Süßer Überzug unter der Lupe
Ergebnisse könnten helfen, die Prozesse bei der Herstellung von Fondant zu optimieren.
Zucker ist der Hauptbestandteil – und diesen schmeckt man deutlich: Fondant oder Schmelzfondant, der auf Gebäck wie Amerikanern oder Petit Fours als Glasur verwendet wird – nicht zu verwechseln mit dem ausrollbaren Fondant, der bei Motivtorten zum Einsatz kommt. Ein Forschungsteam um Thomas Vilgis vom MPI für Polymerforschung hat sich die mikroskopischen Eigenschaften des Modell-Fondants, der nur Zucker und Wasser enthält, bei seiner Erzeugung näher angesehen und ein unerwartetes Verhalten hinsichtlich seiner Zähflüssigkeit festgestellt. Ihre Ergebnisse könnten aber für noch weitere Prozesse in der Lebensmittelindustrie relevant sein, wie etwa die Herstellung von zuckerreduzierten Glasuren.
Fondant wird hergestellt, indem Zucker mit Wasser vermischt wird. Durch Erhitzen in die Nähe des Siedepunktes kann noch mehr Zucker darin gelöst werden, als das bei Raumtemperatur der Fall ist. Kühlt man die Mischung danach schnell ab, erhält man eine übersättigte Zuckerlösung. Diese hat mehr Zucker gelöst, als normalerweise bei dieser Temperatur möglich. Die Folge davon: Rührt man diesen zähflüssigen Sirup schnell um, so entstehen darin mikroskopische Zuckerkristalle - man erhält Schmelzfondant.
Diesen Herstellungsprozess haben die Forscher im Labor mit einem Laborkneter nachgestellt. Diese High-Tech-Mixer ist in der Lage, während des Knetens die Zähflüssigkeit mit hoher Präzision zu messen. Gleichzeitig entnahmen sie zu verschiedenen Zeitpunkten des Knetprozesses Proben, um diese unter einem Mikroskop zu untersuchen und so mit der Zähflüssigkeit korrelieren zu können. Hierbei haben sie festgestellt, dass die Mischung während des Kristallisierens zunächst stark zähflüssig wird, bevor sie ihren weniger zähflüssigen Endzustand erreicht.
„Wir haben im Mikroskop gesehen, dass sich zum Zeitpunkt des Kristallisierens zunächst auch recht große Zuckerkristalle bilden, die im Bereich von vierzig bis fünfzig Mikrometern liegen“, erläutert Vilgis. „Damit haben diese Mikrokristalle eine Größe, dass man den Fondant auf der Zunge als leicht körnig empfinden würde“. Rührt man weiter, so erniedrigt sich die Zählflüssigkeit wieder und die Kristalle werden kleiner. „Man kann sich das so vorstellen, dass die größeren Kristalle aneinander reiben. Je weiter man aber rührt, in desto kleinere Bruchstücke zerfallen sie“, erklärt Hannah Hartge aus dem Team von Vilgis. Erst wenn der Punkt maximaler Zähflüssigkeit überschritten ist, kann der Fondant als cremig-süßer und glänzender Überzug verwendet werden.
Die Forscher haben das Experiment in Abhängigkeit verschiedener Prozessparameter wie Temperatur oder Zuckergehalt durchgeführt. „Unsere Arbeiten zeigen das Zusammenspiel von Kristallisationsgeschwindigkeiten und Prozessparametern. So können wir Struktur und Funktion vorhersagen“, sagt Hartge. „Bislang waren Lebensmittelsysteme wie Fondants kaum im Fokus der wissenschaftlichen Forschung, insbesondere der Physik." Ihre Ergebnisse könnten es erlauben, bei der Herstellung von Fondant oder auch anderen, ähnlichen Lebensmittelsystemen, Prozessparameter zu optimieren, und so das entsprechende Lebensmittel schneller und mit höherer Energieeffizienz herzustellen.
Die Wissenschaftler konnten das Experiment auch mit einem einfachen theoretischen Modell beschreiben, der Nukleations- oder Keimbildungstheorie. „Wir waren erstaunt, dass diese fast hundert Jahre alte Theorie das Experiment sehr gut beschreiben konnte – obwohl sie eigentlich für nichtbewegte Flüssigkeiten geschaffen wurde, anders als unsere gerührte Fondantmasse“, so Vilgis. Grund hierfür sei, dass die Bewegung der Zuckermoleküle verglichen mit der Knetbewegung viel langsamer vonstattengeht und die Zuckermoleküle somit als fast ruhend angesehen werden können. Für die industrielle Fertigung könnten die Ergebnisse helfen, die Prozesse bei der Fondantherstellung zu optimieren.
MPI-P / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
H. M. Hartge, E. Flöter & T. A. Vilgis: Crystallization in highly supersaturated, agitated sucrose solutions, Phys. Fluids 35, 064120 (2023); DOI: 10.1063/5.0150227 - Food Science (T. Vilgis), AK Kremer, Max-Planck-Institut für Polymerforschung, Mainz