Unbekannte Asteroiden und Planetenbesuche
Jahresrückblick Sonnensystemforschung 2018.
Im vergangenen Jahr war eine immense Zahl von Raumsonden quer durch das Sonnensystem aktiv, bei Planeten, Monden oder nah der Sonne. Gleich zwei Sonden untersuchten bislang weitgehend unbekannte erdnahe Asteroiden erstmals aus der Nähe. Der Mars rückte wieder stärker in den Fokus der Planetenforscher, weil sich dort ein globaler Sturm zusammenbraute und zwei neue Sonden ihre Arbeit aufnahmen. Dazu gab es Erkenntnisse von den Gasriesen Jupiter und Saturn und ihren Monden. Und selbst auf Erde und ihrem Mond fanden Forscher bislang unbekannte Krater und andere Hinweise auf eine lebendige Vergangenheit beider Körper.
Zwei Sonden zu zwei Erdbahnkreuzern
Viel Aufmerksamkeit erhielten dieses Jahr Sonden, die eher unscheinbare Objekte in Augenschein nahmen: Am 27. Juni erreichte die japanische Mission Hayabusa 2 den erdbahnkreuzenden Asteroiden Ryugu. Obwohl dieser der Erde nicht näher als ein Fünftel der Mondbahn kommen kann, liegt ein großes Augenmerk solcher Missionen darin, die Beschaffenheit der Erdbahnkreuzer aufzuklären, um diese im Notfall fachkundig abwehren zu können. Ruygu offenbarte sich der japanischen Sonde als dunkler und diamantförmiger Asteroid, der dicht von verschieden großen Brocken übersät ist und der erstaunlich wenige Krater besitzt. Insgesamt drei Beiboote konnte Hayabusa 2 heil auf der Oberfläche absetzen: die zwei dosenförmigen Lander Hibou und OWL lieferten einige unscharfe Bilder und Temperaturmessungen, während der deutsch-französische Lander Mascot sein deutlich komplexeres Messprogramm während 17 Stunden auf der Oberfläche erfolgreich absolvierte.
Während die an Hayabusa 2 beteiligten Forscher noch ihre Daten auswerteten, erreichte am 3. Dezember eine vergleichbare NASA-Sonde einen zweiten erdbahnkreuzenden Asteroiden namens Bennu, der Ryugu erstaunlich ähnlich sieht: Die Instrumente von Osiris-REx ermittelten direkt nach der Ankunft Hinweise auf Wassereis in Bennus Gestein, obwohl er zu einer dunklen und kohlenstoffreichen Klasse von Asteroiden gehört, die eigentlich als wasserarm gilt.
Ähnlich kohlenstoffreich und dunkel wie Bennu ist der jetzt mit dem Hubble-Teleskop näher untersuchte Asteroid 2004 EW95, den Astronomen allerdings anders als alle anderen bekannten Körper dieses Typs nicht innerhalb des Planetensystems fanden, sondern im Kuipergürtel jenseits der Neptunbahn. Vermutlich hatte er sich deutlich näher an der Sonne gebildet und wurde im Laufe der letzten 4,5 Milliarden Jahre weiter nach außen geschleudert. Derweil beschäftigt der erste extrasolare Asteroid namens Oumuamua noch immer die Forscher, der im Oktober 2017 von weit außerhalb des Planetensystems an der Sonne auf einer offenen Hyperbelbahn vorbeigeflogen war. Astronomen konnten jetzt mithilfe des Sternenkatalogs der Raumsonde Gaia wenige möglichen Heimatsterne ermitteln.
Jupiter und Saturn im Fokus
Obwohl die Raumsonde Cassini nach zehnjähriger Mission schon im September 2017 in die Wolkenschichten des Saturn gelenkt worden war, liefern ihre reichhaltigen Daten noch immer viele Erkenntnisse über den Ringplaneten. Dazu gehört die Entdeckung eines zuvor unbekannten Strahlungsgürtels, der sich innerhalb der Ringe befindet. Wie genau die Gasriesen einmal entstanden ist, ist bis heute schwer zu erklären. Für den massereichsten Planeten Jupiter haben Forscher nun aber ein Modell vorgestellt, das dessen Anwachsen über einige Jahrmillionen gut erklärt: Jupiter wuchs demnach in mehreren Etappen zu seiner heutigen Größe heran.
Die eisreichen Monde Jupiters und Saturns gelten als möglicherweise lebensfreundliche Orte, denn unter mehreren kilometerdicken Panzern befinden sich flüssige Ozeane. Diese zu untersuchen, galt lange als schwierig, bis Cassini 2005 am kleinen Saturnmond Enceladus gewaltige Fontänen nachwies, die tausende Kilometer ins All schießen. Als Cassini mehrmals durch diese Fontänen hindurchflog, identifizierten Spektrometer an Bord neuen Auswertungen zufolge Salze und die Elemente Kohlenstoff, Sauerstoff, Wasserstoff und Stickstoff. Bei weiteren Analysen fanden Heidelberger Forscher nun auch verschiedene organische Moleküle. Diese beweisen zwar keinesfalls die Existenz von Leben, sind aber eine wichtige Zutat für dessen mögliche Entstehung. Auch am Jupitermond Europa fanden Forscher nun deutliche Beweise für ins All schießende Fontänen, die aber wegen der größeren Masse von Europa nur mehrere hundert Kilometer hoch schießen. Dennoch ergeben sich dadurch nun auch auf Europa realistischere Missionskonzepte, um die hervorquellenden Inhaltsstoffe des Ozeans zu untersuchen.
Neue Marssonden
Insgesamt fünf Raumsonden kreisten Anfang des Jahres um den Mars; zwei Rover der NASA operierten auf seiner Oberfläche. Eine davon – der bereits 14 Jahre lang aktive Opportunity – wurde Mitte des Jahres sprichwörtlich kalt erwischt: Ein aufziehender Staubsturm verdunkelte fast die gesamte Oberfläche derart stark, dass die Solarzellen des Rovers binnen weniger Tage nicht mehr genügend Energie lieferten, was den Rover komplett lahmlegte und seine Sendeantenne verstummen ließen. Obwohl der Sturm drei Monate später zu Ende ging, warten die NASA-Techniker bisher auf Signale von Opportunity.
Der erst 2012 auf dem Mars gelandete Curiosity verfügt über eine Radioisotopbatterie und war deshalb nicht vom Staubsturm betroffen. Daten von Curiosity bekräftigten im August unser Verständnis der planetaren Entwicklung des Mars, wonach es vor über 3,6 Milliarden Jahren ausgedehnte Warmzeiten gegeben haben muss. Dazu fand der Rover eine derzeit immer wieder ansteigende Methankonzentration in der Marsatmosphäre – vermutlich wird das Methan immer wieder aus im Gestein gespeicherten Methanhydraten freigesetzt. Dazu fand Curiosity zahlreiche thiophenische, aromatische und aliphatische Kohlenstoff-Verbindungen in Gesteinsschichten, die Einzellern als Nahrung gedient haben könnten, sollte der Mars denn zur Entstehungszeit dieses Gesteins bewohnt gewesen sein.
Selbst in der Gegenwart scheint der Mars eine lebensfreundliche Nische zu besitzen: Europäische Forscher entdeckten mit einem Radarinstrument an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express rund 1500 Meter tief unter der südlichen Polkappe des Planeten ein auffällig glatte Oberfläche. Diese interpretieren sie als subglazialen See aus flüssigem Wasser, der aber vermutlich größere Mengen eines Salzes enthalten dürfte, um trotz der großen Kälte noch flüssig sein zu können. Dazu ist der See bislang nicht von einem zweiten Radarinstrument der NASA nachgewiesen worden und könnte womöglich ein Messartefakt sein.
Während die Mission der schon altersschwachen Raumsonde Mars Express noch einmal verlängert wurde, nahmen auch zwei neue Sonden ihre Arbeit auf: Im Februar beendete der europäisch-russische Sonde ExoMars Trace Gas Orbiter sein einjähriges Bremsmanöver in den oberen Atmosphärenschichten und beginnt nun nach Spurengasen und deren Ursprüngen in der Gashülle des roten Planten zu fahnden. Am 26. November landete dann die NASA-Sonde InSight in der Ebene Elysium Planitia. In den nächsten zwei Jahren soll sie erstmals Beben auf dem Mars nachweisen und zusätzlich den Wärmefluss der Marskruste messen.
Schwere Beben auf der Erde, Leben auf dem Mond?
Bislang gibt es nur zwei Körper des Sonnensystems, auf denen Geophysiker erfolgreich seismische Messgeräte installieren konnten: Neben der Erde ist das der Mond. Doch selbst bei uns ist der Datensatz begrenzt: Gut hundert Jahre zurück reicht der Datensatz ständiger Bebenaufzeichnungen. Schon lange spekulieren Forscher darüber, ob besonders schwere Erdbeben global in regelmäßigen zeitlichen Abständen auftreten, konnten aber wegen des begrenzten Datensatzes einen derartigen Nachweis nicht führen. Ein Forscherteam hat nun eine Statistik starker Beben auf Basis von Hangrutschungen in Seen Chiles erstellt, die immer nach sehr schweren Beben stattgefunden haben sollen. Aus ihrem Datensatz ermittelten die Forscher starke Erdbeben der letzten 5000 Jahre und fanden darin tatsächlich ein Muster: Sie berechneten die Wahrscheinlichkeit für Beben der Magnituden acht und neun für die Zukunft, die auch schwere Tsunamis im Pazifik auslösen können.
Weit weniger gut berechenbar ist dagegen das Verhalten des tieferen Erdinneren, ganz besonders beim Erdkern: Der ist durch die Bewegung von flüssigen metallischen Schichten zwar verantwortlich für das Erdmagnetfeld, dessen Entstehung aber im Detail bis heute kaum gut zu modellieren ist. Forscher wollen jetzt aber mit einem neuen Experiment herausfinden, ob eine Art Störung durch die Schlingerbewegung der Rotationsachse der Erde dazu führt, dass flüssige Metalle den äußeren Erdkern durchströmen können. Währenddessen konnten Forscher aus China und Taiwan zeitlich sehr kurzzeitige Schwankungen des Erdmagnetfelds samt wandernder Pole der Vergangenheit nachweisen. Das gelang ihnen mit einem Tropfstein aus einer Höhle in China, der sich vor über hunderttausend Jahren gebildet hatte.
Ein überraschender Einblick ins Erdinnere gelang Forschern mit einem Laborexperiment in Grenoble: Sie stellten Druck und Temperatur nach, die 2500 Kilometer tief im Erdmantel herrschen. Sie wiesen dabei eine zuvor für unmöglich gehaltene feste Phase von Kohlenstoffdioxid nach. Eigentlich hatten Mineralogen erwartet, dass sich in solchen Tiefen aus dem Kohlenstoff Diamant bildet, der wegen seiner großen Stabilität als geologischer Bote aus dem Erdinneren interpretiert wird. Derartige Modelle müssen nun überprüft werden.
Tief unter dem grönländischen Gletschereis fanden Geophysiker dieses Jahr eine unerwartete, auffällige und kreisrunde Struktur: Sie interpretieren sie als Einschlagskrater, der wegen seiner guten Erhaltung mit 12.000 Jahren vermutlich vergleichsweise jung ist. Und selbst auf zugänglichem Terrain werden noch zuvor unbekannte Krater entdeckt: In den Rocky Mountains fanden Wissenschaftler das älteste bekannte Streufeld, das vermutlich von Bruchstücken eines Meteoriten vor 280 Millionen Jahren entstanden ist.
Vor 4,5 Milliarden Jahren entstand bekanntlich bei einem vielfach größeren Einschlag der Mond, als ein marsgroßer Planet in die noch junge Erde stürzte. Der Mond entstand aus dem ausgeworfenen Material und erkaltete recht schnell, weshalb kein Forscher heute auf ihm Leben erwarten könnte. Denn ohne Atmosphäre ist seine Oberfläche der Strahlung und den Teilchenströmen aus dem All schutzlos ausgesetzt. Allerdings ergaben jetzt neue Analysen des Mondgesteins, dass der Erdtrabant in seiner Jugendzeit vor über drei Milliarden Jahre für rund siebzig Millionen Jahre eine Atmosphäre besessen haben könnte, die dichter als jene des heutigen Mars gewesen sein könnte. Während sich zeitgleich auf der Erde das Leben entwickelte, könnte somit auch der Mond kurzzeitig Mikroorganismen beherbergt haben.
Die Fragen an zukünftige Mondmissionen sind damit zahlreich. Der erste einiger geplanten Orbiter und Lander befindet sich seit dem 12. Dezember bereits im lunaren Orbit: Chinas Sonde Chang'e 4 soll voraussichtlich am 3. Januar als erste Raumsonde überhaupt weich auf der erdabgewandten Rückseite des Mondes landen und hier einen Rover aussetzen. Es wird allerdings nicht das erste planetare Raumfahrtereignis des Jahres 2019: Schon am 1. Januar wird die NASA-Mission New Horizons den fernsten Vorbeiflug der Menschheitsgeschichte am Transneptun-Objekt Ultima Thule, wissenschaftliche Bezeichnung (486958) 2014 MU69, durchführen. Auch das kommende Jahr lässt somit Erkenntnisse von bislang unbekannten Himmelskörpern erwarten.
Karl Urban