unsere Adern fließt – eindeutig bekannter als „unser Plasma“. Dem gab Irving Langmuir 1928 den Namen [1], der damit auch auf das griechische πλάσμα für das Gebildete oder Geformte zurückgeht. Sein Kollege Harold M. Mott-Smith eröffnete 1971 in einem Brief an Nature Einblicke in die Namensfindung, die tatsächlich auf den biologischen Namensvetter zurückgeht. Langmuir sah in dem – zunächst mit dem Arbeitstitel „einheitliche Entladung“ versehenen – Phänomen, wie der „Gleichgewichtsanteil der Entladung als eine Art Substrat fungiert, das Teilchen besonderer Art [...] trägt. Dies erinnerte ihn an die Art und Weise, wie das Blutplasma rote und weiße Blutkörperchen und Keime mit sich führt.“ [2] Mott-Smith merkte auch an, dass die Verwechslungen vorprogrammiert waren, nachdem man sich auf den Namen geeinigt hatte – was auch heutzutage vielen von uns vertraut sein wird.
Physikalische Plasmen haben längst Einzug in die Lebenswissenschaften gefunden und auch die Vakuum- und Dünnschichttechnologie ist aus biologischen, pharmazeutischen und medizinischen Anwendungen nicht mehr wegzudenken. Anlass genug von Zeit zu Zeit das Anwendungsfeld Life Science wie in der aktuellen Ausgabe der Vakuum in Forschung und Praxis in den Blickpunkt zu rücken. Abonnenten der Druckausgabe sowie Mitglieder der Deutschen Vakuum-Gesellschaft DVG e.V. stöbern mittlerweile in der „ViP5“, die – unter anderem auch mit einigen Open-Access-Beiträgen – zum Schwerpunkt Vakuum, Plasma und Dünne Schichten für die Lebenswissenschaften auch allen anderen Interessierten in der Wiley Online Library zur Verfügung steht.
Zur Aufrechterhaltung von Qualität und Wirksamkeit pharmazeutischer Produkte ist die Integrität der Primärverpackungen unerlässlich. Lukas Engel von Pfeiffer Vacuum in Aßlar führt in seinem Beitrag die Stärken vakuumbasierter Dichtheitsprüfmethoden gegenüber der herkömmlich in diesem Umfeld eingesetzten Blaubadprüfung auf und zeigt, wie diese beim Container Closure Integrity Testing (CCIT) punkten können.
Über die Analyse von nur einmalig zur Verfügung stehenden geringen Gasmengen aus menschlichen Körpern berichtet Christian Juhnke von der Frankfurt University of Applied Science in seinem Beitrag über Vakuumtechnik in der Rechtsmedizin. Standardisierte Verfahren – von der komplizierten Probenentnahme bis zur massenspektrometrischen Analyse – tragen zur Aufklärung unbekannter Todesursachen bei und bringen so Teile der Crime Scene Investigation (CSI) in das Labor für Vakuumtechnik nach Frankfurt.
Dr. Stephan Handschuh-Wang vom Shenzhen Institutes of Advanced Technology (China) und seine Co-Autoren geben einen Überblick über die Nukleation, Synthese und Anwendungen von ultradünnen Diamantschichten: vom ersten HPHT-Diamanten über CVD-Diamanten zu dünnen Diamantschichten. Dabei haben sich ausgefeilte Nukleationsmethoden als der Schlüssel zu immer dünneren Schichten des übrigens auch bioverträglichen Materials erwiesen.
Auch wenn Inkjet-gedruckte Mikrooptiken schon mit verbesserten optischen, thermischen, chemischen und mechanischen Eigenschaften aufwarten können, lassen sie sich mit plasmaphysikalischen Methoden noch weiter optimieren. Sabrina Jasmin Wolleb und ihre Co-Autoren vom Jenaer Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF beschreiben in ihrem Artikel, wie durch Oberflächenstrukturierung mittels Plasmaätzen eine entspiegelnde Wirkung erzielt werden kann.
Das Thema der klimaschonenden Energiegewinnung lässt uns aus gutem Grund nicht mehr los, und die vakuumtechnischen Lösungsansätze verfolgen wir fortlaufend. In dieser Ausgabe beschreiben Dr. Matthias Dremel und seine Co-Autoren von der in Südfrankreich stationierten internationalen ITER-Organisation den vakuumtechnischen Aufwand, der zur Aufrechterhaltung des Fusionsplasmas betrieben werden muss. Sowohl die Torus-Kryopumpe als auch die nachgeschalteten Vorpumpen bilden ein maßgeschneidertes tritiumkompatibles System.
Der die Artikel umrahmende Magazinteil berichtet wie immer knapp über jüngste Fortschritte in vielfältigen Anwendungsgebieten sowie über Entwicklungen in unterschiedlichen Institutionen. Ende September feiert das Leibniz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e.V. (INP) in Greifswald sein 30. Jubiläum. Das INP führt seit 1992 die nun schon über hundertjährige Tradition der Plasmaforschung in Greifswald fort und überführt zahlreiche neu gewonnene Erkenntnisse direkt in die Anwendung – insbesondere auch im Bereich „Plasma und Life Science“.
Nach dieser Einleitung findet jeder hoffentlich schnell die Stelle in Heft oder Online-Ausgabe, an der er mit dem vergnüglichen Stöbern beginnen möchte.
Wiley / LK
[1] I. Langmuir: Oscillations in ionized gases, Proc. Natl Acad. Sci. USA 14 (1928) 627–637.
[2] H. M. Mott-Smith: History of "Plasmas", Nature 233 (1971)291.
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