18.08.2023 • Sonnensystemforschung

Und jetzt das Weltraum-Wetter

TU Graz und Uni Graz liefern neuen Vorhersageservice für das Space Safety Programm der ESA.

Auswirkungen von Sonnen­stürmen auf die Erdatmosphäre können Satelliten zum Absturz bringen. Um dem vorzubeugen, setzt die ESA auf den von der TU Graz und der Uni Graz entwickelten Vorhersage­service Satellite Orbit Decay SODA. Nach erfolgreicher Testphase ist der Service SODA seit Mitte Juli offiziell Teil des Space Safety Programms der ESA. SODA liefert genaue Prognosen der Auswirkungen von Sonnen­stürmen auf die Bahn von erdnahen Satelliten.

Abb.: Die Sonne, auf­ge­nom­men vom Solar Orbiter der NASA und der ESA. Das...
Abb.: Die Sonne, auf­ge­nom­men vom Solar Orbiter der NASA und der ESA. Das Dia­gramm zeigt den Dichte­anstieg in der Atmo­sphäre und den nach­fol­gen­den Höhen­ver­lust eines Satel­liten auf 490 Kilo­meter, beides her­vor­ge­rufen durch einen koro­nalen Massen­aus­wurf am 21. November 2003. (Bild: ESA / NASA / Solar Orbiter EUI Team)

Der Vorhersage­service ist über den ESA Space Weather Service frei verfügbar und bietet eine Vorwarnzeit von etwa 15 Stunden. Da die Sonnen­aktivität in den kommenden zwei Jahren ihr Maximum erreichen soll, ist die Inbetrieb­nahme von SODA zum aktuellen Zeitpunkt von zusätz­licher Relevanz. Wie stark sich Sonnenstürme auf die Satelliten­umlauf­bahn auswirken können, hat sich schon im Projekt SWEETS gezeigt, auf dessen Ergebnissen SODA aufgebaut ist. In diesem Projekt wurden Daten zur Dichte der Atmosphäre mit Echtzeit­messungen des Sonnenwind­plasmas und des inter­planetaren Magnetfelds kombiniert, um so die Auswirkungen von Sonnen­ereignissen zu berechnen. Bei einem großen koronalen Massen­auswurf der Sonne wurde dabei festgestellt, dass Satelliten in einer Höhe von 490 Kilometern bis zu vierzig Meter an Höhe verloren. Anfang Februar 2022 stürzten 38 Starlink-Satelliten bei der Inbetrieb­nahme auf einer Flughöhe von 210 Kilometern aufgrund eines Sonnen­sturmes sogar ab.

Hauptursache dafür ist, dass die geladenen Plasma­teilchen, die nach einer Sonnen­eruption auf das Erd­magnet­feld treffen, die oberen Schichten der Erdatmosphäre so stark erhitzen, dass diese sich ausdehnen und der Luft­wider­stand zunimmt. Das kostet Satelliten Geschwin­dig­keit und Höhe. Aufgrund der erwarteten Zunahme der Sonnen­aktivität in den kommenden zwei Jahren hat die ESA einige ihrer Satelliten bereits um mehrere Kilometer angehoben, um sicher durch diesen Zeitraum zu kommen. Mit seinen Vorhersagen soll SODA zusätzliche Sicherheit schaffen. Für den Vorhersage­service steuerte die TU Graz ihre am Institut für Geodäsie vorhandene Expertise in der Verarbeitung von Satelliten­daten bei, die Uni Graz brachte ihre Erfahrung im Bereich der Sonnen- und Helio­sphären­physik und der inter­planetaren Magnet­feld­beob­achtung ein.

Das Team um Sandro Krauss am Institut für Geodäsie der TU Graz beschäftigte sich mit der Bestimmung von Atmosphären­dichten über einen Zeitraum von zwanzig Jahren. Dafür griffen die Forscher auf Daten mehrerer erdnaher Satelliten­missionen zurück, darunter die Missionen CHAMP, GRACE, GRACE Follow-on und Swarm. An der Uni Graz analysierte die Forschungs­gruppe um Manuela Temmer vom Institut für Physik etwa dreihundert katalogisierte Sonnen­eruptionen aus den Jahren 2002 bis 2017 auf Basis von Messungen des inter­planetaren Magnetfelds durch Sonden am Lagrange-Punkt L1. Die Informationen der Uni Graz nutzte die TU Graz, um Veränderungen der Atmosphären­dichte in Verbindung mit den Sonnen­eruptionen zu setzen. Aus der Gesamt­analyse der so gesammelten Daten entstand das Vorhersage­modell SODA.

Im Rahmen des Projekts CASPER wollen die Wissen­schaftler SODA künftig weiter verbessern. Es soll dazu dienen, komplexere Sonnenstürme besser zu verstehen, etwa wenn zwei Stürme sich auf dem Weg zur Erde überlagern. Zudem wollen die Forscher die Atmosphären­dichte auf 450 und 400 Kilometern Höhe berechnen – bisher ist das nur bis 490 Kilometer möglich. Da der Bereich der Sonnensturm-Vorhersage noch nicht sehr gut erforscht ist, warten hier noch viele interessante Erkenntnisse auf das Team.

TU Graz / RK

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