Regenmessung per Mobilfunknetz
Neues Verfahren besteht bundesweiten Praxistest.
Ob bei der Hochwasserfrühwarnung oder in der Landwirtschaft – Regenmessungen sind von großer Bedeutung. Doch weltweit fehlen für viele Regionen präzise Daten, weil flächendeckende Messungen bislang zu teuer sind. Ändern könnte sich das mit einer neuen Methode, die gerade ihren Praxistest bestanden hat. Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie und der Uni Augsburg gelang die erste deutschlandweite Regenmessung mit dem Mobilfunknetz. Jetzt ist der Einsatz der Technologie in Westafrika geplant.
Regen kann die Leistungsfähigkeit eines Mobilfunknetzes erheblich beeinträchtigen. Doch was Telekommunikationsunternehmen Kopfzerbrechen bereiten kann, ist für die meteorologische Forschung ein Glücksfall. „Wir haben aus dieser Interaktion zwischen Wettergeschehen und Technologie eine gänzlich neue Methode zur Regenmessung entwickelt“, sagt Harald Kunstmann vom KIT. „Wenn ein Mobilfunknetz vorhanden ist, brauchen wir weder eine neue Infrastruktur noch zusätzliches Bodenpersonal.“
Bei dem Praxistest der neuen Methode konnten die Forscher aus der niederschlagsbedingten Abschwächung der Funkverbindung zwischen mehreren tausend Mobilfunkmasten zeitlich hoch aufgelöste Regenkarten generieren. Beim Vergleich mit den Messwerten des Deutschen Wetterdienstes zeigte sich eine hohe Übereinstimmung.
Möglich wurde die Niederschlagsbestimmung aufgrund der Richtfunkantennen, die in Mobilfunkmasten zur Übertragung über weite Strecken eingesetzt werden. „Genutzt wird hier eine Frequenz von 15 bis 40 Gigahertz, deren Wellenlänge der typischen Größe von Regentropfen entspricht“, erklärt Christian Chwala von der Uni Augsburg. „Je mehr Niederschlag fällt, desto schwächer wird das Signal, mit dem die Sendemasten Informationen austauschen. Wir haben ein Jahr lang jede Minute die aktuelle Abschwächung von viertausend Richtfunkstrecken gemessen. Der daraus entstandene Datensatz ist aufgrund seiner Auflösung und Größe weltweit einzigartig.”
Neben den klassischen Methoden der Datenanalyse nutzten die Forscher künstliche Intelligenz, um das Regensignal aus den verrauschten Messwerten herauszufiltern. Auch andere Faktoren wie Wind oder die Sonne können zu leichten Abschwächungen des Signals führen. Mit Hilfe der KI konnten die Forscher erkennen, wann eine Abschwächung auf Regen zurückzuführen ist. Das Team hat die KI inzwischen so trainiert, dass keine Kalibrierung mit traditionellen Methoden zur Regenmessung mehr nötig ist. Damit eignet sich eine Anwendung auch in Regionen ohne nennenswerte Niederschlagsmessungen, die für das Training der KI in Frage kommen könnten, beispielsweise in Westafrika.
Für Deutschland funktioniert die Methode allerdings vor allem im Frühjahr, Sommer und Herbst. „Graupel und Schneeregen führen zu einer überdurchschnittlichen Abschwächung, und Schnee lässt sich mit dem Mobilfunknetz gar nicht messen“, erklärt Kunstmann. Aktuell laufen mehrere Projekte der Forscher zur Regenmessung mit Richtfunkstrecken, unter anderem mit dem Schwerpunkt auf Deutschland in Kooperation mit dem Deutschen Wetterdienst und dem Landesamt für Umwelt Sachsen. Im Laufe des Sommers starten weitere Projekte in Tschechien und in Burkina Faso, wo erstmals eine landesweite Erfassung von Richtfunkstrecken in Afrika aufgebaut werden soll.
KIT / RK
Weiter Infos
- Originalveröffentlichungen
M. Graf et al.: Rainfall estimation from a German-wide commercial microwave link network: optimized processing and validation for 1 year of data, Hydrology and Earth System Sciences 24, 2931 (2020); DOI: 10.5194/hess-24-2931-2020
J. Polz et al.: Rain event detection in commercial microwave link attenuation data using convolutional neural networks, Atmospheric Measurement Techniques 13, 3835 (2020); DOI: 10.5194/amt-13-3835-2020 - Zentrum Klima und Umwelt, Karlsruher Institut für Technologie
- Regionales Klima und Hydrologie, Institut für Geographie, Universität Augsburg