09.03.2023 • FluiddynamikMagnetismus

Studentisches Experiment fliegt zur ISS

Ferrofluid-Experiment untersucht vier Wochen lang den Rosensweigeffekt.

Wenn am 15. März eine Falcon 9-Rakete von Cape Canaveral aus zur Inter­nationalen Raumstation startet, wird ein Ferrofluid-Experiment von der studentischen Klein­satelliten­gruppe KSat der Uni Stuttgart an Bord dabei sein. Im Weltraum wird es dann vier Wochen lang erprobt. Ziel des Experiments ist es, mechanische Teile wie zum Beispiel Schalter in der Raumfahrt durch weniger verschleißanfällige und zuver­lässigere Technologien zu ersetzen.

Abb.: Ein charakte­ristischer Effekt von Ferro­fluiden: der...
Abb.: Ein charakte­ristischer Effekt von Ferro­fluiden: der Rosen­sweig­effekt. Dabei sorgen starke Magnet­felder für die Aus­bildung von flüssigen Stacheln, welche Magnet­feld­linien folgen. (Bild: L. Haber­malz, P. Kimmerle, KSat e.V. / U. Stutt­gart)

Die Box, in der sich das studentische Experiment FARGO befindet, ist zehn mal zehn mal zwanzig Zentimeter groß. Nach Erreichen der ISS, entnehmen Astronauten die Box und bauen sie in einen Experimentier­schrank ein, wo das Experiment etwa vier Wochen bleiben und autonom laufen wird. Anschließend fliegt es wieder zurück zur Erde und wird an das studentische Team übergeben.

Bahar Karahan studiert Luft- und Raumfahrt­technik. Im Projekt ist sie unter anderem für die Integration und Tests des thermalen Schalters verantwortlich. „Es ist ein unbeschreib­liches Gefühl, schon als Studentin an einem Raumfahrt­projekt zu arbeiten, welches hoffentlich in Zukunft den Grundstein für eine nach­haltigere Raumfahrt legt. Das Forschungs­gebiet von Ferrofluiden in der Raumfahrt ist noch nicht verbreitet, deswegen liegt es an uns, das Ganze in Fahrt zu bringen.“

Mit dem Experiment wollen die Studenten neue Technologien für die Raumfahrt erproben, die lang­lebiger, zuver­lässiger und damit auch kosten­günstiger sind als bisher. Astronauten verbringen derzeit bis zu zwei Stunden am Tag mit Wartungs­arbeiten an Bord der Raum­fahrzeuge. Manchmal sind zusätzliche Versorgungs­flüge nötig, um defekte Instrumente auszu­tauschen. Das ist zeit- und kosten­intensiv. „Um künftige Missionen zum Beispiel zum Mars zu realisieren, müssen Raum­fahr­zeuge möglichst wartungs­frei funktionieren“, sagt Manfred Ehresmann von der Uni Stuttgart, Ideengeber und Betreuer des studentischen Projekts.

FARGO steht für „Ferrofluid Application Research Goes Orbital“ und untersucht, wie sich drei Anwendungen von Ferrofluiden in der Schwere­losig­keit verhalten. Getestet werden ein thermischer Schalter, der die Übertragung von Wärme zwischen zwei Bauteilen regelt, ein elektrischer Schalter, welcher einen Stromkreis schließen und öffnen soll, sowie ein neuartiges System zur Lage­regelung von Klein­satelliten. Alle Experimente beruhen dabei auf einer Ferrofluid-Technologie, bei der das Ferrofluid mittels externer Magnetfelder so manipuliert werden kann, dass es einen Strom- oder Wärme­kreis­lauf schließen kann oder, im Falle des Lage­regelungs­konzepts, ein Drehmoment erzeugt.

Ferrofluide sind Flüssig­keiten, in denen magnetische Partikel vorhanden sind, die auf externe Magnetfelder reagieren. Allen drei Anwendungen ist gemeinsam ist, dass sie auf mechanische Teile möglichst verzichten und somit die Gefahr eines Ausfalls aufgrund von Verschleiß deutlich reduzieren. Das Experiment basiert auf den Ergebnissen eines vorherigen Experiments, das bereits 2018 auf der ISS erfolgreich durchgeführt wurde. Dabei wurde eine von der studentischen Klein­satelliten­gruppe Ferrofluid basierte Pumpe in der Schwere­losig­keit getestet.

Nur etwa ein Jahr hatten die Studenten Zeit, um ihr Experiment zu entwickeln. „Für Raumfahrt­projekte ist das äußerst schnell“, erklärt Ehresmann. Der Zeitfaktor war mit eine der größten Heraus­forderungen, bestätigt auch Karahan: „Die größte Heraus­forderung war es, Projekt, Studium, Arbeit und Freizeit unter einen Hut zu bekommen. Da könne es schon passieren, dass eine Vorlesung wiederholt oder eine Prüfung geschoben werden muss. Es lohnt sich aber auf jeden Fall mitzu­machen, auch trotz hohen Zeit­aufwands.“

Die 23 Mitglieder der Klein­satelliten­gruppe KSat haben teilweise sieben Tage die Woche an dem Experiment gearbeitet. „Viele von uns studieren Luft- und Raumfahrt­technik, aber wir haben auch Studentinnen und Studenten aus der Chemie, der Physik, der Elektro­technik, der Informatik oder dem Maschinenbau im Team“, sagt Saskia Sütterlin, die studentische Projekt­leiterin. Im Projekt werde die studiengangs­über­greifende Zusammen­arbeit gelebt und sei essentiell. „Unsere Chemie-Expertin hatte die gute Idee, statt Isopropanol Ethanol im Experiment zu verwenden. Der Alkohol verdunstet langsamer und stabilisiert das Gemisch. Das erhöht die Anwendungs­sicherheit für das Experiment“, erklärt Ehresmann. Das ist auch der Grund, weshalb nun Alkohol ins Weltall fliegt, und zwar ungefähr sieben Milliliter in Form eines Stuttgart Gins.

Dass das Experiment zur ISS fliegen darf, verdankt das Team ihrem Gewinn im Rahmen des Überflieger-2-Wettbewerbs der Deutschen Raumfahrt­agentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt und der Luxembourg Space Agency. Dort setzten sie sich Ende 2021 mit drei weiteren Teams gegen insgesamt acht deutsche und zwei luxemburgische Teams durch.

U. Stuttgart / RK

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