12.08.2021 • VakuumQuantenphysik

Qubits auf dem Weg zur Marktreife

MATQu schafft Wertschöpfungskette für industriell fertigbare Quantencomputer.

Die (Rechen-)Leistung von Quanten­computern hängt stark von ihrem zentralen Hard­ware­element ab: dem Qubit. Es existieren mehrere Ansätze zur Realisierung von Qubits, jedoch fehlen aktuell stabile, skalierbare Fertigungs­methoden, um einen Durchbruch in der industriellen Nutzung zu erreichen. Das im kürzlich gestartete Projekt MATQu, kurz für Materials for Quantum Computing, will eine europäische Forschungs­infrastruktur für fort­schritt­liche Computing-Tech­nologien aufzubauen. Ziel ist, durch die enge Zusammen­arbeit von führenden europäischen Forschungs­instituten, Industrie und Anwendungs­partnern eine europäische Liefer­kette für Materialien und Prozesse für Festkörper-Qubits zu etablieren. So soll der europäischen Industrie der Weg zu festkörper­basierten Quanten­computern geebnet werden. Die beiden Fraunhofer-Institute IPMS und IAF bringen dabei ihre Expertise in der 300-mm-Fertigung und der Tief­temperatur­mess­technik ein.

Abb.: Testchip mit supra­leiten­den Qubits in einem 300 mm inte­grierten...
Abb.: Testchip mit supra­leiten­den Qubits in einem 300 mm inte­grierten Prozess­prototyp. (Bild: IMEC)

Mit MATQu soll ein europäisches Ökosystem geschaffen werden, um Fest­körper-Qubits – wie beispiels­weise supra­leitende Josephson-Kontakte – in die Anwendung zu bringen. Josephson-Kontakte sind derzeit die aus­gereif­teste Fest­körper­platt­form für stabile supra­leitende Qubits. Schwer­punkt des Projekts sind neue Materialien sowie Prozes­sierungs- und Charak­teri­sierungs­techno­logien für Quantencomputer-Hardware.

Supraleitende Qubits gehören zu den viel­ver­sprechend­sten Bau­elementen, um einen ­im großen Maßstab zu realisieren. Der Erfolg der Josephson-Kontakte kann auf ihre Design­­prinzipien zurückgeführt werden, die auf etablierten Produk­tions­­prozessen beruhen. Ihre Leistungs­fähigkeit hängt jedoch entscheidend von der Qualität der verwendeten Substrate und der Materialien sowie der Reprodu­zier­barkeit der bei der Herstellung angewandten Prozesse ab. Eine stabile und etablierte Wert­schöpfungs­kette ist daher der Schlüssel zur Verbesserung dieser Parameter in der Zukunft. So ist das technische Haupt­ziel des Projekts MATQu die Verbesserung und der Transfer von Materialien und Techno­logien aus den Laboren in den Markt. Die Projekt­­partner verfügen über umfangreiche Infra­struktur und werden mit ihrer Expertise in den Bereichen Materialien, Prozessintegration und Forschung dazu beitragen, robuste und reproduzierbare Qubits herzustellen. Eine industrie­taugliche Fabri­kations­infra­struktur wird es ermöglichen, Prozess­parameter zu optimieren und die Leistung supra­leitender Qubits systematisch zu verbessern.

Qubits werden oft als eigenwillig beschrieben; zwischen ihnen wird eine große Varia­bilität gemessen. Um dies zu kontrollieren, sind komplexe Methoden zum „Tunen“ (Einstellen) der Qubits erfor­derlich. Dies wiederum erhöht die Komplexität der Quanten­computer­archi­tek­turen im Vergleich zu tradi­tionellen (von Neumann)-Computern. Dies ist auch einer der Haupt­gründe für die derzeitigen Ska­lie­rungs­grenzen in der Anzahl der Qubits in heutigen Quanten­computern. MATQu zielt darauf ab, diese Variabilität zwischen den Qubit-Komponenten zu reduzieren. „Wir erwarten zwar in den nächsten 5 bis 10 Jahren nicht das gleiche Integrations­niveau wie bei klassischen Computer­chips, aber wir werden sicherlich einen großen Schritt in Richtung Varia­bilitäts­reduktion bei supra­leitenden Qubits machen“, erklärt Prof. Rüdiger Quay, Projekt­koordinator vom Fraunhofer IAF.

Abb.: PVD (Physical Vapour Deposition)-Anlage zur Material­abscheidung für...
Abb.: PVD (Physical Vapour Deposition)-Anlage zur Material­abscheidung für Qubits im 300-mm-Rein­raum des Fraun­hofer IPMS (Center Nano­electronic Technologies CNT) in Dresden. (Bild: Fraun­hofer IPMS)

Der Fokus des Fraunhofer IPMS im Projekt liegt darauf, die bestehenden Konzepte und Techno­logien aus dem Labor in die indus­trielle Fer­tigung zu bringen. Dabei beruft sich das Institut auf seine Expertise in der 300-mm-Fertigung, die bereits als Industrie­standard für CMOS-Computing-Plattformen dient. „Im Projekt gewinnen wir neue Einblicke in die Material- und Prozesseinflüsse für den Herstellungsprozess von supraleitenden Qubits, insbesondere im Bereich der Abscheidung, Strukturierung und der Integration von supraleitenden Schichten. Durch neuartige Herstellungsprozesse und die Erprobung bei kryogenen Temperaturen wollen wir so die Fertigung von Bauelementen für das Quanten­computing auf europäischer Ebene voranbringen“, erläutert Dr. Benjamin Lilienthal-Uhlig, Geschäfts­feld­leiter Next Generation Computing am Fraunhofer IPMS. »Ein zweiter Schwerpunkt ist für uns, gemeinsam mit Industrie- und Forschungspartnern europäischen Mittelständlern und Startups Zugang zu modernsten Fertigungsanlagen und Know-how verschaffen, um die Reife der supraleitenden Qubit-Technologie deutlich zu steigern und das europäische Ökosystem der Quantentechnologie zu stärken«, sagt Lilienthal-Uhlig abschließend.

In dem Projekt MATQu bringt das Fraunhofer IAF seine Erfahrungen und Kenntnisse auf dem Gebiet der Tief­tempe­ratur­mess­technik ein, ins­besondere zur Untersuchung der Varia­bilität von supra­leitenden Schichten. Das Freiburger Institut besitzt umfang­reiche Geräte zur Charakte­risierung von kryogenen Bau­elemente, wie sie im Quanten­­computing zum Einsatz kommen. Damit erhalten europäische Unter­nehmen, ins­besondere KMUs und Start-ups, neben dem not­wendigen Know-how auch Zugang zu modernsten Test- und Charak­teri­sierungs­geräten und somit zu Schlüssel­komponenten für die Entwicklung von Quanten­computer-Hardware.

In Bezug auf Substrat­techno­logie, Prozess­techno­logie und Werk­zeuge bringt das Projekt MATQu die wichtigsten europä­ischen Akteure auf diesem Gebiet zusammen, darunter vier große Forschungs­ein­richtungen. Die 18 MATQu-Partner ergänzen sich in optimaler Weise über die gesamte Wert­schöpfungs­kette hinweg, um einen wesent­lichen Wett­bewerbs­vorteil zu schaffen, z. B. eine schnellere Markt­ein­führung von Techno­logien und Materialien für bessere Josephson Junctions für das Quanten­­computing. Das Projekt wird von der gemeinsamen Geschäfts­stelle des Fraunhofer-Verbunds für Mikro­elektronik und der Forschungs­fabrik Mikro­elektronik Deutschland sowie dem Fraunhofer IAF koordiniert.

IPMS / LK

 

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