Steiniger Weg zu den Sternen
Eine zweiteilige Serie in „Physik in unserer Zeit“ erklärt die Herkunft der Elemente durch die kosmische Nukleosynthese im Detail.
„Der Kosmos ist in uns. Wir sind alle Sternenstaub!“ sind wohl die bekanntesten Sätze des berühmten amerikanischen Astrophysikers Carl Sagan. Fast alle Atome in uns und um uns herum kommen aus dem Inneren von Sternen und wurde anschließend im Weltall verteilt, vom Sonnensystem inkorporiert und landete dann auf der Erde. Wer hätte gedacht, dass man beim Biss in den Schokoriegel mit dem astronomischen Namen wirklich Sternenstaub isst?
Das Forschungsgebiet der nuklearen Astrophysik kombiniert die Methoden der Kernphysik mit den Beobachtungen der Astronomie und den Computermodellen der Astrophysik, um ein besseres Verständnis der Herkunft der 254 stabilen Isotope zu erlangen, die die uns umgebenden chemischen Elemente bilden.
Unsere irdische Existenz hängt auch mit einem glücklichen kern- und astrophysikalischen Zufall zusammen. Im Kohlenstoffisotop C-12 existiert ein angeregter Kernzustand, der unter astrophysikalischen Bedingungen mit einer resonanten Reaktion so stark populiert wird, dass genügend Kohlenstoff im Inneren von Sternen gebildet wird. Fred Hoyle hat aus astrophysikalischen Beobachtungen die notwendigen kernphysikalischen Parameter dieses nach ihm benannten Zustands berechnet. 1957 wurde dies experimentell bestätigt.
Diese „goldenen Jahre“ in den 1950ern waren die Geburtsstunde der modernen nuklearen Astrophysik und haben uns zum ersten Mal erlaubt, den Ursprung aller Materie mit astrophysikalischen Prozessen zu erklären. Nur die leichtesten Elemente – Wasserstoff, Helium, und Spuren von Lithium – sind beim Urknall entstanden. Alles darüber hinaus konnte nur durch Fusionsreaktionen im Inneren von Sternen sowie den folgenden Sternexplosionen gebildet und im Weltraum verteilt werden. Die beiden Artikel von Friedrich-Karl Thielemann – in diesem Heft sowie in der folgenden Ausgabe – fassen dieses geballte Wissen der letzten sieben Jahrzehnte zusammen.
Die nukleare Astrophysik steht vor einer Zeitenwende. Die Theorien der grundlegenden astro- und kernphysikalischen Produktionsprozesse sind mittlerweile zwar recht ausgereift, bedürfen aber noch einigem Finetuning. Dieses wird nun möglich. Supercomputer helfen bereits jetzt mit schnelleren und genaueren Berechnungen. Ob der Schritt zu Quantencomputern eine weitere Verbesserung bringt, ist unklar. Bei den astronomischen Beobachtungen haben Hubble, Gaia und Co. gute Dienste geleistet. Neue Missionen wie das James Webb Space Telescope der NASA stehen in den Startlöchern.
Auch bei irdischen Experimenten sind große Fortschritte zu erwarten. In den USA gab es gerade den Startschuss für die neue „Facility for Rare Isotope Beams“ (FRIB), deren Hauptfokus auf der Erforschung der schweren Elemente jenseits von Eisen liegt. Mit FRIB sollen erstmals viele der extrem kurzlebigen, neutronenreichen Isotope experimentell untersucht werden, die in einer Kernkollaps-Supernova und bei verschmelzenden Neutronensternen entstehen können. Und hier in Deutschland? Während die „Facility for Antiproton and Ion Research“ (FAIR) noch gebaut wird, laufen an der alten Anlage der dortigen Gesellschaft für Schwerionenforschung (GSI) in Darmstadt schon Experimente mit den neuesten Detektortechnologien. Diese sind komplementär zum FRIB-Programm und werden uns in ein paar Jahren ein noch besseres Verständnis der Prozesse im Innersten von Sternexplosionen liefern.
Auch wenn wir – zum Glück! – viele Lichtjahre von den Prozessen entfernt sind, die wir untersuchen, werden die kommenden Beschleuniger, Teleskope und Computermodelle uns einen tiefen Einblick in die kosmischen Entstehungsorte unserer Elemente geben. Neue Isotope und ihre Reaktionen warten auf ihre Entdeckung. Gehen wir es an!
Iris Dillmann / DE