Schnellen Phasenumwandlungen auf der Spur
Kombination experimenteller Techniken zeigt Umwandlungs-Prozesse in einem metallischen Glas.
Metallische Gläser sind metastabile Materialien mit spezifischer atomarer Anordnung und Eigenschaften. Sie sind in der Regel härter, korrosionsbeständiger und fester als gewöhnliche Metalle. Sie entstehen, indem die natürliche Kristallisation verhindert wird. Das kann zum Beispiel durch rasches Abkühlen der Schmelze geschehen, so dass den Atomen die Beweglichkeit genommen wird, bevor sie die Kristallanordnung einnehmen können. Der umgekehrte Prozess – rasches Erhitzen von metallischen Gläsern – ermöglicht die Bildung von Nichtgleichgewichtszuständen und Strukturen mit einzigartigen physikalischen und mechanischen Eigenschaften. Allerdings blieben in situ Untersuchungen der Phasenumwandlungen aufgrund ihrer Schnelligkeit im Millisekundenbereich bislang eine Herausforderung.
Einem internationalen Forscherteam ist es jetzt gelungen, die Umwandlungsprozesse mit hoher zeitlicher Auflösung über den gesamten Temperaturbereich der Existenz der unterkühlten Schmelze live zu beobachten. Die Wissenschaftler untersuchten die Phasenumwandlungen in einem rasch erhitzten Kupfer-Zirkon-Aluminium-Glas mittels verschiedener, sich ergänzender, Verfahren. Dazu nutzte das Team in situ Röntgenbeugung an der Synchrotronquelle PETRA III am DESY in Hamburg und die am Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden entwickelten Anlagen für die elektromagnetische Levitation und das Rasch-Erhitzen.
Darüber hinaus wurden Strukturuntersuchungen durch die in situ Transmissionselektronenmikroskopie an der University of Cambridge in Großbritannien und Mikrostrukturanalysen am MPI für Eisenforschung in Düsseldorf durchgeführt. Mittels Auger- und Röntgenphotoelektronenspektroskopie konnte am IFW Dresden die Oberflächenchemie untersucht werden.
Die einzigartige Kombination von experimentellen Methoden ermöglichte einen zuvor unzugänglichen Einblick in die Mechanismen und Kinetik der Phasenumwandlungen mit hoher zeitlicher Auflösung über den gesamten Temperaturbereich der Existenz der unterkühlten Schmelze. Damit können die Bedingungen, unter denen das Glas Strukturen mit vorteilhaften Materialeigenschaften ausbilden kann, erstmals in situ definiert werden. Dieser Ansatz lässt sich auch für die Untersuchungen von Phasenumwandlungen in anderen metallischen glasbildenden Systemen anwenden.
IFW Dresden / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
J. Orava et al.: In situ correlation between metastable phase-transformation mechanism and kinetics in a metallic glass, Nat. Commun. 12, 2839 (2021); DOI: 10.1038/s41467-021-23028-9 - Solidification Processes, Institut für komplexe Materialien, Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden