20.05.2020

Streitbarer Goldsucher

Vor 100 Jahren wurde der Physiker Thomas Gold geboren, der mit seinen originellen Ideen oft für Kontroversen sorgte.

Thomas Gold gehörte sicher zu den originellsten Physikern des 20. Jahrhunderts. Bekannt wurde er mit der „Steady State Theory“ des Universums – einer Alternative zur Urknall-Theorie. Der Astrophysiker, der am 22. Mai hundert Jahre alt geworden wäre, entfachte mit seinen Theorien heftige Kontroversen. Oft zeigte sich aber, dass er recht hatte.

Thomas Gold (1920 – 2004) (Foto: AIP Emilio Segrè Visual Archives, Physics...
Thomas Gold (1920 – 2004) (Foto: AIP Emilio Segrè Visual Archives, Physics Today Collection)

Thomas Gold war gerade 20 Jahre alt und genoss das Studentenleben in Cambridge, als der Zweite Weltkrieg ausbrach und er als „enemy alien“ interniert wurde. Seine österreichischen Eltern waren Ende der 1930er-Jahre nach England geflüchtet, weil der Vater jüdischer Abstammung war. Doch schon am ersten Abend im Lager fand er einen Freund: Hermann Bondi stammte ebenfalls aus Wien und hatte in Cambridge Physik studiert.

Während der 15 Monate in britischen und kanadischen Lagern unterhielt Bondi seinen Freund mit improvisierten Mathematik-Vorlesungen und spornte ihn dazu an, seine eigenen Kenntnisse zu vertiefen. Gold schloss sein Ingenieurstudium mit mäßigem Erfolg ab und verdingte sich zunächst als Holzfäller in Nord-England. Als sportlicher Typ war er stolz darauf, mit seiner Axt mehr Bäume fällen zu können als jeder andere.

Ende 1942 stieß Gold auf Fürsprache Bondis zu dem hoch-geheimen Radarprojekt unter der Leitung von Fred Hoyle. Zwei Jahre lang teilte sich das Trio ein Bauernhaus in Surrey. Ihre freien Stunden verbrachten die drei mit intensiven wissenschaftlichen Diskussionen, die 1948 zur Publikation der „Steady State“-Theorie führten. „Fred Hoyle untermauerte sie als kosmologischer Philosoph, Hermann Bondi gab ihr das mathematische Gerüst und Tommy Gold war ihr extrovertierter Propagandist“, beschrieb Anthony Tucker die Arbeitsteilung in seinem Nachruf auf Gold.

Die „Steady State“-Theorie stand von Anfang an in Konkurrenz zur Urknall-Theorie. Schon seit den 1920er-Jahren war die Rotverschiebung im Spektrum weit entfernter Spiralnebel bekannt. Deshalb gingen die meisten davon aus, dass die auseinander driftende Materie bei einem Urknall entstanden war. Die „Steady State“-Theorie nahm stattdessen an, dass es keinen Anfang gab. Vielmehr entstand fortwährend neue Materie, sodass die Dichte des Universums trotz des Auseinanderdriftens konstant blieb.

Beide Theorien waren mit den experimentellen Beobachtungen vereinbar, bis die Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung im Jahr 1965 „den letzten Nagel in den Sarg der „Steady State“-Theorie schlug“, wie Stephen Hawking es ausdrückte. Für die Laufbahn von Thomas Gold war das kein Schaden, denn zu dieser Zeit saß er als Gründer und Direktor des Cornell Center for Radiophysics and Space Research bereits fest im Sattel.

Nach dem Krieg war er 1947 nach Cambridge zurückgekehrt und hatte dort sein Studium mit einer Arbeit über die Verstärkung von Schallwellen in der Gehörschnecke abgeschlossen. Enttäuscht, dass seine preisgekrönte Arbeit von Gehörspezialisten nicht zur Kenntnis genommen wurde, wandte sich Gold wieder der Astrophysik zu unterrichtete als „junior lecturer“ am Cavendish Labor.

Bei einer Sitzung der Royal Astronomical Society geriet er erstmals mit dem Radioastronomen Martin Ryle aneinander, als es um den Ursprung neuer Radioquellen ging. Gold vermutete sie außerhalb unserer Galaxie, was Ryle heftig bestritt. Ein Jahr später wurde Gold bestätigt, Ryle nutzte jedoch die Zahl außergalaktischer Radioquellen als Argument gegen die „Steady State“-Theorie, da diese Werte vorhersagte, die nicht mit den Beobachtungen im Einklang waren.

1952 wurde Gold Assistent am Royal Greenwich Observatory, wo er an der Entwicklung eines Masers zur Verstärkung von Mikrowellen für Radioteleskope mitarbeitete. Schon bald entfachte er die nächste Kontroverse. Er vermutete, dass es durch die Wechselwirkung geladener Teilchen von der Sonne mit dem Magnetfeld der Erde zu „magnetischen Stürmen“ in der oberen Atmosphäre kommt. 1957 bestätigen amerikanische Wissenschaftler seine Hypothese.

Am Royal Observatory entdeckte Gold auch die Möglichkeit, Ultraschall in der medizinischen Diagnostik einzusetzen. Da sein Chef ihm nicht erlaubte, diese Forschung weiter zu verfolgen, beschloss Gold, sein Glück in den Vereinigten Staaten zu versuchen. 1957 wurde der 37-Jährige einer der jüngsten Professoren in Harvard. Er blieb nur zwei Jahre.

1959 erhielt er die Chance, an der Cornell University ein interdisziplinäres Institut für Radioastronomie und Weltraumforschung aufzubauen. Es sollte eines der führenden amerikanischen Zentren werden. Unter seiner Mitwirkung entstand auch das damals weltgrößte Radioteleskop am Arecibo Oberservatory in Puerto Rico.

1968 stieß Thomas Gold erneut auf Ablehnung, als er hinter der Entdeckung von Pulsaren durch Jocelyn Bell und Anthony Hewish schnell rotierende Neutronensterne vermutete. Seine Astronomie-Kollegen hielten die Idee für so absurd, dass sie ihm einen Vortrag bei einer Tagung verweigerten, zu Unrecht, wie sich später zeigte.

Während der Erdölkrise in den 1970er-Jahren kam Thomas Gold auf die Idee, dass möglicherweise große Mengen Erdgas bei der Entstehung der Erde in ihrem Kern eingeschlossen wurden. Das stand im Gegensatz zu der geltenden Theorie, dass fossile Brennstoffe aus organischem Material entstanden sind, das sich unter Ausschluss von Sauerstoff zersetzt hat. In den 1980er-Jahren stellte Gold Probebohrungen in Schweden an, die jedoch nicht zu eindeutigen Ergebnissen führten.

Später wandelte Gold seine Theorie ab. Er erklärte, die Öl- und Gasvorkommen auf der Erde seien Stoffwechselprodukte von Bakterien und Archäen, die die Erdkruste in großer Zahl besiedeln. Dass es in der Nähe von Schwarzen Rauchern in der Tiefsee Bakterien gibt, die unter starkem Druck und großer Hitze anaeroben Stoffwechsel betreiben, war erstmals 1977 entdeckt worden.

Thomas Gold starb 2004 im Alter von 84 Jahren an einem langjährigen Herzleiden. Er war zweimal verheiratet und hatte vier Töchter. Im Rückblick auf seine wissenschaftliche Laufbahn sagte er: „Beim Aufstellen von Hypothesen ist Schüchternheit nichts wert, […] aber zu anderen Zeiten wäre ich zweifellos auf dem Scheiterhaufen gelandet.“

Er lieferte oft das Sandkorn, das die Perle in der Auster hervorbringt. Betrat er mit neuen, originellen Ideen Fachgebiete, auf denen sich andere bereits jahrelang abgemüht hatten, wurde er „wie eine Kuriosität behandelt, die nicht ernst genommen werden kann“, so sein Kollege Steve Maran. „Aber er wirbelt die Dinge immer auf irgendeine nützliche Weise auf und eröffnet dabei dem Denken ganz neue Richtungen.“

Anne Hardy

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