12.08.2022 • AstronomieAstrophysik

Scheibenwind speist gebündelten Gas-Jet

Studie bestätigt theoretisches Szenario von Gasströmen um schwarze Löcher und Protosterne.

Viele astrophysikalische Objekte, wie super­masse­reiche schwarze Löcher, Sterne und riesige Gasplaneten, sind während ihrer Entstehung von Akkretions­scheiben umgeben und stoßen Materie­strahlen aus. Diese Jets bestehen aus ionisiertem Gas, das entlang der Rotations­achse der Scheibe gebündelt wird. Die Verbindung zwischen Akkretion und Ausstoß ist für ihre Entstehung entscheidend. Der Prozess der Gasakku­mu­lation führt aufgrund der Drehimpuls­erhaltung zu sehr hohen Drehgeschwin­dig­keiten. Jets entziehen diesen Systemen Drehimpuls und sorgen so für eine anhaltende Akkretion auf das zentrale Objekt.

Abb.: Die Positio­nie­rung der Wasser-Maser er­mög­licht die...
Abb.: Die Positio­nie­rung der Wasser-Maser er­mög­licht die Re­kon­struk­tion des Gas­flusses von der Akkre­tions­scheibe um IRAS 21078+5211 in einen kol­li­mierten Gas­strahl über den Mecha­nis­mus eines magne­to­hydro­dy­na­mischen Scheiben­winds. (Bild: L. Mosca­delli et al. / A. Oliva, U. Tübingen) / MPIA)

Mit einer neuen Studie haben Astronomen aus Italien und Deutschland zum ersten Mal durch Beobachtungen Gaspakete entlang der Bahn des Gasflusses von der Akkretions­scheibe in den Jet verfolgt. Die rekon­stru­ierten Stromlinien stimmen mit den Vorhersagen eines Prozesses überein, den Wissenschaftler vor vierzig Jahren entwickelt haben: magneto­hydro­dynamische Scheibenwinde. Die Magneto­hydro­dynamik beschreibt die Bewegung von ionisiertem Gas, das durch ein Magnetfeld beeinflusst wird. Magneto­hydro­dynamische Scheibenwinde sind der vermutete Mechanismus, der einen Teil des Akkretions­stroms ablenkt und ihn entlang der Rotations­achse der Scheibe beschleunigt, während er einen doppel­poligen gebündelten Jet bildet.

Die Forscher haben bei dem neu entstehenden, massereichen Sterns IRAS 21078+5211 mit Hilfe der Radio­inter­fero­metrie eine Emission von Radiowellen mit einer Frequenz von etwa 22 GHz beobachtet. Diese Emission deutet auf die Existenz von geschocktem Wasserdampf hin, der in Stern­entstehungs­gebieten als heller natür­licher Maser zu beobachten ist. Wassermaser zeichnen die Gasbewegung nach, so dass das Team unmittelbar zwei Bewegungs­muster beobachten konnte, die für einen magneto­hydro­dyna­mischen Scheibenwind typisch sind: spiral­förmige Bewegungen in der Nähe der Rotations­achse und ein mit­rotie­render Strom bei größeren Abständen.

Die Astronomen nutzten das globale VLBI-Array mit 26 Radio­teleskopen, die über Europa, Asien und die USA verteilt sind. Diese Stationen haben 24 Stunden lang gleichzeitig die Wasser­maser­emission in Richtung des entstehenden Sterns beobachtet. So konnten die Wissen­schaftler die räumliche Verteilung der Wassermaser in der Nähe des entstehenden Sterns studieren.

„Unsere Arbeit zeigt, dass die Very Long Baseline Inter­fero­metrie von Wassermasern in der Nähe von sich bildenden Sternen ein effektives Werkzeug sein kann, um die Physik von Scheibenwinden mit noch nie dagewesenen Details zu untersuchen“, erläutert Luca Moscadelli vom Nationalen Institut für Astrophysik in Florenz. „Wir haben neuartige Beobachtungen der Wasser­maser­emission durch­ge­führt, indem wir alle im VLBI-Netzwerk verfügbaren Teleskope einbezogen haben, um die Radio­inter­fero­meter der nächsten Generation zu simulieren, die die derzeitigen Empfind­lich­keiten um mehr als eine Größen­ordnung verbessern werden.“

Bisher war der beste empirische Nachweis für magneto­hydro­dynamische Scheibenwinde die Bestimmung des Geschwindig­keits­gradienten senkrecht zur Jetachse. Diese Methode ist jedoch der neu angewandten Technik unterlegen, da sie nicht zwischen einzelnen Gasbahnen unterscheiden kann. Stattdessen erscheinen alle Bewegungen überlagert. Daher liefert sie nur indirekte Hinweise und ist anfällig für Fehl­inter­pre­ta­tionen und systematische Fehler. Die Verfolgung der für einen magneto­hydro­dynamischen Scheibenwind typischen Stromlinien über die räumlichen Positionen und Geschwindig­keiten von Masern ist ein viel über­zeugenderer Beleg.

MPIA / RK

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